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Kundenrückgewinnung in sieben Schritten (Teil 6)

Come back!, das neue Buch der Loyalitätsexpertin Anne M. Schüller zeigt, wie Ex-Kunden Schritt für Schritt reaktiviert werden können.
Anne M. Schüller | 02.03.2007
Nachdem, wie in den vorhergehenden Teilen beschrieben, die abgewanderten Kunden identifiziert und die möglichen Verlustursachen analysiert wurden, geht es nun darum, die lukrativen unter den verlorenen Kunden zu reaktivieren. Folgende Entscheidungen sind dabei zu treffen:

• Welche Kunden wollen Sie überhaupt zurück?
• Wer soll die verlorenen Kunden auf welche Art und Weise ansprechen?
• Welche materiellen bzw. emotionalen ‚Köder’ wollen Sie diesen anbieten?
• Wann soll dies erfolgen? Wie schnell können Sie agieren?
• Wie viel Budget steht dazu bereit?

Das genaue Vorgehen wird von den Charakteristika der jeweiligen Märkte bestimmt. Dabei interessieren vor allem zwei Aspekte:

• Mit wem lohnt sich ein Neuanfang?
• Wer will überhaupt zurück?

Es geht demnach um die Vorauswahl solcher Kunden, die rentabel waren bzw. sein werden und zurückholbar sind. Die Abwanderung wertarmer Kunden hingegen ist durchaus erwünscht. Und es gibt Kunden, die wünschen Sie der Konkurrenz viel lieber als sich selbst. Das sind vor allem:

• unrentable Kunden
• Kunden kurz vor der Insolvenz
• untragbare, hochproblematische, ernsthaft schwierige Kunden
• Schnäppchenhopper, Rosinenpicker, Konditionenhascher

Bei all dem wollen Sie sich nicht von subjektiven Einschätzungen oder persönlichen Vorlieben leiten lassen, sondern Sie brauchen ein objektivierbares Bewertungssystem - wie etwa das Kunden-Scoring.


Das Kunden Scoring

Bei der Scoring-Methode werden die Kriterien definiert, die Kunden für Sie wertvoll machen. Und das ist bei weitem nicht nur der Ertrag, den Sie mit einem Kunden erzielten – oder besser gesagt – in der Zukunft erzielen könnten. Kunden haben ja nicht nur einen monetären, sondern auch einen ideellen Wert. Um all dies zu berücksichtigen, bieten sich etwa die folgenden Merkmale an:

• Die Kaufhistorie: Wie lange war uns der Kunde verbunden, wie oft und wie viel hat er zu welchen Zeiten und mit wie viel Ertrag gekauft?

• Der Deckungsbeitrag: Wie profitabel kann der Kunde zukünftig sein?

• Der Imagefaktor: Können wir uns mit diesem Kunden schmücken?

• Der Empfehlungswert: Ist dieser Kunde ein wertvoller Empfehler?

• Die Zukunftsperspektive: Ist der Kunde innovativ und gehört er einer Wachstumsbranche an?

• Die Preissensibilität: Verhandelt der Kunde bis aufs Messer?

• Der Schnäppchenfaktor: Hat der Kunde kontinuierlich gekauft - oder nur die wenig rentablen Schnäppchen?

• Die Zahlungsmentalität: Bezahlte der Kunde seine Rechnungen pünktlich und ohne Beanstandungen?

• Die Bonität: Wie steht es um seine zukünftige Zahlungsfähigkeit?

• Der Betreuungsaufwand: Wie anspruchsvoll war der Kunde?

• Der Sympathiefaktor: War der Kunde angenehm und gern gesehen?

• Die Reklamationsbereitschaft: Reklamierte der Kunde häufig?

Diese und ähnliche Kriterien, die Sie individuell bestimmen können, werden auf einer Skala von eins bis zehn bewertet und optisch sichtbar gemacht. Die Punkte (= Scores) werden schließlich aufaddiert und in eine Rangfolge gebracht. Dieses Vorgehen ermöglicht, sich systematisch auf die interessantesten Reaktivierungskandidaten zu konzentrieren.


Vom Start weg erfolgreich

Nun haben Sie also die Zielpersonen für Ihre Reaktivierungsaktion festgelegt. Beginnen Sie mit den profitabelsten Kunden. Suchen Sie sich darunter zunächst diejenigen aus, zu denen immer noch ein guter persönlicher Draht besteht. Erste Erfolge machen Mut, die Aktion bis zum Ende durchzuziehen. Für die Rückgewinnung von Star-Kunden kann der Chef persönlich verantwortlich zeichnen. Aber bitte nur, wenn er es verkäuferisch ‚drauf’ hat. Sonst geht der Schuss womöglich nach hinten los.

Oder beginnen Sie mit Kundengruppen, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer schnellen Rückgewinnung hoch ist. Studien belegen, dass Geschäftskunden tendenziell loyaler sind als Privatkunden. Das gleiche trifft - bei aller Offenheit für die zukünftige Entwicklung dieses Themas - auch auf Menschen ab 40 und auf Frauen zu. Testen Sie es einfach mal aus.

Verschiedene Untersuchungen zeigen ferner, dass es erfolgsträchtiger ist, Personen zu reaktivieren, bei denen es Probleme im Bereich der ‚weichen’ Faktoren gab. So berichtet Frank G. Sieben in seinem Buch Rückgewinnung verlorener Kunden vom Fall einer Bank, bei der die Rückgewinnung von Kunden mit dem Abwanderungsgrund ‚Unzufriedenheit’ stolze 75 Prozent betrug; beim Abwanderungsgrund ‚Mittelverwendung’ lag sie nur bei 45 Prozent.

Denken Sie bei der Auswahl der Kunden, die Sie zurückgewinnen wollen, auch an solche, die vor langer Zeit abgewandert sind. Diese geraten - zusammen mit den Verlustursachen - allzu gerne in Vergessenheit. Im Kundenunternehmen sieht das hingegen ganz anders aus. Dort gibt es oft noch nach Jahren böses Gerede darüber, warum man mit Ihnen bloß keine Geschäfte machen soll. Niemand kann sich mehr an die genauen Hintergründe erinnern – aber gewarnt wird trotzdem.


‚Beautiful Exit’

Selbst bei allem Bemühen wird es Ihnen nicht gelingen, jeden Kunden zurück zu gewinnen. Reagieren Sie nicht angesäuert! Bleiben Sie vielmehr in guter Erinnerung. Bereiten Sie diesen Kunden einen schönen Abschied. Die Amerikaner nennen das einen ‚Beautiful Exit’. Und lassen Sie eine Brücke stehen! Es ist schon vorgekommen, dass solch rührendes Bemühen noch Kunden zurückgelockt hat, die zunächst nicht rückkehrbereit waren.

Behandeln Sie Ihre abwandernden Kunden fair, auch wenn deren Fairness zu wünschen übrig ließ. Was demnach absolut tabu sein sollte: angeblich verschlampte Kündigungsschreiben, absichtlich nicht bearbeitete Reklamationen, minderwertige letzte Lieferungen, Beschimpfungen und Beleidigungen, üble Nachrede. Was Sie hingegen tun können:

• Bedanken Sie sich für die zurückliegende Geschäftsbeziehung.
• Wünschen Sie dem Kunden für die Zukunft viel Erfolg.
• Machen Sie unerwünschten Kunden aber kein Rückkehr-Angebot.
• Lassen Sie sich auf ‚Erpressungsversuche’ nicht ein.
• Wenn ein unerwünschter Kunde von selbst wieder anklopft: Erhöhen Sie die Konditionen bzw. den Preis. Oder stellen Sie Bedingungen. Akzeptiert er diese, haben Sie aus einem schlechten Kunden einen guten gemacht.
• Oder aber: Signalisieren Sie, dass Sie keine weiteren Möglichkeiten einer Zusammenarbeit sehen. Begründen Sie dies auf akzeptable Weise.

Machen Sie einen entsprechenden Vermerk in der Kundendatei, damit der Kunde nicht versehentlich doch noch einmal angesprochen wird – oder gar postwendend ein Neukunden-Mailing bekommt (ist alles schon vorgekommen). Prüfen Sie zu einem späteren Zeitpunkt, ob sich ein Zurückgewinnen wieder lohnt. Denn auch bei ehemaligen Kunden kann sich, etwa bedingt durch einen Managementwechsel, eine Menge ändern.


Bibliografie:
Anne M. Schüller:
Come back! Wie Sie verlorene Kunden zurückgewinnen
Orell Füssli Verlag, Zürich 2007
223 Seiten, gebunden, CHF 44. / € 26.50
ISBN 978-3-280-05242-6

Hier bestellen: http://www.anneschueller.de/rw_e13v/main.asp?WebID=schueller3&PageID=122


Anne M. Schüller
ist Management-Consultant und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Über 20 Jahre hat sie in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen verschiedener Dienstleistungsbranchen gearbeitet und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Die Diplom-Betriebswirtin und siebenfache Buchautorin lehrt an mehreren Hochschulen. Sie gehört zu den besten Wirtschafts-Speakern im deutschsprachigen Raum. Kontakt: www.anneschueller.de
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Über Anne M. Schüller

Anne M. Schüller: Keynote-Speaker, Bestsellerautorin, Businesscoach. Expertin für Touchpoint Management. Neues Buch: Zukunft meistern