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OLG Frankfurt: Unternehmens-Werbeanrufe bei eigenen Kunden zulässig?

Dürfen nach der Wettbewerbsreform in 2004 Unternehmen bei ihren Kunden anrufen und für eine Erweiterung des bestehenden Vertrages werben?
Martin Bahr | 27.09.2005

Ein Artikel von Rechtsanwalt Dr. Bahr, http://www.Dr-Bahr.com

Das OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 21.07.2005 - Az.: 6 U 175/04) hatte darüber zu entscheiden, ob ein Versicherungsunternehmen seine privaten Kunden zu Werbezwecken anrufen kann.

Das beklagte Versicherungsunternehmen hatte seine private Kunden ohne deren Wissen und Wollen angerufen, um über Neuigkeiten oder Verbesserungsvorschläge hinsichtlich bestehender Verträge zu informieren.

Dies hat das OLG Frankfurt als rechtswidrig angesehen:

"Das (...) geschäftliche Verhalten verstößt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG."

Dann beschäftigt es sich mit der Frage, welcher Form der Einwilligung seitens des Kunden es bedarf, damit die Wettbewerbswidrigkeit entfällt: Ob der Kunde ausdrücklich zustimmen muss oder ob auch eine stillschweigend geäußerte, sich aus den näheren Umständen ergebende Erklärung ausreichend ist:

"Nach der (...) Vorschrift ist Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern nur erlaubt, wenn die Verbraucher in diesen Anruf zuvor eingewilligt haben. Dafür reicht neben der ausdrücklichen auch eine konkludente Einwilligung aus (...).

Dies ergibt sich zwar nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung. Auch unter Geltung des alten Rechts (...) war es jedoch nach der Rechsprechung des Bundesgerichtshofs (...) anerkannt, dass Telefonwerbung gegenüber Privatpersonen zulässig ist, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit einem solchen Anruf erklärt hat.

Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG beabsichtigt haben könnte, die Anforderungen an die Telefonwerbung im privaten Bereich gegenüber dem alten Recht zu verschärfen.

Insbesondere ergeben sich hierfür aus den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte. Zwar hatte es in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zunächst geheißen, dass die angerufene Privatperson zuvor „ausdrücklich“ seine Einwilligung erklärt haben müsse (...). In ihrer Gegenäußerung zu den Vorschlägen des Bundesrates hat die Bundesregierung sodann jedoch zum Ausdruck gebracht, dass eine Verschärfung des geltenden Rechts nicht beabsichtigt sei (...).

Andererseits genügt eine lediglich mutmaßliche Einwilligung zur Rechtfertigung eines Telefonanrufs im privaten Bereich regelmäßig nicht; dies ergibt sich bereits im Gegenschluss aus der Regelung in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG zur Telefonwerbung gegenüber sonstigen Marktteilnehmern, für die nach dem Gesetzeswortlaut eine mutmaßliche Einwilligung ausdrücklich ausreicht."

In der Praxis ist die Grenze zwischen der zulässigen konkludenten und der rechtswidrigen mutmaßlichen Einwilligung sehr fließend und stark einzelfallbezogen. In jedem Fall - so die Richter - liege nicht schon alleine deswegen eine konkludente Erklärung vor, weil der Kunde seine Telefon-Daten im Vertragsformular mitgeteilt habe.

Im weiteren fassen die Richter als Werbung grundsätzlich schon alle Anrufe auf, die eine Erweiterung oder Ergänzung des bestehenden Versicherungsverhältnisses betreffen.

"Nicht erfasst von der Einwilligung sind dagegen Anrufe zur Erweiterung oder Ergänzung des Versicherungsschutzes (...).

Denn aus der Sicht des Versicherungskunden gibt es keinen Grund, warum ein solches Angebot nicht auch schriftlich unterbreitet bzw. die möglicherweise sinnvolle mündliche Erläuterung des Angebots auf schriftlichem Wege vorbereitet werden sollte."
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