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Über die sieben ‚Rollen‘ einer Führungskraft

Jede Führungskraft hat Präferenzen im Denken und Handeln und kann daher nicht jede dieser Rollen gleich gut erfüllen.
Anne M. Schüller | 21.06.2008
Im sogenannten ‚Manager-Speak‘ zeitgemäßer Unternehmen kommt das Wort Führung schon kaum mehr vor. Da wird von Leadership und von Management gesprochen, zwei kontroverse Begriffe, die oft bedeutungsgleich verwendet werden. Das sind sie aber nicht. Denn Management hat mit Managen und Leadership vor allem mit Führen zu tun. Die Vorbildfunktion und das ‚Mensch sein‘ spielen gerade bei letzterem eine wichtige Rolle

Die Aufgabenschwerpunkte einer Führungskraft - die in gewisser Weise auch als ‚Rollen‘ bezeichnet werden können - sind folgende:

• Führung
• Manager
• Fachkraft
• Mitarbeiter
• Repräsentant
• Vorbild
• Mensch

Jede Führungskraft hat Präferenzen im Denken und Handeln und kann daher nicht jede dieser Rollen gleich gut erfüllen. Sehen wir uns einige davon ein wenig genauer an.


Führen und Managen

Führung kümmert sich um Menschen, der Manager um alles, was sich Organisieren lässt (planen, umsetzen und kontrollieren von Prozessen, Strukturen, Standards etc.). Das Führen hat implizit eine ethische und das Managen vorrangig eine ökonomische Dimension. Führung entwickelt die Unternehmenskultur, das Management die Strategie. Die Führungskraft benötigt vor allem soziale und der Manager insbesondere methodische Kompetenzen. Unnötig zu sagen, dass methodische Kompetenzen – wie sie sich etwa in Projekten und Aktionen manifestieren - leichter zu erwerben und zu steuern sind als Soft-Skills.

Schon allein deshalb kommen soziale Kompetenzen vielerorts immer noch zu kurz. Das heißt: In den meisten Unternehmen wird zu viel Management und zu wenig Leadership gelebt. Die Verteilung zwischen sachorientierter und beziehungsorientierter Herangehensweise liegt vielfach bei 80 zu 20. Was ein Fehler ist, denn unternehmerische Top-Performance braucht beides: gute Führungskräfte und ein gutes Management. Wer nämlich etwas bewegen will, tut sich leichter, wenn er zunächst seine Mitarbeiter zu ‚Fans‘ macht, um sie dann auf Veränderungen einzustimmen. Einem Freund folgt man lieber als einem Feind.

Nicht selten wird jedoch, wenn eine Führungsposition zu besetzen ist, auch heute noch die beste Fachkraft zur Führungskraft gekürt. Solchen ‚Edelsachbearbeitern‘ fehlt dann meist die Führungskompetenz, sie erledigten weiterhin alles selbst. Zwar ist Fachwissen für eine Führungsposition hilfreich, es tritt aber zunehmend an Bedeutung zurück. Ein guter Vorgesetzter orchestriert seine Mannschaft wie ein Dirigent. Dazu braucht er nicht der Beste an der Pauke zu sein. Das Solo wird den ausgewiesenen Experten im Team überlassen. Und die dürfen dafür auch den Applaus einheimsen.


Vorbild sein

Ob draußen oder drinnen im Unternehmen: Führungskräfte stehen unter ständiger Beobachtung – wie auf einer offenen Bühne. Daher gilt es, die Führungsrolle so perfekt wie möglich zu spielen, ausdauernd wie ein Schauspieler zu üben und sich nach jeder Performance zu fragen: Wie war ich? Denn das Verhalten der Oberen vervielfältigt sich insbesondere durch ihr Tun. „Es dauert keine 14 Tage“, hat der gute alte Sam Walton, Gründer von Wal-Mart, einmal gesagt, „dann behandeln die Mitarbeiter ihre Kunden genauso, wie sie selbst von ihrem Chef behandelt wurden.“ Bezeichnenderweise heißt es ja auch Vorbild und nicht Vorwort. Vormachen funktioniert viel besser als vorschreiben.

Erst seit ein paar Jahren wissen wir, was dabei im Hirn passiert: Spiegelneurone werden aktiv. Im Jahr 1992 entdeckte ein Forschungsteam der Universität Parma unter Giacomo Rizzolatti bei Versuchen mit Affen eher zufällig dieses Phänomen. Später wurden Spiegelneurone in immer größerer Zahl auch bei Menschen entdeckt, sogar in unseren Schmerzzentren. Und so spüren wir die Pein der Anderen in uns selbst. Solches Mitfühlen, auch Empathie genannt, ist uns angeboren. Menschen übernehmen automatisch Gefühle voneinander, die Emotionen gleichen sich an. Der gesunde Menschenverstand weiß dies schon lange und spricht von gleicher Wellenlänge.

Spiegelneurone, so der Psychoneuroimmunologe Joachim Bauer, sind „Nervenzellen, die im eigenen Körper ein bestimmtes Programm realisieren können, die aber auch dann aktiv werden, wenn man beobachtet oder auf andere Weise miterlebt, wie ein anderes Individuum dieses Programm in die Tat umsetzt.“ Das heißt, wir erleben, was andere fühlen, in einer inneren Simulation. Dies führt oft zu einer Art emotionaler Ansteckung, zu spontaner Imitation, zum Gleichschritt und zur Kopie von Duktus und Habitus.


Über Vormacher und Nachmacher

Nur wenige Menschen sind Vormacher, die meisten sind Nachmacher. Wenn wir selbst nicht ganz sicher sind, dann folgen wir dem, der uns das Gefühl gibt, seiner Sache ganz sicher zu sein. Und das ist zum Beispiel der Chef. Sollten Mitarbeiter erleben, dass ihr Vorgesetzter nicht ehrlich ist, weil er etwa einem Kunden eine falsche Wahrheit präsentiert, so darf damit gerechnet werden, dass die Mitarbeiter sich bei nächster Gelegenheit ähnlich verhalten.

Ob also die Mitarbeiter das positive in einer Kundenbeziehung sehen können, hat maßgeblich mit dem zu tun, was sie bei ihrer Führungskraft hören und beobachten. Macht diese immerzu den schwachen Markt, die Nachfrageverschiebungen, die Tücken der Konkurrenz oder die miese Performance anderer Abteilungen für Misserfolge verantwortlich, so werden die Mitarbeiter schnell das gleiche tun. Wenn diese ständig Negativ-Geschichten über ‚schwierige’ Kunden, Nörgler und Querulanten hören, dann wird dies deren Einstellung färben. So entwickelt sich schließlich ein ‚Feindbild Kunde‘.

Die Stimmung im Unternehmen breitet sich von oben nach unten aus. Mitarbeiter sind abhängig von der guten oder schlechten Laune ihres Vorgesetzten. Aus diesem Grunde wird jeden Morgen beobachtet, wie der Chef heute drauf ist. Seine Stimme, seine Gestik, seine Mimik: Alles wird interpretiert. Jedes noch so leicht dahingesagte Wort erhält Gewicht. Ist er gut gelaunt, dann wissen die Mitarbeiter und spüren die Kunden: Heute ist ein guter Tag. So schlägt sich die Stimmung des Chefs unmittelbar auf die Performance der Mitarbeiter und schließlich auf die Ergebnisse nieder.


Mensch sein

Es ist immer wieder erstaunlich zu beobachten, wie cool und emotionslos Manager oft wirken wollen. Manche vergraben im Business ihre zwischenmenschlichen Gefühle wie Leichen im Keller. Als gäbe es im Berufsleben kein schlimmeres Vergehen, als sich so zu zeigen, wie man ist.

Während eines Manager-Seminars bat ich einmal um mehr Licht im Raum, damit ich besser in die Gesichter der Teilnehmer sehen könne. Ab dem Moment hatte ich Masken vor mir sitzen. Niemand wollte sich in die Karten schauen lassen. Diesen Managern habe ich schließlich folgendes Feedback gegeben: „Ich fand es interessant, Ihre Reaktion zu erleben. Was ich beobachtet habe, ist folgendes … und ich möchte Ihnen, wenn ich darf … auch eine Rückmeldung geben, wie ich mich dabei gefühlt habe: Ich habe die ganze Zeit nicht gewusst, ob Sie die Sache hochinteressiert finden oder ob ich Sie womöglich langweile. Ich hätte mir eine sehr viel deutlichere Reaktion gewünscht. Und ich kann mir gut vorstellen, dass es Ihren Mitarbeitern genauso geht. Wir Menschen brauchen nämlich Feedback, um sicher zu sein, dass wir richtig liegen. Sonst halten wir vorsichtshalber den Ball lieber flach. Deshalb: Zeigen Sie Ihre Gefühle, es wird Ihre Mitarbeiter und Sie selbst erfolgreicher machen! Und: Danke, dass ich Ihnen das sagen durfte.“

Wenn ein Vorgesetzter seine Gefühle zeigt, kommt dies einer Einladung an seine Mitarbeiter gleich, es ihm nachzutun. So erreicht man nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz seiner Leute. Wird hingegen nie über Gefühle gesprochen, dann verlagern sich etwaige Konflikte im Team schnell auf die Sachebene. Stundenlang werden dabei Probleme diskutiert, ohne zu einer befriedigenden Lösung zu kommen. Energieblockaden, Ineffizienz und hohe Zeitverluste sind die Folge. Bei Besprechungen und Konferenzen ist dies besonders oft zu beobachten.

Emotionslosigkeit macht Menschen hölzern und steif. Hinter einer Maske distanzierter Kontrolliertheit verbergen sich oft Abgründe von Selbstzweifeln, Verletztheit und Einsamkeit. Gefühle sind die vermeintliche Achillesferse des klassischen Managers. Und ja, es stimmt: Gefühle zu zeigen macht verwundbar - es macht aber auch frei. Erst der bewusste Umgang mit seinen Gefühlen sorgt für Authentizität und dies wiederum ist die Voraussetzung für Souveränität und Charisma.

Wer den Mut hat, seine Gefühle auszusprechen, der weckt Sympathie. Und genau auf diese Weise schafft er es schließlich, zu bewegen und zu überzeugen. Kommen Sie also raus aus der Black-Box Ihrer fragwürdigen emotionalen Neutralität und erlauben Sie sich, Gefühle zu zeigen. Man erreicht andere dann am besten, wenn man von sich selbst etwas preisgibt.

Weitere Infos: www.kundenfokussierte-unternehmensfuehrung.com


Zur Autorin

Anne M. Schüller ist Management-Consultant und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Über 20 Jahre lang hat sie in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen verschiedener internationaler Dienstleistungsunternehmen gearbeitet und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Die Diplom-Betriebswirtin und achtfache Buchautorin gehört zu den besten Keynote-Rednern im deutschsprachigen Raum. Sie arbeitet auch als Business-Trainerin und lehrt an mehreren Hochschulen. Sie gehört zum Kreis der ‚Excellent-Speakers‘. Zu ihren Kunden zählt die Elite der deutschen, schweizerischen und österreichischen Wirtschaft.
Kontakt: www.anneschueller.de

Das Buch zum Thema

Anne M. Schüller
Kundennähe in der Chefetage
Wie Sie Mitarbeiter kundenfokussiert führen

Orell Füssli, Zürich 2008, 26,50 Euro / 44.00 CHF
255 Seiten, ISBN: 978-3-280-05282-2

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Über Anne M. Schüller

Anne M. Schüller: Keynote-Speaker, Bestsellerautorin, Businesscoach. Expertin für Touchpoint Management. Neues Buch: Zukunft meistern