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Akzeptanz der Werberatsentscheidungen in der Branche weiter hoch

Der Deutsche Werberat sorgt für die Einhaltung der notwendigen Spielregeln innerhalb der Werbebranche.
Die Selbstkontrolleinrichtung (getragen von den Verbänden der werbenden Wirtschaft, Medien, Agenturen, Marktforschung, Werbeberufe) hat jetzt die Bilanz für 2015 vorgelegt. Danach ist die Zahl der vom Werberat zu entscheidenden Fälle nahezu konstant geblieben – trotz der in der Bevölkerung gestiegenen Sensibilität insbesondere für das Thema sexistische Werbung. Die Durchsetzungsquote des Werberats stieg auf 90 Prozent.

Im Jahr 2015 erreichten den Werberat insgesamt Beschwerden zu 622 einzelnen Werbemaßnahmen. Beschwert hatten sich 1.083 Personen und Organisationen. Von den 622 geprüften Fällen fielen 243 Fälle nicht in den Zuständigkeitsbereich der Selbstkontrolleinrichtung, etwa weil es sich um mögliche Gesetzesverstöße handelte oder redaktionelle Inhalte der Medien betroffen waren. Der Werberat bewertete 379 Werbesujets anhand der Verhaltensregeln der Werbebranche und traf damit nahezu gleich viele Entscheidungen wie im Vorjahr (2014: 387 Fälle; -2 Prozent). In 114 Fällen oder knapp einem Drittel schloss sich der Werberat der Kritik aus der Bevölkerung an.

103 Werbesujets gestoppt oder geändert

In 97 der 114 Beschwerdeverfahren konnte der Werberat bei den Unternehmen erreichen, dass sie ihre Werbung einstellten, in weiteren sechs Fällen änderten die werbenden Unternehmen ihre Motive oder schnitten ihren Spot um. So warb ein Energiedienstleister in seinem TV-Spot mit einer Heavy-Metal-Band. Da die Musiker zombieähnliche Masken trugen, kritisierten die Beschwerdeführer den Spot als angsteinflößend und entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder. Das Unternehmen ließ bestimmte Szenen – Zoom auf die Masken – herausschneiden. Den verkürzten Spot stufte der Werberat als nicht mehr problematisch ein.

Nur 11 Unternehmen blieben uneinsichtig und wurden öffentlich gerügt, 2014 waren es noch 14 Rügen gewesen. Nicht selten zieht ein Unternehmen seine Werbung nach Verhängung der Öffentlichen Rüge und ihrer Verbreitung über die Medien doch noch zurück. Der Werberat beobachtet darüber hinaus, dass ein Mal gerügte Unternehmen in der Regel kein zweites Mal auffällig werden. Hans-Henning Wiegmann, Vorsitzender des Gremiums: „Die Anerkennung des Werberats und seiner Entscheidungen sind in der Branche weiter hoch, wie die Zahlen des Jahres 2015 belegen. Die Verhaltensregeln des Werberats sind klare Leitlinien, die den Unternehmen bei der Konzeption ihrer Werbung wertvolle Orientierung geben.“

Vorwurf Sexismus dominiert auch 2015

Die meisten Beschwerden erreichen den Werberat traditionell wegen des Vorwurfs der geschlechterdiskriminierenden Werbung. Die Themen Frauenherabwürdigung (sexistische Werbung), Frauen- und/oder Männerdiskriminierung sind unter diesem Punkt zusammengefasst. 2015 betrafen 196 Fälle bzw. rund 52 Prozent aller Fälle vor dem Werberat diese Rubrik (2014: 203). Danach folgten Beschwerdegründe zum Thema Ethik und Moral mit 42 Fällen, zur Diskriminierung von Personengruppen 28, zur Entwicklungsbeeinträchtigung Kinder und Jugendlicher 19 sowie zur Nachahmungsgefahr gefährlichen Verhaltens ebenfalls 19 Fälle. Nur eine Randrolle spielten Beschwerden zu den auf rechtspolitischer Ebene intensiv diskutierten Themen Alkoholwerbung (8 Fälle) und Lebensmittelwerbung (2 Fälle).

Von den 196 Fällen im Bereich der Geschlechterdiskriminierung wurde mit 88 Fällen fast die Hälfte beanstandet (Vorjahr: 38 Prozent). Grundlage der Entscheidungen waren die im Jahr 2014 aktualisierten Verhaltensregeln des Deutschen Werberats gegen Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen.

Werberat zu Stereotypen in der Werbung

In die Fallgruppe „Frauendiskriminierung“ fallen auch Beschwerden über Werbemaßnahmen, die aus Sicht der Beschwerdeführer veraltete Rollenbilder beinhalten und somit zu einer Verfestigung überholter Rollen von Mann und Frau in der Gesellschaft beitragen würden. Kritisiert wurde beispielsweise eine Prospektwerbung für Kinderbettwäsche: Darin lag das Mädchen in einer Prinzessinnen-Bettwäsche, der Junge in einer Feuerwehrmann-Bettwäsche. Für den Werberat bedeutet der Einsatz von Stereotypen in der Werbung als solches noch nicht per se eine Diskriminierung einer bestimmten Personengruppe (zum Beispiel Frauen oder Mädchen). In der Bettwäsche-Werbung werde zwar eine (vermeintlich) geschlechtertypische Auswahl getroffen, diese spiegele jedoch die Vorlieben vieler Kinder und ihrer Eltern wider. Diese Realität dürfe die Werbung auch abbilden; sie habe nicht den gesellschaftspolitischen Auftrag, eine Umerziehung der Gesellschaft voranzu-treiben. Es gibt auch Fälle, in denen das klischeehafte, offensichtlich übertriebene Abbilden von „veralteten“ Rollbildern helfen kann, aktuell bestehende Stereotype aufzubrechen.

Werbeverbote sind kein Mittel gegen frauenfeindliche Übergriffe

Als sachwidrig beurteilt der Werberat den Beschluss der SPD für ein gesetzliches Verbot geschlechterdiskriminierender Werbung, den der Parteivorstand als Reaktion auf die massenhaften Übergriffe gegen Frauen in der Silvesternacht in Köln und anderen deutschen Städten auf seiner Jahresauftaktklausur getroffen hat. „So schlimm die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht waren, so wenig haben sie mit Werbung zu tun. Neue gesetzliche Regelungen zur Werbung wären eine Scheinlösung im Rahmen einer großen gesellschaftlichen Herausforderung“, betont Julia Busse, Geschäftsführerin des Werberats. Der Werberat stelle sich den aktuellen und weiter steigenden Erwartungen an die Werbebranche. Diese Arbeit gelte es auch politisch zu stärken. Dazu der Werberatsvorsitzende Hans-Henning Wiegmann: „Die erfolgreiche und gesellschaftlich akzeptierte Arbeit des Werberates dokumentiert, dass selbstdisziplinäre Regeln oft ständig weiter einengenden und komplexen Gesetzen vorzuziehen sind."

Auf die positiven Wirkungen der funktionierenden Werbeselbstkontrolle hatte auch die Bundesregierung im Juni 2015 hingewiesen: In ihrem Bericht zum „UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ betonte sie den engen verfassungsrechtlichen Rahmen bei der Einschränkung von Werbung und würdigte die Arbeit des Deutschen Werberats. Die Federführung bei diesem Bericht hatte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD).

Beschleunigte Verfahrensdauer

Die meisten Beschwerden erreichten den Werberat im vergangenen Jahr über das Beschwerdeformular auf seiner Internetseite (71 Prozent), gefolgt von E-Mails mit 21 Prozent. Diese technischen Möglichkeiten erleichtern die Arbeit des Werberats; seine Beurteilungen können schneller erfolgen als zu analogen Zeiten, in denen eine Werbung häufig erst recherchiert werden musste. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug im Jahr 2015 zweieinhalb Wochen, viele Fälle konnten innerhalb von nur wenigen Tagen abgeschlossen werden.

Social Media Leitlinien für Alkoholwerbung

Ein weiteres zentrales Thema für den Werberat ist die Bewerbung alkoholhaltiger Getränke. „Die Werbewirtschaft ist sich ihrer besonderen Verantwortung in diesem Bereich sehr bewusst“, betont Julia Busse. Zunehmend finden die werbliche Ansprache und der Dialog mit den Kunden auch über die Social-Media-Kanäle der Hersteller alkoholhaltiger Getränke statt. Hierbei gelten die gleichen inhaltlichen Vorgaben wie bei allen anderen Medien, allerdings wirft die Anwendung der selbstdisziplinären Regeln in Social-Media-Auftritten spezifische Fragen auf. „Mit den Erläuterungen wollen wir auf diese Fragen eingehen, die Beachtung des Kodex in der täglichen Praxis erleichtern und konkrete Hinweise zu dessen Umsetzung geben“, so Julia Busse.

Jahrbuch Deutscher Werberat 2016 veröffentlicht

Beispielhafte Beschwerdefälle, die Standesregeln der Werbebranche sowie zahlreiche Details zur Arbeit und Funktion des Werberats sind in dem neu gestalteten Jahrbuch zusammengefasst, das die Selbstkontrolleinrichtung heute veröffentlicht. Einen vertiefenden Einblick liefern die Gastbeiträge von Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des deutschen Handwerks, und Guy Parker, Chairman des Europäischen Netzwerks der Werbeselbstregulierung EASA.

Jahrbuch Deutscher Werberat 2016

104 Seiten, 5,00 EUR zzgl. Versandkosten
Studierende, Auszubildende: 2,50 EUR (mit Bescheinigung)
(PDF-Datei kostenfrei auf Nachfrage)

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