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„Der Brexit könnte zum Mittelstandsexit werden”

LBBW Research und IAW präsentieren erstmals Ergebnisse der bundesweiten Unternehmensumfrage „Mittelstandsradar“.
© Pixabay / daniel_diaz_bardillo
 
Seit acht Jahren brummt der Exportmotor in Deutschland – und das auch aufgrund des florierenden Mittelstands. In einer gemeinsam von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und dem Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) entwickelten bundesweiten Umfrage unter mittelständischen Unternehmen äußert sich die Mehrheit der Befragten über den aktuellen Geschäftsverlauf und die Erwartungen für die nahe Zukunft optimistisch. Als sehr gut bezeichneten rund 30 Prozent der Befragten die Geschäftslage, insgesamt äußerten sich fast 90 Prozent positiv. Ebenso hoch auch der Anteil jener, die auch in den kommenden sechs Monaten mit sehr guten oder guten Geschäften rechnen.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich im Auslandsgeschäft gerade etwas Grundlegendes verändert. Aktuell nannten die befragten Unternehmen als Ausfuhrziele die Eurozone, gefolgt von Ausfuhren nach China, Mittel- und Osteuropa, Vereinigtes Königreich und den USA. Aber jahrzehntelang verlässliche Wirtschaftspartner verlieren bei den deutschen Mittelständlern an Gunst. Vor allem der Brexit bleibt nicht ohne Folgen. Gut 40 Prozent sehen Großbritannien als Absatzmarkt negativ, gar mehr als die Hälfte auch als Produktionsstandort. Und auch bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung sowie der politischen Rahmenbedingungen erzielt kein anderer Standort so schlechte Werte. „Das Vereinigte Königreich liegt damit noch hinter Nahost und Nordafrika. Der Brexit könnte zum Mittelstandsexit werden“, sagt LBBW-Unternehmenskundenvorstand Karl Manfred Lochner bei der Präsentation des Mittelstandsradars in Stuttgart.


China ist der lachende Dritte



Und auch die USA müssen unter Präsident Donald Trump Federn lassen. Überaus kritisch bewerten die deutschen Mittelständler insbesondere die politischen Rahmenbedingungen: Bereits mehr als die Hälfte sieht diese negativ. Schlechter kommt nur noch das Vereinigte Königreich weg. Der von Präsident Donald Trump betriebene Handelskrieg mit China und der sich zunehmend verstärkende Protektionismus verschlechtern die politischen Rahmenbedingungen weiter. „Der Mittelstand wäre definitiv Opfer dieses Protektionismus. Er ist schließlich der Exportmotor Deutschlands“, gibt LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert zu bedenken.

Deutlich bessere Noten als der angelsächsische Raum erhält hingegen China. Obwohl sich nur weniger als jeder Zehnte positiv zu den politischen Rahmenbedingungen äußert, loben knapp 35 Prozent das Land als Absatzmarkt und gut ein Fünftel der Unternehmen heben es als Produktionsstandort hervor. Die Volksrepublik ist damit der lachende Dritte. Als Absatzmarkt und Produktionsstandort platzieren die Unternehmen das Land gleich hinter Deutschland und Europa.

Bankkredit bleibt Mittel der ersten Wahl



Einen wesentlichen Anteil an der guten Stimmung unter den deutschen Mittelständlern hat der Finanzplatz Deutschland: Mehr als 80 Prozent empfinden der Umfrage zufolge die derzeitigen Finanzierungsbedingungen als gut bis sehr gut. Dabei steht der klassische Bankkredit als Mittel der ersten Wahl weiter ganz oben. 94 Prozent aller Unternehmen, die im kommenden Halbjahr Fremdkapital einsetzen werden, wollen auf dieses Finanzierungsinstrument zurückgreifen. Dies ist ein großer Vertrauensbeweis für die Banken.

Vier Fünftel der Befragten wollen in den weiteren Ausbau des Geschäfts investieren, fast zwei Drittel ihre bestehende Infrastruktur erneuern. Und obwohl sich die weit überwiegende Mehrheit Kostensenkungen auf die Fahne geschrieben hat, planen nur 26 Prozent der Unternehmen reine Rationalisierungsmaßnahmen.

Für viele Unternehmen könnte dabei der digitale Fortschritt einen Ausweg aus der Kostenfalle bahnen. Die Mehrheit des Mittelstands ist in Sachen Digitalisierung bereits auf einem guten Weg. Auf einer Skala von 1 („voll entwickelt“) bis 6 („überhaupt nicht entwickelt“) geben sich die Befragten im Durchschnitt eine 2,8. Das ist nicht Weltspitze, aber eine gute Ausgangsbasis. Den Unternehmen ist klar, dass die Digitalisierung das zentrale Zukunftsthema ist. Hier sehen sie daher auch den größten Investitionsbedarf. Über den Erfolg oder Misserfolg entscheidet dabei, ob die Unternehmen qualifizierte Mitarbeiter finden. Hier wirkt sich der Fachkräftemangel noch gravierender aus, als beim geplanten Ausbau der Produktionskapazitäten, und könnte sich als echte Fortschrittsbremse erweisen.

„Der erstmals veröffentlichte Mittelstandsradar liefert viele aktuelle Informationen zur wirtschaftlichen Entwicklung in den Unternehmen. Er ist besonders aussagekräftig, da mehr als zwei Drittel der Befragten Eigentümer, CEO oder Finanzvorstände des jeweiligen Betriebs sind“, sagt Prof. Dr. Bernhard Boockmann, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW). Das Tübinger Institut und das LBBWResearch hatten von Dezember bis Februar in der repräsentativen Umfrage knapp 370 Entscheidungsträger mittelständischer Unternehmen nach Entwicklungen, Einschätzungen und Absichten befragt. Der Mittelstandsradar soll zukünftig halbjährlich fortgeschrieben werden.

Die Landesbank Baden-Württemberg (www.lbbw.de) ist eine mittelständische Universalbank sowie Zentralinstitut der Sparkassen in Baden-Württemberg, Sachsen und Rheinland-Pfalz. Mit einer Bilanzsumme von 238 Milliarden Euro und mehr als 10.000 Beschäftigten (Stand 31.12.2017) ist die LBBW eine der größten Banken Deutschlands. Kernaktivitäten sind das Unternehmenskundengeschäft, speziell mit mittelständischen Unternehmen, und das Geschäft mit Privatkunden sowie mit den Sparkassen. Ein weiterer Fokus liegt auf Immobilien- und Projektfinanzierungen in ausgewählten Märkten sowie dem kundenorientierten Kapitalmarktgeschäft mit Banken, Sparkassen und institutionellen Anlegern. Gemeinsam mit ihren regionalen Kundenbanken betreut die LBBW an insgesamt knapp 160 Standorten ihre Privatund Firmenkunden – viele davon schon langjährig als Hausbank. Für mittelständische Unternehmen spielt dabei neben der Expertise bei innovativen und komplexen Finanzierungen auch die Unterstützung bei der Erschließung internationaler Märkte eine wichtige Rolle. Spezialisierte Tochterunternehmen, etwa in den Bereichen Leasing, Factoring, Immobilien, kommerzielles Beteiligungsgeschäft, Venture Capital oder Asset Management, komplettieren das hauseigene Leistungsangebot der LBBW-Gruppe.

Das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (www.iaw.edu) ist ein unabhängiges Forschungsinstitut an der Universität Tübingen und seit seiner Gründung traditionell eng mit dem Land Baden-Württemberg verbunden. Das IAW forscht zu Themen der Außenwirtschaft, der regionalen Entwicklung, des Arbeitsmarkts und der Entwicklung der Unternehmen. Dabei legt es den Schwerpunkt auf die empirische Analyse und führt auch selbst Erhebungen durch. Das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein zur Förderung von Wissenschaft und Forschung. Zu den Mitgliedern des Vereins zählen namhafte Persönlichkeiten und Unternehmen, vorwiegend aus dem südwestdeutschen Raum.