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Deutsche bewerten den Mauerfall und die Wiedervereinigung mehrheitlich positiv

YouGov-Studie zu 30 Jahre Mauerfall (9. November 2019) in Kooperation mit dem SINUS-Institut. Große Ost-West-Unterschiede.
Die große Bedeutung von Michail Gorbatschows © YouGov, sinus
 

Das Jahr 1989 stand im Zeichen des Umbruchs, in Berlin fiel die Mauer und der Eiserne Vorhang in Europa öffnete sich. Deutschland und Europa haben sich seither stark verändert. Doch wie sieht die deutsche Bevölkerung das vereinte Land heutzutage? 30 Jahre nach dem Mauerfall bewertet die Mehrheit der Deutschen das Ereignis positiv: So halten 61 Prozent der Bevölkerung den Fall der Mauer für einen Glücksfall für Deutschland. Weiterhin hat die Wiedervereinigung nach Meinung von 43 Prozent der Deutschen diesem Land Vorteile gebracht, deutlich weniger (19 Prozent) sehen Nachteile für Deutschland.

 

Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie anlässlich des Mauerfalls am 9. November des internationalen Marktforschungs- und Beratungsinstituts YouGov in Zusammenarbeit mit dem SINUS-Institut, für die über 2.098 Personen ab 18 Jahren zwischen dem 01.10. und 09.10.2019 mittels standardisierter Online-Interviews repräsentativ befragt wurden.

 

Ostdeutschland hat stärker vom Mauerfall profitiert als Westdeutschland

Hauptsächlich den neuen Bundesländern weisen die Deutschen Vorteile durch den Mauerfall zu: 60 Prozent sind der Meinung, die Wiedervereinigung hätte der ehemaligen DDR Vorteile gebracht. 29 Prozent vertreten die Ansicht, die alten Bundesländer hätten von der Wiedervereinigung profitiert.

 

Ost- und Westdeutsche weisen jeweils dem Landesteil größere Vorteile durch den Mauerfall zu, in dem sie nicht leben. So erkennen knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Westdeutschen Vorteile für die neuen Bundesländer. Nur 47 Prozent der Ostdeutschen sehen Vorteile für Ostdeutschland. Dass der Westen profitiert hat, finden knapp weniger als die Hälfte (46 Prozent) der Ostdeutschen, wohingegen nur 25 Prozent der Westdeutschen dieser Meinung sind.

 

Fragt man die Ostdeutschen, ob es ihnen zu DDR-Zeiten besserging als heute, bejaht dies knapp weniger als ein Drittel (28 Prozent). Auch findet knapp die Hälfte (47 Prozent) der in Ostdeutschland Lebenden, dass der Westen die osteuropäischen Länder nach der Wiedervereinigung stark ausgebeutet hat. 46 Prozent der Westdeutschen sind hingegen der Ansicht, dass die osteuropäischen Länder die Hilfsbereitschaft des Westens nach 1989 ausgenutzt hätten.

 

„Nach der anfänglichen Euphorie stand Deutschland mit der Wiedervereinigung vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen, die es in Zeiten des Eisernen Vorhangs und des Wirtschaftswunders nicht kannte. Wenngleich sich die deutsche Wirtschaft mittlerweile sehr gut erholt hat, hält sich diese Prägung noch hartnäckig in den Köpfen“, so dazu Manfred Tautscher, Geschäftsführer des SINUS-Instituts. Diese Haltung ist in hohem Ausmaß eine Frage des soziokulturellen Milieus. So sehen vor allem die sozial gehobenen Sinus-Milieus® primär Vorteile der Wiedervereinigung.

 

Ost-West-Klischees bestehen nach wie vor

Die Mauer existiert noch in den Köpfen der Deutschen: Lediglich 43 Prozent der Westdeutschen und 35 Prozent der Ostdeutschen finden, dass Deutschland seit der Wiedervereinigung zu einer Nation zusammengewachsen ist.

Gleichermaßen sieht man das Trennende stärker als das Gemeinsame: Während 27 Prozent der Deutschen der Ansicht sind, dass die Unterschiede zwischen West und Ost überwiegen, sehen nur 18 Prozent die Gemeinsamkeiten im Vordergrund. Der Großteil von 41 Prozent sieht jedoch Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Waage.

Alte Ost-West-Klischees bestehen weiterhin: Mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Westdeutschen ist der Ansicht, Ostdeutsche würden nach wie vor mehr jammern als Westdeutsche. Umgekehrt vertreten 68 Prozent der Ostdeutschen die Meinung, Westdeutsche täten immer noch so, als wüssten sie alles besser.

 

Westdeutsche sehen sich eher als „Gesamtdeutsche“

Insgesamt steht das Selbstbild der Deutschen allerdings stärker im Zeichen der Wiedervereinigung, sehen sich doch immerhin 49 Prozent aller Deutschen als gesamtdeutsch. Allerdings wahrt ein nach wie vor großer Teil der Ostdeutschen eine ostdeutsche Identität (41 Prozent), 43 Prozent von ihnen sehen sich als gesamtdeutsch. Bei den Westdeutschen überwiegt das gesamtdeutsche Selbstbild (51 Prozent), verglichen mit 39 Prozent, die sich als Westdeutsche sehen.

 

„Nach 30 Jahren Mauerfall hat sich die Sicht des Ostdeutschen auf sich und seine Mitbürger nach wie vor nicht zu einem homogenen Bild geformt. Dass sich ein Großteil der Ostdeutschen immer noch als ostdeutsch wahrnimmt, zeigt, dass die Einheit zwar politisch, jedoch immer noch nicht in den Köpfen vollzogen wurde“, so Philipp Schneider, Head of Marketing bei YouGov Deutschland.

 

Sozialismus hat in Ostdeutschland immer noch deutlich mehr Befürworter als in Westdeutschland – eine Mauer soll es aber nicht wieder geben

 

Der Sozialismus in der DDR war eine gute Idee war, die nur schlecht umgesetzt wurde– dieser Aussage stimmen 57 Prozent der Ostdeutschen, aber nur 31 Prozent der Westdeutschen zu. In einem Punkt sind sich die Befragten aber besonders einig: Die Mauer darf nicht wiedererrichtet werden. Nur eine Minderheit von 13 Prozent wünscht sie sich zurück. Der DDR-Nostalgie hängen in erster Linie die Sinus-Milieus® der modernen Unterschicht – Hedonisten und Prekäre – an. Einig ist man sich auch darüber, dass es nun an der Zeit wäre, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen – 79 Prozent der Deutschen stimmen dieser Aussage zu.

 

Michail Gorbatschow hatte größten Anteil an Wiedervereinigung

Fragt man die Deutschen, wer oder was den größten Anteil an der Wiedervereinigung hatte, fällt die Wahl mit 43 Prozent klar auf Michail Gorbatschow. Deutlich dahinter folgen Helmut Kohl (27 Prozent), die Montagsdemonstrationen in Leipzig (23 Prozent), die Bürgerrechtsbewegung in Ostdeutschland (22 Prozent) und die Öffnung des Eisernen Vorhangs in Polen und Ungarn (22 Prozent).

 

Fast alle Deutschen kennen die Jahreszahl des Mauerfalls

88 Prozent der Deutschen ordnen die Ereignisse rund um den Mauerfall korrekt dem Jahr 1989 zu. Sogar bei Personen unter 30 Jahren, die erst nach dem Mauerfall zur Welt gekommen sind, ist die Zuordnungsquote mit 80 Prozent sehr hoch. Weiterhin geben 75 Prozent an, den Mauerfall einer anderen Person gut erklären zu können. Besonders gut schätzen Befragte zwischen 50 und 69 Jahren und Personen mit Universitätsabschluss ihr Wissen ein.

 

Deutsche sind mit den Ereignissen von 1989 besser vertraut als Österreicher

Unsere österreichischen Nachbarn ordnen den Fall des Eisernen Vorhangs, die Ostöffnung und den Fall der Mauer nicht ganz so klar dem Jahr 1989 zu, nur 80 Prozent liegen mit der Jahreszahl richtig. Das hat INTEGRAL Marktforschung für Österreich herausgefunden. Dies überrascht nicht, haben für die Österreicher alle diese Ereignisse an oder jenseits der eigenen Landesgrenzen stattgefunden.