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Corona-Lockdown bedroht Existenz vieler deutscher Start-ups

Um die Innovationskraft des Landes nicht zu gefährden, braucht es zielgerichtete Programme.
© freepik / rawpixel.com
 

Innovative Start-ups können zwar als erste Reaktion auf die Krise ihre verfügbaren Ressourcen erfolgreich einsetzen, aber ihr Wachstums- und Innovationspotenzial ist langfristig bedroht. Dies belegt eine aktuelle Untersuchung des Teams rund um Prof. Dr. Andreas Kuckertz, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Damit gefährdet die wirtschaftliche Krise als Folge der Verbreitung von COVID-19 ein enormes Innovationspotenzial, das unter vielen Mühen in den letzten Jahren aufgebaut worden ist und in naher Zukunft wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Wert generieren sollte. Politische Maßnahmen sollten daher nicht nur finanzielle Erste Hilfe für Start-ups leisten, sondern auch langfristige Programme umfassen. Denn eigentlich hätten gerade die Start-ups das Potenzial gestärkt aus der Krise hervorzugehen – sofern sie die richtige Unterstützung erhalten, die eine rasche Erholung und ein schnelles Wachstum sicherstellen. Die begutachtete Studie erscheint in Kürze in Elseviers Journal of Business Venturing Insights. Verfügbar unter: doi.org/10.1016/j.jbvi.2020.e00169


Innovative Start-ups stehen unter Druck: Viele von ihnen können Hilfspakete nicht nutzen, welche die Politik für Unternehmen aufgelegt hat, die von der COVID-19-Krise betroffen sind. Der Grund: Sie erfüllen (insbesondere in der Anfangsphase nach ihrer Gründung) beispielsweise die üblichen Kriterien für die Gewährung von Darlehen nicht, wie es etablierte Unternehmen tun.

Bei vielen Hilfsprogrammen wird zudem erwartet, dass die geförderten Unternehmen innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens wieder rentabel sind. Dieses Kriterium kann ein innovatives Start-up, das erst vor Kurzem gegründet worden ist, normalerweise nicht erfüllen.


Innovative Start-ups brauchen jetzt spezielle Förderung

Um die aktuelle Situation der Start-ups in Deutschland und weltweit zu erfassen, führte das Team des Hohenheimer Fachgebiets für Unternehmensgründungen und Unternehmertum umfassende Interviews mit der deutschen Start-up-Szene, die anschließend qualitativ ausgewertet wurden. Begleitend wurde die internationale öffentliche Berichterstattung aus über 40 Ländern analysiert.

Die Ergebnisse zeigen, dass Start-ups unmittelbar und greifbar unter den Folgen des COVID-19-Ausbruchs leiden. Doch „die Annahme, dass Maßnahmen, die auf kleine und mittlere Unternehmen abzielen, automatisch auch innovative Start-ups schützen, ist ein Trugschluss“, meint Prof. Dr. Kuckertz. Für die Forschungsgruppe ist offensichtlich, dass nur Programme, die speziell auf innovative Start-ups abzielen, eine drohende Innovationslücke in den nächsten drei bis vier Jahren vermeiden können.

Möglichkeiten für die Politik gibt es viele: Angefangen beim Abbau von bürokratischen Hürden über die Förderung einer Start-up-spezifischen Infrastruktur bis hin zur Schaffung von Anreizen für Investoren zusätzliches Wachstumskapital bereitzustellen. Nur rund ein Viertel der Länder weltweit hat bislang spezielle Start-up-Fördermaßnahmen geplant. Ein positives Beispiel ist zum Beispiel die Initiative Start-up BW Pro-Tect des Landes Baden-Württemberg, die private Investitionen in Start-ups deutlich mit einer staatlichen Co-Finanzierung unterstützt.


Besondere Situation für innovative Start-ups

Vor allem die Kombination aus Umsatzrückgängen bei laufenden Fixkosten kann die Liquidität und das langfristige Überleben von Start-ups gefährden. Darüber hinaus berichten die Gründer von Start-ups, dass das Wirtschaftsklima derzeit für viele Innovationen ungünstig ist. Wichtige Partner, Kunden und Investoren sind selbst voll und ganz damit beschäftigt auf die Krise zu reagieren, und die Unsicherheit darüber, wie sich die Krise entwickeln wird, ermutigt nicht zur Zusammenarbeit mit Start-ups.

Es gibt aber auch einige Gründer, deren Unternehmen nicht oder nur kaum von der COVID-19-Krise betroffen sind. Entweder sind sie trotz der Krise weiterhin relevant oder sie haben bereits vor der Krise Maßnahmen ergriffen, um anpassungs- und widerstandsfähig zu bleiben. Wobei ihre Belastbarkeit höchstwahrscheinlich zeitlich begrenzt sein wird.

Viele Unternehmer versuchen, Veränderungen voranzutreiben und mit den verfügbaren Ressourcen neue Chancen zu schaffen. Sie zeigen, dass Krisen die Entwicklung neuer Möglichkeiten, Innovationen und alternativer Produkte und Dienstleistungen fördern können. „Kurzfristig ergeben sich aus der COVID-19-Krise natürlich auch Chancen, insbesondere im Gesundheitssektor oder auch bei digitalen Arbeitslösungen“, meint Prof. Dr. Kuckertz.


Chancen für innovative Start-ups

Die COVID-19-Krise trat jedoch so abrupt auf, dass die Unternehmen nur wenig bis keine Zeit hatten sich darauf vorzubereiten.

Allerdings sind kleinere Unternehmen häufig kreativer als große, was dazu beitragen kann, dass diese Unternehmen trotz widriger Umstände überlebensfähig bleiben. „Eigentlich hätten gerade die Start-ups das Potenzial, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Sie müssen allerdings die richtige Unterstützung erhalten, damit diese Vorteile durch geeignete Maßnahmen unterstützt und gefördert werden.“

Um einer drohenden Insolvenz zu begegnen, sollten Unternehmer als kurzfristige Strategie verstärkt die vorhandenen Ressourcen verwenden, um Lösungen für neue Probleme zu finden. Eventuell lassen sich mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten und dem Mitarbeiter-Knowhow neue Produkte entwickeln und herstellen, die schnell Umsatz generieren können.

Längerfristig könnten daraus Produkte entstehen, die bei der Bewältigung der Krise und ihrer Folgen helfen und auf Trends wie Nachhaltigkeit, bewussten Konsum oder die Digitalisierung der Arbeitswelt setzen.


Aktuelle Publikation:
Startups in crisis – a rapid response to the COVID-19 pandemic. A. Kuckertz, L. Brändle, A. Gaudig, S. Hinderer, C.A. Morales Reyes, A. Prochotta, K. Steinbrink & E.S.C. Berger. Journal of Business Venturing Insights, im Erscheinen. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1016/j.jbvi.2020.e00169