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Europäische B2B-Startups effizienter als US-Wettbewerber

Immer mehr US-Risikokapitalgeber investieren in B2B-Startups aus der Europäischen Union; Steigerung um 194% seit 2015
McKinsey & Company | 19.02.2021
© freepik / biancoblue
 

Europäische Startups holen insbesondere im Unternehmensgeschäft (B2B) gegenüber den USA weiter auf. So erzielen B2B-Startups mittlerweile rund 2,4-mal so viel Umsatz pro investiertem US-Dollar als ihre US-Wettbewerber. Dieses Bild ist konsistent mit den Bewertungen der Gründungen: Europäische B2B-Startups weisen im Vergleich zu ihren US-Pendants eine ~10% höhere Bewertung pro investiertem Dollar auf. Dies geht aus einer Analyse der Unternehmensberatung McKinsey & Company hervor, die auf Basis von u.a. Daten zu Investitionen und Finanzierungsrunden der europäischen und US-amerikanischen B2B-Startup-Ökosysteme durchgeführt wurde. Ausgangspunkt der Analyse sind Unternehmensdaten des Datenbankanbieters Crunchbase. Startups aus dem Vereinigten Königreich wurden bei der Analyse nicht berücksichtigt.

Der europäische Startup-Sektor stand lange Zeit im Schatten der USA. Nahezu alle wichtigen Innovationen der Welt schienen ihren Ursprung in den großen Venture-Clustern des Silicon Valley, San Francisco, New York und Boston zu haben. Die McKinsey-Analyse zeigt: Das EU-Startup-Ökosystem schließt zu den USA auf und bringt mittlerweile eine bedeutende Gruppe erfolgreicher Seriengründer hervor. So haben 8,3 % der B2B-Gründer in der EU von 2010 bis 2020 mindestens ein weiteres Unternehmen gegründet. Dies liegt zwar immer noch ein wenig hinter den USA (11,5 %) zurück – der Abstand hat sich aber verringert.

„Die seit Jahren währende Hoffnung auf einen Innovations- und Wachstumsschub durch europäische B2B-Gründungen erfüllt sich“, sagt Karel Dörner, Seniorpartner im Münchner Büro von McKinsey. Als Beispiel nennt er Celonis, Klarna, Personio oder sennder. „Die Blockbuster-Erfolge mit ‚Einhorn-Bewertung‘ über eine Milliarde US-Dollar nehmen zu und der Trend setzt sich fort. Die Gründe sindvielfältig: Europa verfügt über hervorragenden Bildungs- und Forschungseinrichtungen, hohe Industrie-Expertise und eine wachsende Anzahl von Seriengründern. Ihre tiefgreifende Erfahrung bringen sie in neue Gründungen ein und geben ihr Wissen zum Beispiel durch Mentoring weiter.“

Externe Finanzierung bleibt für EU-Startups eine Herausforderung

Allerdings ist es für ein Startup in den USA immer noch deutlich einfacher, eine Finanzierung zu erhalten. Das gilt vor allem für den B2B-Bereich, wo Lösungen oft komplexer sind und Investoren mehr Fachwissen mitbringen müssen. So ist die durchschnittliche Finanzierung für ein B2B-Startup in den USA im Mittelwert 2,4-mal so hoch wie in der EU.

Zudem erhalten B2B-Startups in der EU der Analyse zufolge weniger Finanzierungsrunden (durchschnittlich 2,5 in den USA vs. 1,9 in der EU) und nur 27% schaffen den Sprung von der Seeding-Phase in die nächste Finanzierungsrunde. In Deutschland liegt der Wert mit 35% etwas höher. Ab der Wachstums- und Expansionsphase (Serie C) nähern sich die Finanzierungsniveaus beider Kontinente aber deutlich an. So sind die Investitionsbeträge einer Serie-C Runde für ein B2B-Startup in den USA nur noch ~10 % höher als in der EU. „Hier zeigt sich, dass europäische B2B-Startups tragfähige Geschäftsmodelle haben“, sagt Dörner.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Anzahl der Finanzierungsrunden innerhalb der Wachstumsphase wieder. Von 2015 bis 2020 hat sich die Zahl der Finanzierungsrunden für europäische B2B-Startups in der Wachstumsphase von 166 auf 371 mehr als verdoppelt - während das Wachstum in den USA mit 40% weniger deutlich zunahm.

Corporate Venture Capital wichtig für europäisches Startup-Ökosystem

Angeheizt wird die Finanzierungsdynamik von Investoren beider Kontinente. Jeder vierte Investor eines europäischen B2B-Startups kam 2020 aus den USA. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre ist die Anzahl der US-Investoren in den Finanzierungsphasen Serie A-C von insgesamt 36 auf 106 gestiegen (EU-Investoren in 2020: 306). Dabei sind US-Investoren stärker an der Finanzierung der Wachstumsphase (Serie C) von B2B-Startups in der EU interessiert, wie der hohe Anteil von US-Investitionen in dieser Phase (~25 %) zeigt. In gleichem Maße wachstumsrelevant sind auch die Investitionen durch Industrieunternehmen und deren Tochtergesellschaften – Corporate Venture Capital. Ihr Anteil am Investoren-Ökosystem ist seit 2015 um 211% gestiegen. In 2020 war mehr als jeder zehnte Investor ein Corporate VC.

„Für Startups geht es aber nicht nur um Finanzierung. Wichtiger ist die Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen. Startups können ihre Lösungen testen und Corporates als Referenzkunden im Markt präsentieren. Im Gegenzug erhalten die Unternehmen Zugang zu schnellen Innovationen. Viele Unternehmen in Europa stehen hier noch am Anfang. Je individueller und strategischer eine solche Partnerschaft realisiert wird, desto zufriedener sind beide Seiten“, sagt Max Flötotto, Seniorpartner im Münchner Büro von McKinsey.

Das Phänomen der Ressourcen- oder Kapitaleffizienz kann in der gesamten EU beobachtet werden, besonders aber in ost- und südeuropäischen Ländern. In den größten Startup-Ökosysteme der EU, Deutschland und Frankreich, ist das Verhältnis von Umsatz zu Finanzierung am niedrigsten. Dennoch schaffen deutsche und französische B2B-Startups immer noch ~1,5-mal mehr Umsatz pro investiertem Dollar als B2B-Startups in den USA. Den besten Ressourceneinsatz aller EU-Länder bietet Slowenien (13,5). Technologisch und industriespezifisch betrachtet sind Anwendungen wie Robotik, Analytik, Unternehmenssoftware und Branchen wie Energie, Luft- und Raumfahrt oder BioTech besoners ressourceneffizient.

Ein Wachstumsende des europäischen B2B-Startup-Ökosystems ist nicht in Sicht. Max Flötotto: „Die Corona-Pandemie intensiviert die Nutzung von Automatisierungstechnologien. Der Trend wird nach Corona weitergehen und nicht plötzlich wieder stoppen. Eine ähnliche Beobachtung sehen wir bei Innovationen auf dem Gebiet sozialer und ökologischer Unternehmensführung. Die hohe Sensibilität beim Thema Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit wird Innovationen aus dem Unternehmensgeschäft weiter forcieren.“