print logo

Corona wirft Frauen beruflich zurück

Deutschland liegt im „Women in Work Index“ von 33 OECD-Ländern nur auf Platz 19. Spitzenreiter sind Island, Neuseeland und Schweden.
Corona wirft Frauen beruflich zurück © freepik / chevanon
 

Notbetreuung in der Kita, die Schulen über Monate geschlossen, Eltern rotieren zwischen Homeoffice und Homeschooling: Diese Entwicklung wirkt sich negativ auf die Gleichberechtigung in der Arbeitswelt aus. Bis Ende 2021 wird die Situation von berufstätigen Frauen voraussichtlich auf das Niveau von 2017 abfallen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das PwC-Netzwerk gemeinsam mit Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März veröffentlicht hat.

„Unsere Analyse belegt, dass die Auswirkungen der Pandemie und der damit einhergehenden Maßnahmen wie Schul- und Kitaschließungen Frauen besonders empfindlich treffen und die hart erkämpften Errungenschaften bei der Förderung von Frauen in der Arbeitswelt zunichte zu machen drohen“, kommentiert Petra Raspels, Europachefin des Bereichs People & Organisation bei PwC Deutschland.

Pandemie macht Fortschritte der vergangenen Jahre zunichte

In den vergangenen neun Jahren hatten die OECD-Länder zwar kleine, aber kontinuierliche Fortschritte beim Thema Gleichberechtigung im Arbeitsmarkt gemacht. Die Corona-Krise kehrt diesen Trend nun um: Der „Women in Work Index“, mit dem PwC jährlich die berufliche Situation von Frauen in den 33 OECD-Ländern analysiert, fällt zwischen 2019 und 2021 voraussichtlich um 2,1 Punkte – und wird sich Prognosen zufolge erst 2022 wieder langsam erholen.

„Die Rückschritte, die wir bei der Förderung von Frauen im Arbeitsleben beobachten, sind besorgniserregend. Während weltweit alle Menschen mit den Folgen der Pandemie kämpfen, sehen wir, dass sich deutlich mehr Frauen als Männer gezwungen sehen, im Beruf zurückzustecken“, resümiert Dr. Peter Gassmann, Europachef von Strategy&.

Frauen leisten deutlich mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer

Das hat vor allem zwei Gründe: Frauen tragen zum einen schon immer die größere Last bei der unbezahlten Care-Arbeit. Die Corona-Krise hat diese Ungleichheit nun weiter verstärkt. Nach Analysen von UN Women investierten Frauen bereits vor der COVID-19-Krise weltweit rund sechs Stunden pro Woche mehr als Männer für unbezahlte Sorgearbeit. Seit Ausbruch der Pandemie hat sich dieser Graben auf knapp acht Stunden vergrößert.

Diese Entwicklung kehrt nicht nur die Fortschritte bei der Geschlechtergerechtigkeit um, sondern hat auch volkswirtschaftliche Auswirkungen: Die PwC Strategy&-Studie hat errechnet, dass sich die Wirtschaftsleistung in der OECD um 6 Billionen US-Dollar pro Jahr steigern ließe, wenn die Beschäftigungsquoten von Frauen in allen 33 OECD-Ländern das Niveau von Top-Performer Schweden erreichen würde.

Neben der ungleich verteilten Care-Arbeit spielt noch ein anderer Faktor eine Rolle: Frauen sind vergleichsweise häufiger in Branchen beschäftigt, die besonders unter der Krise leiden, etwa im Hotel- und Gaststättengewerbe oder im Einzelhandel. Insbesondere in Unternehmen aus diesen Sektoren ist es in Folge der Kontaktbeschränkungen und Lockdowns zu Jobverlusten gekommen.

„Viele Frauen sehen in der aktuellen Situation keine andere Wahl, als ihr Pensum zu reduzieren oder ihre Berufstätigkeit zeitweise ganz aufzugeben. Studien zeigen jedoch: Solche Karrierepausen bleiben nicht ohne Folgen. Frauen laufen Gefahr, für ein schlechteres Gehalt und in einer weniger qualifizierten Position wieder einzusteigen“, so die Einschätzung von Petra Raspels.

Spitzenreiter Island und Neuseeland, Deutschland auf Platz 19

Wie eine gute Förderung von Frauen im Arbeitsmarkt aussehen kann, machen seit Jahren vor allem die nordeuropäischen Länder vor. Zwischen die beiden traditionellen Spitzenreiter Island und Schweden schiebt sich jedoch im aktuellen „Women in Work Index“ Neuseeland auf Platz 2.

Deutschland landet wie in den Vorjahren nur im unteren Mittelfeld – auf Platz 19 der 33 OECD-Länder. Einer der Gründe für das schwache Abschneiden ist die Gender Pay Gap. Die Lohnschere liegt hierzulande bei rund 21 Prozent, während Arbeitnehmerinnen in Schweden nur 12 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. In Deutschland ist die Kluft nun das erste Mal seit fünf Jahren größer geworden. Immerhin jede dritte Führungsposition ist in Deutschland mittlerweile weiblich besetzt; 2018 lag der Frauenanteil in Vorstand, Aufsichtsrat und anderen Führungspositionen noch bei 23 Prozent. In Island ist dagegen fast jede zweite Führungskraft weiblich (46 Prozent).

„Politik, Wirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes sind nun gefragt, sich aktiv dafür einzusetzen, die Folgen der Pandemie für berufstätige Frauen zu adressieren und insbesondere die Ungleichheiten bei der Verteilung der unbezahlten Care-Arbeit zu beseitigen. Das ist eine der Grundvoraussetzungen, um für mehr Gleichberechtigung und gleiche Chancen in der Arbeitswelt zu sorgen. Und vermutlich braucht es dafür an einigen Stellen auch gesetzliche Regelungen“, resümiert Peter Gassmann.