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Transport- und Logistikbranche: Große Herausforderungen trotz positiver Signale

Weltweite Fusionen und Übernahmen mit 132 Deals im ersten Halbjahr leicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.
Transport- und Logistikbranche © freepik / onlyyouqj
 

Die Zeichen in der Transport- und Logistikbranche stehen wieder auf Wachstum, wobei sich die einzelnen Subsektoren unterschiedlich schnell erholen: Während die Luftfracht im ersten Quartal 2021 ein Allzeithoch verzeichnet und die Containerschifffahrt Rekordraten einfährt, liegt der Passagierverkehr noch immer deutlich unter dem Niveau vor der Coronapandemie. Mit Blick auf die Fusionen und Übernahmen ist dagegen wieder Normalität eingekehrt: Weltweit wurden zwischen Anfang Januar und Ende Juni 2021 in der Branche 132 Mergers & Acquisitions mit einem Volumen von über 50 Millionen Euro angekündigt. Diese Zahl liegt leicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre (126 Deals pro Halbjahr). 70 Prozent der Transaktionen nahmen Targets aus dem Güterverkehr ins Visier, nur 30 Prozent zielten auf Unternehmen aus dem Personenverkehr ab.

Zu diesen Ergebnissen kommt die Analyse „Transport & Logistics Barometer“ von PwC Deutschland, in der die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft die aktuellen Entwicklungen, M&A-Deals, Joint Ventures und strategischen Allianzen in der Transport- und Logistikindustrie im ersten Halbjahr 2021 analysiert.

„Für die Weltwirtschaft wird das Ende der COVID-19-Krise langsam sichtbar. Das gilt für die Transport- und Logistikbranche nur bedingt, da wir große Unterschiede zwischen den einzelnen Segmenten beobachten: Güterverkehr und Logistik zeigen sich widerstandsfähig und erholen sich vergleichsweise schnell, während der Personenverkehr noch immer stark unter den Folgen der Pandemie leidet“, kommentiert Ingo Bauer, Leiter des Bereichs Transport & Logistik bei PwC Deutschland.

Personenverkehr leidet noch immer stark

Der Personenverkehr ist durch das Auftreten der Virusvarianten und erneute Reisebeschränkungen weiterhin von einem massiven Nachfrageeinbruch betroffen. Besonders spürbar ist das in der Luft: Mit Blick auf die Passagierzahlen operiert die Luftfahrtbranche deutlich unterhalb des Vorkrisenniveaus – auch wenn es zuletzt bei den Inlandsflügen wieder einen leichten Aufwärtstrend zu verzeichnen gab.

Für das restliche Jahr sieht Dr. André Wortmann, Koordinator Transport & Logistik Deals bei PwC Europe und Leiter Maritimes Kompetenzzentrum PwC Deutschland, dennoch Grund für Optimismus: „Die Zeichen stehen auf Erholung. Ob sich die Erwartungen an die Branche erfüllen, hängt jedoch von einer Reihe externer Faktoren ab: insbesondere davon, ob die Reisebeschränkungen durch die Ausbreitung neuer Varianten wieder verschärft werden müssen, und wie schnell die Impfkampagne rund um den Globus voranschreitet.“

Güterverkehr und Logistik kommen besser durch die Krise

Schneller von der Krise erholt haben sich der Gütertransport und die Logistik. Die Luftfracht erreichte im ersten Quartal 2021 sogar ein neues Allzeithoch. Ingo Bauer zu den Gründen: „Der Welthandel nimmt spürbar an Fahrt auf, viele Länder befreien sich langsam aus dem Lockdown. Vom Wiedererstarken der globalen Exportnachfrage profitiert insbesondere die Luftfracht, aber auch die Containerschifffahrt blickt auf ein besonders starkes erstes Halbjahr zurück“, so der PwC-Experte.

Und auch für die Logistik ist Ingo Bauer zuversichtlich: „Besonders die Kurier-, Express- und Paketdienste haben in der Krise gewonnen, weil Verbraucher verstärkt auf Onlinekäufe setzten.“ Ein Umdenken ist in diesem Segment jedoch in Sachen Nachhaltigkeit nötig: „Die Unternehmen müssen sich nun intensiv mit Lösungen zur Dekarbonisierung auseinandersetzen. Besondere Chancen bei der Reduktion von CO2-Emissionen bieten unter anderem Software-gestützte Marktplätze, die den Güterverkehr auf der Straße revolutionieren“, so die Einschätzung von Ingo Bauer.

Hohes Deal-Volumen, Europa hinkt hinterher

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass das weltweite Gesamtvolumen der Fusionen und Übernahmen in der ersten Jahreshälfte auf 95,2 Milliarden US-Dollar steigt – und damit deutlich höher liegt als in den beiden vergangenen Halbjahren (HJ1 2020: 37,1 Milliarden US-Dollar / HJ2 2020: 62,7 Milliarden US-Dollar). Großen Anteil daran hatten die 16 sogenannten Mega-Deals, bei denen das Volumen jeweils eine Milliarde US-Dollar überschritt. Hier sticht die Deal-Ankündigung von Canadian National Railway zur Übernahme von Kansas City Southern mit einem Gesamtwert von 33,5 Milliarden US-Dollar hervor.

Ein Blick auf die regionale Verteilung zeigt jedoch, dass Europa deutlich hinter Asien zurückliegt. Hier gab es in der ersten Jahreshälfte 41 Deals zu verzeichnen – immerhin drei mehr als in Nordamerika, aber deutlich weniger als in Asien, wo in den ersten sechs Monaten des Jahres 69 Deals angekündigt wurden. Mit Blick auf das Volumen liegt Nordamerika mit 59,7 Milliarden US-Dollar klar an der Spitze. Europa schafft es beim Deal-Volumen mit 23,1 Milliarden US-Dollar nur auf Rang drei hinter Asien (27,4 Milliarden US-Dollar).

In Deutschland prägen zwei vielversprechende Startups die M&A-Aktivitäten der Branche im ersten Halbjahr: Das Logistik-Startup sennder und die digitale Spedition Forto sammelten jeweils 240 Millionen US-Dollar von Investoren ein. Beide Unternehmen gehören damit zur wachsenden Gruppe deutscher Einhörner – Startups, die mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet sind.

Ausblick: Weiterhin aktives Deals-Geschehen

Mit Blick auf das Deals-Geschehen rechnen die PwC-Expert:innen auch mit einem aktiven zweiten Halbjahr: „Die Branche ist stark fragmentiert und das Potenzial für eine weitere Konsolidierung entsprechend hoch. Viele Player wollen ihre Marktanteile erhöhen und verfolgen ehrgeizige Ziele in Sachen Digitalisierung und Dekarbonisierung. Das treibt die Investitionen und Übernahmen in der Branche an“, so das Fazit von André Wortmann. Eine Insolvenzwelle sieht der Experte nicht auf die Branche zurollen: „Wir gehen davon aus, dass die Anzahl von Insolvenzen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau verharrt – zu erwarten sind aber erhebliche Transformationsprozesse mit großen Herausforderungen.“

Wachstum hängt vom weiteren Verlauf der Pandemie ab

Fest steht: Auch 2021 wird kein einfaches Jahr für die Transport- und Logistikbranche. Eine neue Corona-Infektionswelle könnte die positive Entwicklung wieder zunichtemachen. Die PwC-Szenarioanalyse zeigt: Gelingt Europa eine effektive Impfkampagne gegen das Coronavirus, kann sich die Branche deutlich erholen. Das für 2021 prognostizierte Wachstum der Bruttowertschöpfung im europäischen Güterverkehr und der Logistik liegt dann bei 4,2 Prozent. Kommt es dagegen zu weiteren bedrohlichen Virus-Mutationen und in der Folge zu einschränkenden Maßnahmen, erreicht das Wachstum im Szenario lediglich 0,3 Prozent. Für den Personenverkehr rechnet PwC-Deutschland im günstigen Szenario mit einem Wachstum von 14 Prozent; im zweiten Szenario hingegen mit einem Rückgang um 0,9 Prozent.

Zur Methodik

Die Studie kombiniert aktuelle Daten von Refinitiv und S&P Global Capital IQ zu den globalen Mergers & Acquisitions, Joint Ventures und strategischen Allianzen mit eigenen (Szenario-)Analysen.