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Ein Stopp der russischen Gaslieferungen würde zu einer Rezession der deutschen Wirtschaft führen

Die Auswirkungen wären nach Berechnungen des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle regional sehr unterschiedlich.
ifo Institut | 26.04.2022
Verlust an Bruttowertschöpfung (Quintile) aufgrund eines Lieferstopps für russisches Gas in den Jahren 2022 und 2023 © Projektion des IWH auf Basis der Volkwirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder
 

Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) rechnet vor allem dort, wo das Verarbeitende Gewerbe ein großes Gewicht hat, mit einem deutlich stärkeren Einbruch der Wirtschaftsleistung als andernorts.


Sollte es zu einem Stopp für Lieferungen russischen Gases in die Europäische Union kommen, wären diese kurzfristig nicht vollständig zu ersetzen und die Gaspreise würden nochmals stark steigen. Falls die privaten Haushalte und, solange die Vorräte reichen, auch die Unternehmen nicht rationiert werden, dürften ab dem Jahreswechsel 2022/2023 die Speicher aufgezehrt sein. Wird unterstellt, dass die Gasmengen in den einzelnen Industriezweigen im Frühjahr 2023 proportional gekürzt werden, entstünden Wertschöpfungsverluste, die auch auf die übrigen Wirtschaftsbereiche ausstrahlen. Es wäre mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2023 um rund 2% zu rechnen.

Wie sehr die einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland davon betroffen wären, kann anhand der Wirtschaftsstruktur der einzelnen Kreise abgeschätzt werden, denn die Wirtschaftsbereiche würden in unterschiedlichem Ausmaß von der Krise erfasst: Das Verarbeitende Gewerbe sowie die Wirtschaftszweige Bergbau und Energieversorgung wären besonders betroffen. Der Anteil der Wirtschaftszweige an der Bruttowertschöpfung ist von Kreis zu Kreis stark unterschiedlich. Wird der Rückgang an Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftsbereichen proportional zum jeweiligen Anteil der Kreise an der gesamten Wertschöpfung eines Wirtschaftsbereichs auf die Kreise umgelegt, so ergibt sich ein differenziertes Bild, in dem eine große Spreizung deutlich wird.

„Wo das Verarbeitende Gewerbe eine besonders hohe Wertschöpfung erzielt, etwa in etlichen Kreisen und Städten Süddeutschlands, ist mit auch mit besonders hohen Wertschöpfungsverlusten zu rechnen“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident am IWH. In Ostdeutschland fällt der Wertschöpfungsverlust geringer aus als im Westen, weil das Verarbeitende Gewerbe in Ostdeutschland mit 14% ein geringeres Gewicht an der gesamten Wertschöpfung hat als in Westdeutschland (21%). Aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsproduktivität in den Kreisen sind die zu erwartenden Effekte auf die Beschäftigung prozentual nicht identisch mit den zu erwartenden Wertschöpfungsverlusten: „Je geringer die Arbeitsproduktivität ist, desto mehr Erwerbstätige sind von einem bestimmten Wertschöpfungsrückgang betroffen“, so Holtemöller.

Veröffentlichung:
Oliver Holtemöller, Axel Lindner, Christoph Schult: Regionale Effekte einer durch einen Lieferstopp für russisches Gas ausgelösten Rezession in Deutschland. IWH Policy Notes 1/2022. Halle (Saale) 2022.