print logo

Unternehmensinsolvenzen: Keine Welle, sondern Normalisierung

Destatis meldet für Juli 2022 erneut einen leichten Rückgang der Unternehmensinsolvenzen.
Unternehmensinsolvenzen: Keine Welle, sondern Normalisierung © freepik / rawpixel
 

Nach vorläufigen Angaben sinken die Zahlen für den Monat September 2022 um 20,6 Prozent gegenüber dem Vormonat August. Die Zahlen überraschen, denn die jüngst vom IWH gemeldeten Zahlen weisen einen Zuwachs von 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr aus. Betrachtet man aber den Anstieg vor dem Hintergrund der langjährigen Entwicklung der Insolvenzzahlen, zeigt sich eher eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens als die oft befürchtete Welle.

Mit heutiger Pressemitteilung* veröffentlicht das Statistische Bundesamt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen für Juli 2022 und die vorläufige Entwicklung für den zurückliegenden Monat September. Demnach ist die Zahl der beantragen Unternehmensinsolvenzen im Juli 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,8 Prozent gesunken.

Nach vorläufigen Angaben sind die beantragen Unternehmensinsolvenzen im September 2022 um 20,6 Prozent gegenüber August 2022 gesunken. „Die Aussicht auf weitere Staatshilfen hat in der aktuellen Situation sicher dazu beigetragen, dass mancher Antrag nicht gestellt wurde“, sagt Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID).

Auf den ersten Blick wirken die von Destatis gemeldeten Zahlen irritierend. Hatte doch das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in der letzten Woche für September 2022 einen Zuwachs von 34 Prozent bei den Insolvenzzahlen der Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland gegenüber dem Vorjahr gemeldet**.

Der vom IWH prognostizierte Zuwachs von 34 Prozent bei den Unternehmensinsolvenzen gibt ein verzerrtes Bild wieder, weil die Voraussage von einer sehr niedrigen Basis abgeleitet wurde“, meint Niering. Die Zahlen beziehen sich auf den Vergleich zum Vorjahresmonat September 2021, während die von Destatis gemeldeten Zahlen den Vergleich zum Vormonat August zeigen. „Wenn man im langjährigen Vergleich auf die Zahlen schaut, sieht man, dass wir selbst mit dem aktuellen Anstieg noch lange nicht an die ohnehin niedrigen Insolvenzzahlen des Jahres 2019 heranreichen“, so der VID-Vorsitzende weiter. Lag die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2019 noch bei 18.749, befand sie sich im Jahr 2021 nur noch bei 13.993 – so prognostiziert selbst das IWH in seiner jüngsten Pressemitteilung in diesem Jahr ein Wiedererreichen der Zahlen von vor der Pandemie. „Ein deutliches Zeichen, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen sich zurzeit allenfalls in Richtung einer Normalisierung bewegen“, meint Niering.

Die Insolvenzgründe sind derzeit vielfältig: Neben den gestörten Lieferketten stehen die Unternehmen vor weiteren Hürden wie Energiepreissteigerungen und Rohstoffmangel infolge des Ukrainekrieges, inflationsbedingten Preissteigerungen, gestiegenen Zinsen und dem immer deutlicher werdenden Arbeitskräftemangel.

Niering sagt: „Der derzeitige Anstieg der Insolvenzzahlen führt nicht zu massenhafter Arbeitslosigkeit. Ganz im Gegenteil: Die von dem insolvenzbedingten Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmer finden aktuell innerhalb kürzester Zeit eine neue Tätigkeit.“ Die geringe Arbeitslosenquote und der demographische Wandel haben den Arbeitsmarkt trotz der Wirtschaftskrise sehr arbeitnehmerfreundlich gestaltet.

 

 

Quellen:

* 20,6 % weniger beantragte Regelinsolvenzen im September 2022 als im Vormonat

** IWH-Insolvenztrend: Zahl der Firmenpleiten weiter steigend

*** Grafik des VID: Entwicklung der Unternehmensinsolvenzzahlen in der Coronakrise (IN-Verfahren), © Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID)/Oktober 2022, Grafik kostenfrei nutzbar

 

Nicht alle beantragten Insolvenzverfahren werden auch eröffnet. In der Regel liegt die Eröffnungsquote bei ca. 60 Prozent. Voraussetzung einer Eröffnung ist ein Eröffnungsgrund sowie die voraussichtliche Deckung der Verfahrenskosten.