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Nicht im grünen Bereich

G+J Wettbewerb »Grüne Wiese 2009« mit inakzeptablen Bedingungen
»Mit einer Idee fängt alles an«. Oh ja! ›Gruner + Jahr‹ hatte eine Idee – eine Idee, wie das Verlagshaus sich kostengünstig einen ganzen Pool an neuen Medienideen erschließen kann. Die Idee von ›Gruner + Jahr‹ heißt: »Grüne Wiese 2009 – G+J Deutschland sucht die Medienidee des Jahres« (gruenewiese2009.de/?c=). Gesucht werden Konzepte: für neue Magazine, Online-Formate und alle anderen Medienkanäle. G+J stellt in Aussicht, das siegreiche Konzept weiterzuentwickeln und gegebenenfalls an den Markt zu bringen. Was hier alles anfangen kann, für die Teilnehmer und für ›Gruner + Jahr‹ ...

»Mit einer Idee fängt alles an« – so lautet der Titel des Ausschreibungstextes. Und weiter heißt es: »Was wären wir ohne Ideen? Ideen kann man nicht kaufen.« Zumindest bei ›Gruner + Jahr‹ scheint der Ankauf von Ideen in den Rang einer Unmöglichkeit aufgestiegen zu sein und daher nimmt das Verlagshaus die Ideen zur Not auch geschenkt.

Oh, für das siegreiche Konzept gibt es schon einen Preis. Einen! Er beläuft sich auf 10.000 €. Wer wollte sich darüber beklagen, das ist eben das Risiko einer Wettbewerbsteilnahme. Obgleich: Nur ein Preis bei einem Wettbewerb, der von einem der führenden deutschen Verlagshäuser ausgeschrieben wurde ...? Aber sei es drum, auch ›Gruner + Jahr‹ muss sparen. Betroffen sind davon offenbar nicht nur der Personalbestand und die Veranstaltungs-, Spesen- und Reisekosten, sondern auch die Abteilung »Investition in zukunftsweisende Ideen«.


Da Not bekanntlich erfinderisch macht, sichert sich ›Gruner + Jahr‹ mit diesem Wettbewerb nämlich gleich die Rechte an einer Vielzahl neuer Medienideen, und zwar ganz und gar kostenneutral. »Mit der Teilnahme überträgt der Teilnehmer sämtliche Rechte an seiner eingereichten Idee exklusiv, zeitlich, inhaltlich und räumlich unbeschränkt auf G+J.« Das ist eine wahrhaft spektakuläre Idee, nachzulesen in den Teilnahmebedingungen, die im Übrigen nur sporadisch auf der Homepage einzusehen sind.

Insofern erklären wir den Wettbewerb um die beste Idee für beendet, da der Sieger bereits fest steht: The winner is G+J itself.

Zur Begründung: Die Ausschreibung verspricht einen maximalen wirtschaftlichen Vorteil für ›Gruner + Jahr‹. Besondere Erwähnung verdient auch die überaus treffende Namensgebung des Wettbewerbs. »Auf der grünen Wiese«, so heißt es bei Wikipedia, »wird als Formel (...) verwendet, um eine gedachte Situation zu bezeichnen, in der ein Konzept in Reinform umgesetzt werden könne, ohne dass Rücksicht auf gewachsene, meist organisatorische Bedingungen genommen werden müsse.« Spiel, Freiheit, keine Rücksicht auf organisatorische Bedingungen, wie lästige Fragen nach Rechten und Honoraren – all das ist mit dem Namen »Grüne Wiese« einzigartig erfasst.

Und ach ja, die Rechte können bei Nichtberücksichtigung zurückgefordert werden, natürlich im Nachhinein und nur auf Anfrage.

Der Sachverständige des BDG, Burkhard Marowski, hat im Auftrag des Bund Deutscher Grafik-Designer e.V. die Wettbewerbsbedingungen im einzelnen geprüft. Seine ausführliche Beurteilung finden Sie nachfolgend:

Teilnahmebedingungen:

Der Auslober setzt voraus, dass ihm »sämtliche Rechte« übertragen werden. Dieses Vorgehen offenbart eine ausbeuterische Grundtendenz des gesamten Wettbewerbs. Jeder Teilnehmer würde also mit seiner Teilnahme anerkennen, dass er mit diesem Knebelvertrag einverstanden ist.
Werden die Ideen des Teilnehmers nicht verwertet, so muss dieser sich selbst darum kümmern, dass ihm seine Rechte vom Konzern zurückübertragen werden. Diese Bedingung wird den Teilnehmern von einem der größten Medienkonzerne Europas zugemutet. Richtig wäre, dass alle Teilnehmer, außer dem Gewinner, unaufgefordert schriftlich darüber informiert werden, dass der Auslober des Wettbewerbs auf einen Anspruch »sämtlicher Nutzungsrechte« verzichtet und diese dem Urheber zur freien Verfügung zurücküberträgt. Diese Selbstverpflichtung des Auslobers würde diesem bei den Teilnehmern sicherlich positiv angerechnet werden.

Anonymität der Einsender:

Die Anonymität der Einsender ist nicht gewährleistet, da die Ideen nur online eingesandt werden dürfen. Daran ändert sich auch nichts, wenn G+J vor der Jurierung alle Einsendungen anonymisiert.

Preisgeld:

Der Wettbewerb teilt sich in zwei Teile. Teil 1 ist die Entwicklung einer Idee als schriftliche Niederlegung auf einem sogenannten Eingabeformular. Teil 2 betrifft diejenigen Teilnehmer, die aufgefordert werden, zusätzlich eine visuelle Umsetzung ihrer Ideen nachzuliefern. Die eingesetzte Preissumme zur Abdeckung des gesamten Zeit- und Arbeitseinsatzes ist auf 10.000 Euro festgesetzt. Offensichtlich gibt es keinen 2. und 3. Preis.
Verglichen mit der Anzahl der Ideen, die zu diesem Wettbewerb möglicherweise eingesandt werden, ist das dafür ausgelobte Preisgeld eine schlichte Unverschämtheit. Diese Summe würde nicht einmal ausreichen, die Nutzungsrechtseinräumung angemessen zu bezahlen! Die Ideen, die der Konzern vielleicht einheimst, hat er somit umsonst bekommen.
Würde der Auftrag an einen Kommunikations-Designer oder Designteam vergeben werden, müssten vom Auftraggeber ca. das 4- bis 8-fache der Vergütung bezahlt werden (abhängig von Rang und Ruf des Entwerfers). Bei der Bemessung des Preisgeldes ist ausschlaggebend, wie hoch der Nutzen für den Konzern ist. Der Höhe des Preisgeldes von 10.000 Euro könnte man entnehmen, dass G+J den eigenen Wettbewerb nicht sehr hoch einschätzt.

Jury:

Die Zusammensetzung der Jury besteht zu fast 100 Prozent aus Mitgliedern des Hauses G+J, in der Mehrzahl aus Chefredakteuren, Vorständen und Geschäftsführern des Konzerns. Die Liste der Jury führt 22 Namen auf, allerdings ohne die dazugehörige Funktion der Personen zu nennen. Ob sich darunter auch Fachkundige, wie z.B. Kommunikationsdesigner, Typografen, Fotografen, Konzeptioner, Texter etc. befinden, bleibt verborgen.
Insgesamt ist die Jury mit 22 Personen überbesetzt, was Entscheidungen verzögert und keine Garantie dafür gibt, dass der beste Entwurf auch gewinnt.

Fazit:

Von einer Teilnahme an diesem Wettbewerb ist daher dringend abzuraten. Die Teilnehmer sollten sich klar sein, dass sie im Falle eines Gewinns kaum eine Chance haben, ein angemesseneres Preisgeld als Gegenwert für die Nutzungsrechtseinräumung im Nachhinein durchzusetzen.
Der BDG wird diesen Wettbewerb verfolgen und zu gegebener Zeit über das Ergebnis berichten.
Um Wettbewerbe zukünftig besser selbst einschätzen zu können, empfehle ich die »Richtlinien für Entwurfswettbewerbe«. Die Broschüre wurde Ende 2006 vom BDG herausgegeben und kann über die Bundesgeschäftsstelle bezogen werden.

Burkhard Marowski
Leiter Arbeitsgruppe Wettbewerbe im BDG
BDG Bund Deutscher Grafik-Designer e.V.
Bundesgeschäftsstelle
Warschauer Straße 59a
D-10243 Berlin
Fon 030-24 53 14 90
Fax 030-536 70 526
http://www.bdg-designer.de

Vorstand:
Henning Krause (Präsident) | Steffen Schauberger (Vizepräsident)
Dieter Blase (Schatzmeister)

Eingetragen beim Registergericht Düsseldorf VR 4686

Pressekontakt:
Arne Leichert (Leiter Referat Öffentlichkeitsarbeit)
Fon 0221-540 222 15

Der BDG ist der erste deutsche Berufsverband im Bereich Grafik-Design. Er wurde 1919 als »Bund der Deutschen Gebrauchsgraphiker« gegründet. Seit 1968 führt er den Namen »Bund Deutscher Grafik-Designer«.

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Zweck des Verbandes ist die Wahrung und Förderung der berufsfachlichen, berufswirtschaftlichen und berufsständischen Belange seiner Mitglieder.

Ordentliches Mitglied kann jeder qualifizierte Gestalter auf dem Gebiet des Kommunikationsdesign werden. Studentisches Mitglied kann jeder werden, der an einem staatlichen oder privaten Ausbildungsinstitut eingeschrieben ist und einen berufsqualifizierenden Abschluss auf dem Gebiet Kommunikationsdesign anstrebt.

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Der BDG ist Mitglied im Deutschen Designertag, im Rat für Formgebung
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