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Strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerdelikten

Interview mit dem Fachanwalt für Steuerrecht, Dr. Florian Engert, über die strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerdelikten
(Wertinger Stadtmagazin myheimat, Ausgabe 3+4/2014)

„Die tätige Reue muss honoriert werden“


myheimat: Der Fall Uli Hoeneß schlug hohe Wellen und zog eine große mediale Aufmerksamkeit auf sich. Die strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerdelikten ist ein einzigartiges Phänomen im deutschen Rechtswesen. Sollte daran festgehalten werden oder wäre es nicht zeitgemäßer, diese Sonderregelung abzuschaffen?

Dr. Florian Engert: Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, einem „Steuersünder“ den Weg in die Straffreiheit zu ebnen, und zwar aus ganz eigennützigen Motiven, nämlich, um höhere Steuereinnahmen zu erzielen. Dieses Ziel ist in meinen Augen legitim. Zudem kommen viele Mandanten mit dem Wunsch, eine Selbstanzeige, oder um es neutraler auszudrücken, eine Nacherklärung abzugeben, da sie das schlechte Gewissen und die Angst, entdeckt zu werden, plagen.

Viele stehen hierbei vor dem Problem, dass sie sich in Zukunft vollständig erklären wollen, dann jedoch in aller Regel von Seiten der Finanzverwaltung die Frage aufkommt, was in der Vergangenheit war, v.a. warum es plötzlich zu Mehreinnahmen kommt, wie sie bisher nicht erklärt wurden. Daher ist es aus Sicht der Mandanten, die wieder den rechtstreuen Weg einschlagen wollen, unabdingbar, dass die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige erhalten bleibt.

myheimat: Der Präsident des Bundesfinanzhofes, Rudolf Mellinghoff, wies auf folgendes Dilemma hin: Zuerst werde der Steuerpflichtige mit dem „Versprechen der Straffreiheit“ zur Selbstanzeige gelockt, wenn er dann aber – trotz hervorragender Beratung – den „kleinsten Fehler“ mache, sei er „in die Falle getappt“. Die Selbstanzeige ist nicht wirksam und der „reumütige Steuersünder“ stünde auf derselben Stufe wie jener Steuerpflichtige, der von den Fahndern erwischt wurde. Wie lässt sich dieses Problem lösen?

Dr. Florian Engert: Der Fall Hoeneß ist in diesem Ausmaß sicherlich ein Einzelfall, wenngleich auch mir schon die ein oder andere verunglückte Selbstanzeige von Privatpersonen auf dem Tisch lag. Ob Herr Hoeneß von Spezialisten wirklich „hervorragend“ beraten wurde, wie Sie es bezeichnen, darf angezweifelt werden. Der sicherste Weg ist, v.a. wenn es schnell gehen muss, der einer großzügigen Schätzung. Zunächst werden ganz bewusst überhöhte Besteuerungsgrundlagen mitgeteilt, danach kann der exakte Sachverhalt immer noch nachgereicht werden. Wer sich in einigen Punkten nicht ganz sicher ist, sollte den Weg eines Sicherheitszuschlages von 5 -10 % wählen. Sollten nämlich im Nachhinein noch Zinserträge o.ä. bekanntwerden, ist man auf der sicheren Seite.

myheimat: Welche Kriterien muss eine wirksame Selbstanzeige erfüllen?

Dr. Florian Engert: Zunächst einmal muss sie rechtzeitig erfolgen, d.h., die Tat darf noch nicht entdeckt, eine Außenprüfung durch das Finanzamt noch nicht angeordnet sein. Dann muss die Erklärung vollständig und wahrheitsgemäß sein, unrichtige Angaben müssen berichtigt, unvollständige ergänzt werden. Hier darf nichts, aber auch absolut gar nichts mehr übersehen werden. Darüber hinaus ist darauf zu achten, ob die Tat nicht von mehreren Personen begangen wurde. Das ist z.B. dann der Fall, wenn mehrere Familienangehörige an einer Kapitalanlage, einem Miet- oder Pachtobjekt o.ä. beteiligt sind. Allzu oft erfolgt mit der eigenen Anzeige zugleich eine Fremdanzeige. Zuletzt muss die hinterzogene Steuer innerhalb eines Monats nach Erlass des Korrekturbescheides vollständig nachentrichtet werden, sonst tritt die strafbefreiende Wirkung der Nacherklärung nicht ein.

myheimat: Wie zieht man die Trennlinie zwischen einer „missglückten“ und einer „unzureichenden“ Selbstanzeige?

Dr. Florian Engert: Die beiden Begriffe lassen sich nicht eindeutig definieren. Im Fall Hoeneß war die Selbstanzeige nicht missglückt, weil sie aufgrund eines unglücklichen Umstandes nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Sie war vielmehr unzureichend, weil Hoeneß nicht alle Unterlagen beigebracht und sich nicht vollständig erklärt hat. Gerade hierauf muss man als Berater stets hinwirken und den Mandanten auch eingehend belehren, dass die Unvollständigkeit der Erklärung die Straffreiheit nicht mehr, wie früher, nur teilweise, sondern nunmehr vollständig entfallen lässt.

myheimat: Wiegt der ernsthafte Wille zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit nicht deutlich schwerer als ein paar „formale Fehler“?

Dr. Florian Engert: Sicherlich! Die tätige Reue, die in einer Nacherklärung zum Ausdruck kommt, muss honoriert werden. Die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige wurden ja bereits unnötig verschärft, weitergehende Forderungen aus der Politik halte ich für unsinnig. Zwar liegen mir die schriftlichen Urteilsgründe im Fall Hoeneß nicht vor, das in meinen Augen milde Urteil zeigt jedoch, dass, so meine Spekulation, der Wille zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit massiv im Rahmen der Strafzumessung zugunsten gewertet wurde. Andernfalls wäre bei einem derart hohen Steuerschaden eine Freiheitsstrafe von über 6 Jahren zu erwarten gewesen.

myheimat: Gibt es schon eine höchstrichterliche Rechtsprechung, ob eine missglückte oder fehlerhafte Selbstanzeige strafrechtlich in jedem Fall gleich zu bewerten ist?

Dr. Florian Engert: Dazu sind mir noch keine Urteile bekannt, es ist jedoch stets danach zu fragen, inwieweit ein Fehler dem Steuerpflichtigen persönlich vorzuwerfen ist. Arbeitet er seine Vergangenheit nur unzureichend auf oder hält er Unterlagen und Sachverhalte bewusst zurück, so ist dies weitaus negativer zu werten, als wenn die Nacherklärung unglücklicherweise an sonstigen Mängeln krankt.

myheimat: Noch einmal zurück zum konkreten Fall des ehemaligen Bayern-Präsidenten. Hatte Uli Hoeneß aus Ihrer Sicht überhaupt eine „realistische“ Chance, einer Haftstrafe zu entgehen?

Dr. Florian Engert: Eine fundierte Antwort kann ich nur dann geben, wenn ich den Fall, v.a. die Akte mit all ihren Einzelheiten, exakt kennen würde. Da der Richter in seiner mündlichen Urteilsbegründung jedoch von einer unzureichenden Selbstanzeige sprach und Hoeneß vorwarf, er habe auf Zeit gespielt, obwohl er die Zeit gehabt hätte, sich vollständig zu erklären, hätte eine Chance wohl bestanden.

myheimat: Wurde die Tatsache, dass Hoeneß gleich zum Prozessauftakt ein umfassendes Steuergeständnis ablegte, angemessen beim Strafmaß berücksichtigt?

Dr. Florian Engert: Davon ist auszugehen. Andererseits hat sein Zugeständnis, nun doch mehr Steuern hinterzogen zu haben, als zunächst angegeben, das Strafmaß zugleich auch wieder in die Höhe getrieben – ein fürchterliches Dilemma, aus dem es keinen vernünftigen Ausweg mehr gab. Dass er zuletzt jedoch reinen Tisch gemacht hat, wurde ihm sicherlich von Seiten des Gerichtes hoch angerechnet.

myheimat: Wenn sich ein reumütiger Steuersünder an Sie wendet und die Möglichkeit einer Selbstanzeige in Betracht zieht. Was würden Sie ihm raten?

Dr. Florian Engert: Ruhe und Besonnenheit, v.a. aber auch Ehrlichkeit sich selbst gegenüber! Eine Nacherklärung sollte durch den Fall Hoeneß nicht zum Schreckgespenst werden. Da jedoch selten ein einfach gelagerter Fall vorliegt, sollte das 4-Augen-Prinzip gelten und anwaltlicher Rat eingeholt werden.

Rechtsanwalt Dr. Florian Engert
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Compliance Officer (TÜV)