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Zugriff auf Facebook-Profil der toten Tochter - Erstes Urteil zum digitalen Nachlass

Timo Schutt | 08.01.2016
Der digitale Nachlass. Ein Thema, das wir bereits im letzten Jahr das eine oder andere Mal aufgegriffen haben, weil es bislang unseres Erachtens unterschätzt wird und es keine klaren Regeln dazu gibt, was mit den digitalen Hinterlassenschaften Verstorbener geschieht bzw. zu geschehen hat.

Jetzt wurde am 17.12.2015 die erste gerichtliche Entscheidung zu dem Thema gefällt.

Das Landgericht Berlin hatte zu klären, ob die Eltern ihrer verstorbenen 15-jährigen Tochter Facebook dazu zwingen können, Zugriff auf deren Account zu erhalten. Traurigerweise ging es hierbei noch darum, dass nicht klar war, ob es sich um einen Suizid handelte und die Eltern gerne durch Einsichtnahme in die Postings und Kontakte der Tochter klären wollten, ob dort Hinweise auf solche Absichten zu finden sind.

Durch Informationen einer Person, die Facebook nicht nennen wollte, wurde das Profil der Tochter in den Gedenkzustand versetzt. Dadurch war es der Mutter – trotz Kenntnis der Zugangsdaten der Tochter, die ihr diese wohl freiwillig gegeben hatte – nicht mehr möglich, auf das Profil und die dort gespeicherten Informationen zuzugreifen. Trotz mehrfacher Anfragen und Bitten und trotz Einschaltens der Aufsichtsbehörde für den Datenschutz ließ es Facebook auf eine Klage ankommen.

Das Landgericht Berlin hatte also zu entscheiden. Und es entschied meines Erachtens richtig: Die Rechte aus einem Vertrag mit Facebook zur Nutzung von Facebook-Diensten ist in vollem Umfang im Wege der so genannten Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB (der oder die Erben treten in alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein) vererblich. Es gilt auch gegenüber Facebook deutsches Recht und es ist auch das deutsche Gericht zuständig. Aus dem übergegangenen Vertrag steht daher dem oder den Erben der Anspruch zu, dass Facebook vollen Zugang zu dem Account der Verstobenen zu verschaffen hat.

(Landgericht Berlin, Urteil vom 17.12.2015, Aktenzeichen 20 O 172/15)

Unsere Meinung

Das Urteil ist wegweisend für das Thema des digitalen Nachlasses. Es stellt klar, dass auch gegenüber ausländischen Anbietern ein deutsches Gericht nach deutschem Recht über den Zugang der Erben zu den Online-Accounts der Verstobenen entscheiden kann. Dadurch, dass die Rechte an dem Account vollumfänglich auf den oder die Erben übergehen, können diese entscheiden, was mit dem Account zu geschehen hat. Das Urteil dürfte es für die Erben künftig leichter machen, bei den jeweiligen Betreibern vorstellig zu werden und den Zugang zum Konto zu verlangen.

Erforderlich ist es dafür aber natürlich, dass der Erbe überhaupt weiß, welche Accounts der Verstorbene überhaupt betrieben hat. Daher wäre es sinnvoll, wenn entsprechende Listen geführt bzw. zumindest die wichtigsten Accounts irgendwo hinterlegt werden.

Und: Auf der anderen Seite bedeutet das Urteil natürlich auch, dass man sich klar sein sollte, dass ohne anderweitige Verfügung der Erbe Einblick in alle Online-Aktivitäten erhält, was vielleicht im einen oder anderen Fall gar nicht erwünscht ist. Daher sollten solche Dinge künftig in Testamenten ausdrücklich geregelt und die einzelnen Plattformbetreiber zu Lebzeiten zu deren Richtlinien für solche Fälle befragt werden. Es gibt nämlich teilweise auch die Möglichkeit, dem Betreiber gegenüber Anweisungen zu erteilen, was im Falle des Versterbens bzw. einer längeren Nichtnutzung des Accounts geschehen soll. So kann bspw. zu Lebzeiten die Löschung des Accounts und der damit verknüpften Daten bestimmt werden.

Das Thema wird jedenfalls zwangsläufig in den nächsten Jahren zunehmend wichtig werden.

Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht