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"Digital Leadership": Nachholbedarf bei vielen Unternehmen

Michael Badichler, Geschäftsführer der Agentur rotorminds, entwickelt interaktive Kommunikationslösungen und sieht großen "digitalen" Nachholbedarf.
© Studieninstitut für Kommunikation GmbH
 

Als Dozent für Online-Marketing beim Studieninstitut für Kommunikation Düsseldorf, erklärt Michael Badichler im Interview, wo er die Versäumnisse in der deutschen Wirtschaft, aber auch in der "digitalen Ausbildung" des Führungsnachwuchses sieht.

Studieninstitut: „Kann man sagen, dass das Online-Marketing-Wissen bei Firmen im deutschsprachigen Raum noch entwicklungsfähig ist?“
Michael Badichler: „Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig das Wissen rund um das Thema Online-Marketing im deutschsprachigen Raum ausgeprägt ist. Vor allem im Management gibt es noch häufig Lücken. Das liegt zum einem an der Altersstruktur des Managements, d.h. dass diese Manager noch ohne Internet in ihr Berufsleben eingestiegen sind (digital Immigrants vs. digital Natives) und die Scheu vor den Neuen Medien noch groß ist. Zum anderen liegt es daran, dass an den Universitäten, Hochschulen etc. das Thema Onlinemarketing nicht ausreichend genug oder gar nicht vermittelt wird, so dass Berufseinsteiger sich dieses Wissen nebenberuflich aneignen müssen.“

Studieninstitut: „Woran merken Sie das, auch was den Blick auf Ihr Kerngeschäft - Digitale Transformation und E-Commerce – angeht?“
Michael Badichler: „Grundsätzlich ist zu beobachten, dass sich alle Branchen in einem großen Transformationsprozess befinden. Das liegt einerseits an einem stark veränderten Kundenverhalten durch die digitalen Medien, vor allem Social Networks im Consumer-Bereich und die Notwendigkeit, Prozesse zu digitalisieren, das betrifft alle Branchen. Diesen Prozess nennt man digitale Transformation. Viele Firmen haben die Notwendigkeit, sich diesem Transformationsprozess zu stellen, nicht erkannt und laufen Gefahr vollkommen vom Markt zu verschwinden. Prominente Beispiele sind Quelle, Neckermann, Karstadt etc. Viele Firmen gehen zu zaghaft bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle voran und das liegt vor allem am Know-how in den digitalen Medien und im Online-Marketing.
Junge engagierte Mitarbeiter haben oft sehr gute Ideen, aber nicht die Möglichkeit, diese in ihren Firmen umzusetzen, da das Vertrauen in die neuen Technologien und in die jungen Mitarbeiter zu wenig ausgeprägt ist. Unter dem Stichwort "Digital Leadership" ist es wichtig, dass sich das Management wirklich mit dem Thema Online-Strategien und Online-Marketing beschäftigt und ihre Teams motivieren und befähigen. Das Thema Online-Marketing ist Führungsthema und muss von oben gesteuert werden - und nicht nur aus einer Abteilung heraus.“

Studieninstitut: „Sehen Sie die Berufsaussichten für gut ausgebildete Online-Marketing-Manager auch so optimistisch wie bisherige Umfragen sagen? Z. B. des Interactive Advertising Bureau (IAB Europe), die prognostizieren, dass in den nächsten Jahren Unternehmen verstärkt bereit seien, zunehmend in Online-Marketing zu investieren?“
Michael Badichler: „Die einzige Möglichkeit, sich der digitalen Transformation zu stellen, ist genau in diesem Bereich zu investieren und die Mitarbeiter für die Herausforderungen fit zu machen. Das betrifft alle Online-Marketing-Disziplinen von Email-Marketing bis Google Adwords, aber auch strategische Skills, z.B. neue digitale Geschäftsstrategien und Modelle im Onlinebereich zu entwickeln. Gut ausgebildete Online-Marketing-Manager haben sehr gute Berufschancen und Entwicklungsmöglichkeiten. Es gibt auch zunehmend sehr hoch bezahlte Spezialisten in der Online-Branche, wie z.B. einen "Conversion-Optimierer", "SEO-Specialist", "E-Commerce-Manager" oder "Cross Channel Manager".
Was die Investments in das Onlinemarketing betrifft und auch die Verschiebung von klassische Etats in den Onlinebereich, wird es in den kommenden Jahren weiterhin große Verschiebungen geben. Eine Studie von TNS Infratest hat ergeben, dass 34% der befragten deutschen Online-Experten davon ausgehen, dass bis 2019 höhere Umsätze mit Onlinewerbung als mit klassischen Medien (TV, Hörfunk und Print) erzielt werden.“

Studieninstitut: „Wie stark ist aus Ihrer Erfahrung der Firmenbedarf nach gut ausgebildetem Personal in diesem Bereich?“
Michael Badichler: „Der Bedarf ist riesig. Ich sehe aber oft, dass Firmen junge Mitarbeiter nicht weiterentwickeln und leider voraussetzen, dass sie sich im Online-Marketing auskennen. Nur weil junge Mitarbeiter sich mehr in den Social Networks aufhalten, heißt es nicht, dass sie auch eine Social-Media-Strategie entwickeln können.“

Studieninstitut: „Die Erwartungen und Anforderungen an zukünftige Online-Marketing-Manager steigen. Welchen Aufgaben muss sich der zukünftige OMM zunehmend widmen? Wie wird sich der Beruf verändern?“
Michael Badichler: „Ein Online-Marketing-Manager muss zunehmend mehrere Bereiche gleichzeitig beherrschen: Er muss Generalist sein, der in übergeordneter Position alle Strukturen und Prozesse im Unternehmen kennt. Als Spezialist muss er aufgrund seiner IT-Kenntnisse mit der IT-Abteilung auf Augenhöhe kommunizieren, um deren Erkenntnisse, z. B. neue Software, an die zu delegierenden Mitarbeiter im Online-Marketing verständlich zu vermitteln. Als Online-Marketing-Stratege muss er die Strategie des Online-Geschäfts erarbeiten und alle Instrumente umsetzen können. In kleineren Betrieben muss er die Strategie selber umsetzen, in größeren Firmen die Umsetzung delegieren und überwachen.
Nicht nur der Beruf wird sich verändern, auch im Betrieb muss die Veränderung in Richtung „Digital Education“ gehen, d. h. alle im Unternehmen müssen die gängigen Vokabeln des Online-Geschäfts kennen und damit umgehen können, die Geschäftsführung ebenso wie die ausführenden Mitarbeiter. Dem Chief Digital Officer, wie der zukünftige Online-Marketing-Manager als Führungsposition heißen sollte, kommt die Aufgabe zu, die Strategie des Online-Marketings in all seinen Facetten als Delegierender zu überblicken und die Umsetzungsprozesse bis zur Zielerreichung zu kontrollieren.“

Studieninstitut: „Wenn man an Unternehmens-Hierarchien denkt, wo ist dann der Online-Marketing-Manager angesiedelt?“
Michael Badichler: „In Zukunft wird es immer häufiger einen CDO geben, also einen Chief Digital Officer, der auf C-Level im Management-Board die digitalen Themen und das Thema Onlinemarketing verantwortet. Aus meiner Sicht ist es zwingend notwendig, das Thema Onlinemarketing in der Geschäftsleitung zu verankern, um ihm auch die notwendige Akzeptanz im Unternehmen mit der entsprechenden Entscheidungskompetenz zu geben. Unter dem Stichwort "Digital Leadership" muss jede Firma eine digitale Führungskompetenz entwickeln.“

Studieninstitut: „Viele junge Leute interessieren sich für einen Berufseinstieg in diesem Bereich. Für wen ist der berufsbegleitende neunmonatige Kurs geeignet? Welche wichtigen Voraussetzungen sollte der Interessent mitbringen?“
Michael Badichler: „Die Teilnehmer sollten eine große Faszination für das Thema Online im Allgemeinen mitbringen. Entweder sind es Hochschulstudenten oder Absolventen, die sich im Thema Online-Marketing tiefer einarbeiten wollen oder bereits Berufstätige aus dem Marketing, die nun mehr und mehr Aufgaben im Bereich Online-Marketing übernehmen sollen. Wir haben auch immer wieder Teilnehmer, die bereits im Online-Marketing arbeiten und die Seminare nutzen, ihr Wissen mit fundiertem, strategischem und praxiserprobtem Know-how von Experten zu erweitern.“

Studieninstitut: „Sie betreuen als Dozent auch den Studiengang Betriebswirt/in (FH) Online-Marketing. An welche Interessenten richtet sich dieses Studium?“
Michael Badichler: „Der Betriebswirt Online-Marketing ist ein Hochschulabschluss in Zusammenarbeit mit der Universität Schmalkalden. Zugelassen werden nur Teilnehmer, die entweder einen Hochschulabschluss, BA-Abschluss oder eine fachgebundene bzw. allgemeine Hochschulreife haben, Realschulabgänger nur mit entsprechender Berufsausbildung und Berufspraxis. Neben den praxisrelevanten Online-Marketing-Themen, die das Studieninstitut vermittelt, bekommen die Teilnehmer einen theoretischen und betriebswirtschaftlichen Unterricht direkt am Campus in Schmalkalden. Somit richtet sich dieser Diplom-Studiengang an Studenten/Teilnehmer, die in Zukunft leitende Online-Marketing-Funktionen in Unternehmen anstreben, z.B. den Chief Digital Officer. Es nicht so, dass die IHK-Absolventen diese Jobs nicht machen könnten - aber viele Firmen erwarten inzwischen einen Hochschulabschluss mit entsprechender Vertiefung im Online-Marketing für leitende Positionen plus entsprechender Berufserfahrung mit langjähriger fachlicher Expertise und Führungserfahrung.“

Studieninstitut: „Derzeit wird in den Medien - etwa der Kommunikations- oder Marketingfachpresse - besonders Content-Marketing und ihre Bedeutung diskutiert. Wofür genau steht Content Marketing?“
Michael Badichler: „Kaum ein Thema wird derzeit so spannend diskutiert, wie der Bereich des Content-Marketings. Die große Frage ist immer, wer macht denn nun das Content Marketing in der Firma? Ist es die Werbung, die Kommunikationsabteilung, der Publizist, der Onlinemarketer - jeder arbeitet für seinen Bereich, produziert Content für seine Kanäle wie PR, Social Media, Native Advertising, Corporate Publishing, Vertriebsunterstützung etc. - aber in den wenigsten Fällen ist dieser strategisch miteinander abgestimmt.
Strategische Fragen werden nicht geklärt, wie z.B. ob der Content das Engagement steigern oder als Promotion dienen soll, soll er Leads oder nur Traffic steigern, sollen Umsätze, also Conversions, generiert werden? Von einem kanalübergreifenden Redaktionsplan, in dem die verschiedenen Kanäle detailliert geplant und abgestimmt werden, ist man hier meilenweit entfernt. Da braucht man sich am Ende nicht wundern, wenn erstens der Kunde verunsichert ist und zweitens der Erfolg dieser unterschiedlichen Content-Beträge ausbleibt. Meist entsteht ein „wilder“ Aktionismus von verschiedensten Ideen. Wie z.B. jetzt noch schnell ein Video hochladen, eine Infografik verschicken, auf XING eine Nachricht posten oder vielleicht eine Präsentation auf Slideshare hochladen. Von Content Marketing kann man in diesem Fall nicht reden.
Im Content Marketing unterscheidet man operatives und strategisches Content Marketing. Operativ es gut um das Erstellen und Verbreiten der einzelnen, also attraktivem Content wie Filmen, Whitepaper, Infografiken mit dem Ziel, Leads zu generieren und Kunden zu gewinnen. Strategisch geht es darum, langfristig eine Strategie zu entwickeln - zur Befriedigung der Informationsbedürfnisse und Erwartungen - es geht um Kundengewinnung und andere Interessensgruppen wie Mitarbeiter und Journalisten zu überzeugen.
Content ist am Ende alles, womit der Endkunde mit unseren Themen in Kontakt kommt. Ich nenne mal nur die Stichworte: Das ist owned Media (gehört einem, Corporate Publishing und Marketing), Paid Media (bezahlt man für, Werbung), Earned Media (muss man verdienen, redaktionelle PR) , Social Media (stößt man an, nimmt man teil, öffentliche Debatte), promoted Content (Rich Media Advertising, Post Promotions), Advocacy (Journalisten, A-Blogger), Native Advertising (Medien Kooperationen), Dialog (bindet man andere mit ein, Community Management).
Content Marketing ist also Brand + Reichweite + Aufmerksamkeit + Conversion - jetzt mit „Content“ statt mit Werbung. Fazit: Content Marketing ist somit ein Konzept ganzheitlichen, marktorientierten Content-Steuerung zur Befriedung der Bedürfnisse und Erwartungen von Kunden.“

Studieninstitut: „Und warum ist in dem Zusammenhang Storytelling so wichtig?“
Michael Badichler: „Im Rahmen des Storytelling ist es sehr wichtig, dass man sich strategisch Gedanken macht zu folgenden Themen.
1. Situationsanalyse, also was bedeutet für uns guter Content konkret?
2. Content Strategy & Planung, also was ist unsere Story? Wie vereinen wir unsere Ziele mit unseren Zielgruppen?
3. Content Distribution, also wie inszeniert man den Content und distribuiert ihn?
4. Content Operations, also wie produzieren wir kontinuierlich und wiederholbar „guten“ Content?
Bevor man mit dem Storytelling beginnt, müssen aber erste folgende Fragen beantwortet sein. Ziele für das Unternehmen, also auf welche strategischen Zahlen gehen wir ein, was ist der Nutzen für das Unternehmen? Und Mehrwert für den Nutzer, also wofür interessieren sich die Personas und was ist der Nutzen für sie? Danach beginnt mit der Ausarbeitung der „Core Story“, also was ist die Leitidee, was sind die Themen, wo sind wir unique?
Erst danach wir der Content entwickelt. Folgende Fragen spielen dabei eine wichtige Rolle. Wie füllen wir die Story aus? Wie inszenieren wir das Thema? Welche Medien und Formate nutzen wir? Erst dann geht es um die Kanalwahl, die Interaktion (wie organisieren wir den Dialog), Promotion (wie bauen wir das Netzwerk auf), People (wer sind die Verantwortlichen im Haus) und Process (wie organisiert man die Content Discovery, Content creation, Content curation, Dialog und Promotion).
Wie man sieht, ist Content Marketing und Storytelling viel mehr als nur ein paar Artikel schreiben oder Videos posten. Dahinter liegt ein Konzept, also ein ganzes Framework, das sinnvoll und professionell betreut werden muss.“

Studieninstitut: „Wie viel Raum bekommt das Thema in den genannten Weiterbildungen?“
Michael Badichler: „Alleine mit dem Thema Content Marketing und Storytelling könnte man sich wochenlang beschäftigen. Wir binden das Thema so ein, dass die Teilnehmer einen Überblick der Möglichkeiten des Content Marketing und deren Tools bekommen, wie das Thema strategisch einzuordnen ist, und dass sie innerhalb einer Firma das Content Marketing managen können, ohne dabei alles selber tun zu müssen.“

Studieninstitut: „Wer sich entscheiden kann zwischen einer berufsbegleitenden Weiterbildung oder einem Studium, welche Hauptfrage sollte sich derjenige im Vorfeld stellen? Welchen Tipp können Sie Interessenten geben?“
Michael Badichler: „Eine berufsbegleitende Weiterbildung hat den großen Vorteil, dass man sich neben dem Job und über einem überschaubaren Zeitraum das Wissen des Online-Marketings aneignen kann. Beim Studieninstitut spielt der Aspekt „Praxisrelevanz“, also lernen aus der Praxis für die Praxis, eine große Rolle. Während in einem Studium vermehrt theoretisches Wissen vermittelt wird, bietet das Studieninstitut Theorie und Praxis an.“

Das Gespräch mit Dozent Michael Badichler führte Petra Zimmermann, Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Studieninstitut für Kommunikation GmbH.