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Es lohnt sich doch: Kundenloyalität messen und steuern

Nur noch einem knappen Drittel der Kunden ist die Marke bei der Kaufentscheidung wichtiger als der Preis.
Helmut Becker | 11.07.2008

In den Chefetagen wächst der Frust gegenüber der eigenen Kundenschaft. Trotz millionenschwerer Investitionen in das Kundenmanagement, in Kundenkarten und Call-Center ist die Kundenloyalität in Deutschland weiter rückläufig. Nur noch einem knappen Drittel der Kunden ist die Marke bei der Kaufentscheidung wichtiger als der Preis.

Die Entfremdung wächst
Enttäuscht wendet man sich von den Bestandskunden ab, und stellt den Neukunden in den Vordergrund. Eine im Januar veröffentlichte Stu-die sieht bei mehr als 80 Prozent der befragten Entscheider das Thema „Kunden gewinnen und entwickeln“ vorn. Und das soll auch in den nächsten fünf Jahren so bleiben. In Zeiten der Globalisierung geht es um schnelle Erfolge. Das Management steht fast überall unter einem enormen Ergebnisdruck. Effizienzsteigerung, Prozessoptimierung und Costcutting sollen fristgerecht die angepeilten Renditevorstellungen garantieren. Langfristig aber verdienen die Unternehmen mit den treuesten Kunden das meiste Geld, auch wenn Investitionen in die Kundenloyalität kurzfristig das Ergebnis schmälern.

Kundenloyalität regelmäßig messen
Die Rentabilität einer Kundenverbindung hängt maßgeblich von ihrer Dauer ab. Die Marktforschung tut sich allerdings mit der Messung von Kundenloyalität schwer. Die heute üblichen Loyalitätsmetriken und Kausalmodelle sind zwar wissenschaftlich seriös, aber zu komplex. Sie setzen Befragungen mit umfangreichen Interviewbögen voraus und multivariate Statistikverfahren. Je mehr Fragen, desto geringer ist die Akzeptanz beim Befragten. Je mehr Messgrößen man verfolgt, desto unwichtiger wird jede einzelne. Eine einfache und effiziente Lösung bietet der „Net Promoter Score® (NPS)“, den Fred Reichheld entwickelt hat.

Er reduziert die komplexe Gemengelage auf eine einzige Kennziffer. Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist der Befragte bereit, ein Unternehmen oder Produkt weiterzuempfehlen? Ausgedrückt wird das auf einer 10er-Skala von 0 (auf keinen Fall) bis 10 (auf jeden Fall). In der Empfehlungsbereitschaft drücken sich sowohl die sachliche Zufriedenheit als auch die emotionale Bindung aus. Befragte mit den Werten 10 und 9 sind Empfehler, bei 8 und 7 finden sich die passiv Zufriedenen und von 6 an abwärts die Kritiker.

Den NPS errechnet man, indem der Prozentsatz der Kritiker vom Pro-zentsatz der Empfehler abgezogen wird. Die passiv zufriedenen Kunden bleiben bei der Berechnung unberücksichtigt. Im Ergebnis erhält man eine Kennzahl, die Niederlassungen, Abteilungen oder andere Unter-nehmensbereiche objektiv vergleichbar macht. Reichheld hat durch umfangreiche Studien in USA und Europa nachgewiesen, dass es eine hohe Korrelation zwischen dem NPS-Wert und dem Unterneh-menserfolg gibt.

Kann man Kundenloyalität steuern?

Wie kann man die Anzahl der Kritiker reduzieren und die Anzahl der Empfehler vergrößern? Mit qualitativen Informationen über Kundenwünsche, Kritikpunkte und Zukunftsanforderungen, die aber nicht durch standardisierte Zufriedenheitsbefragungen ermittelt werden. Besser funktioniert das mit Feedback-Gruppen, Internetforen, durch die Einbeziehung von Händlern und Kunden sowie durch Nachfass-Interviews mit unzufriedenen Kunden, die sich dazu bereiterklärt ha-en. Das dient der Verbesserung von Produkten und Prozessen. Auch Innovationen kommen auf diese Weise zustande. Damit ist aber die Frage nach den Treibern der Kundenloyalität noch nicht komplett be-antwortet.

Es gibt vier Instrumente, die jenseits von Produkten und Prozessen auf die Kundenloyalität wirken:

• Die Attraktivität der Marke

Markenführung beeinflusst das Image und damit die Kunden-loyalität. In Consumer-Märkten eine Binsenweisheit, in B-to-B Märkten noch nicht selbstverständlich, denn das war immer die Welt der Sachlichkeit und kaufmännischen Argumente. Doch es ist vorteilhaft, auch dort ein klares Markenprofil zu zeigen. In der Friseurkommunikation von Haarkosmetikherstellern ist das üblich wie das Beispiel L'Oreal oder Goldwell zeigt.

• Der echte Kundendialog

Der Kunde will ernst genommen werden. Er möchte, dass sich Hersteller und Dienstleister mit seinen Wünschen und Problemen auseinandersetzen. Im Kundendialog entscheidet die Relevanz. Um die sicherzustellen, hat die IKK Baden-Württemberg und Hessen die zentral versandten eMail-Newsletter für ihre rund 750.000 Versicherten und etwa 91.000 Arbeitgeber inhaltlich regionalisiert. In jeder der 28 Regionaldirektionen erarbeiten Mitarbeiter vor Ort relevante Inhalte für ihre regionalen Kunden.

• Die Belohnung

Kunden hält man durch Belohnung. Dabei nicht gleich an Geld denken! Community heißt das Zauberwort, eine Plattform im Internet, die für Kunden Belohnung, Anerkennung und Unterhal-tung zugleich ist. Ein gutes Beispiel bietet Coca Cola mit der Website Cokefridge: Musik und Klingeltöne herunterladen, anspruchsvoll gestaltete Spiele machen, Eintrittskarten für die EM gewinnen und vieles mehr. Aber nur gegen „Coins“, und das sind Codes, die man auf jeder Cola-Flasche findet. Wer viel Coca Cola trinkt, kann sich auf Cokefridge entsprechend mehr leisten!

• Die Lösung von Kundenproblemen

Das Erfolgsrezept für die Kundenloyalität in B-to-B Märkten heißt „Problemlösung“. Ein Beispiel ist der Herbol-Fassaden-Schutzbrief. Malerbetriebe werden zu Fassadenspezialisten wei-tergebildet, erhalten eine Lizenz vom Hersteller und können ihren Kunden oft eine verlängerte Gewährleistung zugestehen, wenn bestimmte Inspektionsintervalle vereinbart werden. Alle gewinnen. Der Hersteller setzt mehr Farbe ab. Der Malerbetrieb hat mehr Fassadengeschäft und der Endkunde kann das Rundum-Sorglos-Paket für sein Haus kaufen. Natürlich gehören für die Maler auch eine Webplattform, IT-Support, Marketingunterstützung, Fachseminare und regelmäßige Informationen dazu.

Investition in Kundenloyalität lohnt sich. Treue Kunden kaufen mehr, sie achten weniger auf den Preis, verursachen weniger Servicekosten und sprechen Empfehlungen aus, weil sie von ihrem Lieferanten oder ihrer Marke überzeugt, ja begeistert sind. Diese Begeisterung setzt freundliche Verkäufer, einfühlsame Berater und hilfsbereite Servicekräfte voraus. Nun stehen bei Renditeüberlegungen meist die Personalkosten im Fokus. An den Kundenschnittstellen sind gute Mitarbeiter aber sowohl für das Image als auch für die Leistungserbringung von herausragender Bedeutung. In der Kundenbetreuung die besten Leute einzusetzen und dort gute Gehälter zu zahlen, lohnt sich. Der Faktor Mensch ist nicht durch CRM-Systeme zu ersetzen. Nicht umsonst ist bei Unternehmen mit hoher Mitarbeitermotivation die Kundenloyalität signifikant höher als anderswo.

Helmut Becker, Mai 2008