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Das Problem der alternden Gesellschaft: Unternehmen müssen reagieren

Hat uns der Erste Deutsche Pflegetag im Kernproblem um Personalfragen vorangebracht?
Marquardt+Compagnie | 30.01.2014
Traut man den aktuellen Berichten über den demographischen Wandlungsprozess, bleibt wenig Grund zur Freude. Zumindest nicht aus personeller Sicht. 2013 fehlten der Pflegebranche bereits 120 000 qualifizierte Fachkräfte. Bis 2030 soll diese Zahl noch einmal um über das Doppelte auf 300 000 steigen. Bliebe die Zahl der zu pflegenden Patienten dabei stabil, wären die Folgen sicherlich nicht ganz so gravierend, wie sie sich in jüngster Zeit abzeichnen. Aktuell sind bundesweit ca. 2,5 Millionen Menschen auf professionelle Pflege angewiesen. Und diese Zahl steigt. Politik und Unternehmen sind nun gefragt, wenn es um konkrete Lösungsvorschläge geht.

Der Erste Deutsche Pflegetag und die "Soziale Frage des 21. Jahrhunderts"

Anlässlich dieser verstärkt ins Bewusstsein drängenden Problematik des Fachkräftemangels fand zwischen dem 23.01. und 25.01. der Erste Deutsche Pflegetag in Berlin statt. Unter der Leitung des Deutschen Pflegerats (DPR) e.V. wollte man hier "die Herausforderung Pflege – nach jahrelanger Stagnation und zeitnah zur Konstituierung der neuen Bundesregierung – in den Fokus der gesellschaftlichen und politischen Debatte rücken" (Quelle: deutscher-pflegetag.de). Als "Soziale Frage des 21. Jahrhunderts" soll sie fortan geführt werden. Der ab 2014 jährliche Pflegetag solle dabei jene Antworten liefern, welche der Koalitionsvertrag der Schwarz-Roten-Regierung offen lässt: Was kann getan werden, um die Pflegebranche wieder attraktiver zu gestaltet und den Fachkräftenotstand einzudämmen?

Pflege meets Politik

Es gibt viele unbeantwortete Fragen. Wir wollen hier die wichtigsten zusammentragen und einen kurzen Überblick über diese hochaktuelle Debatte liefern.

1. Was sind die größten Probleme im Pflegebereich?
Wie vielfach bereits erwähnt, liegt das Hauptproblem im Fachkräftemangel. Die Pflegebranche sucht händeringend nach qualifiziertem Personal. Die Nachfrage ist so akut, dass zu Beginn des Jahres erstmalig 150 Pflegekräfte aus China ihre Arbeit in Deutschland aufgenommen haben. Die Sendung "Klartext" des hr-Info-Radios hat die Eindrücke der ersten Chinesinnen in deutschen Altenheimen zum Thema gemacht. Den Podcast gibt es hier zum Nachhören.

2. Wie sieht das durchschnittliche Gehalt des Pflegepersonals aus?
Ein Aspekt, der am Ende sicherlich den Unterschied im Kampf um geeignete und motivierte Mitarbeiter ausmachen wird. Hier sind es vor allem die Unternehmen, die sich einiges einfallen lassen müssen. Überdurchschnittliche Gehälter, Wochenend- und Feiertagszuschläge oder gesonderte Vergütungen bei besonderen Qualifikationen und Leistungen: Wer Personal braucht, ist deutlich im Zugzwang. Momentan liegt das monatliche Bruttoeinkommen ohne Sonderzahlungen und einer 38-Stunden-Woche bei ca. 2412 Euro.

3. Was will die Politik tun?
Im Koalitionsvertrag nur vage beschrieben, dafür umso heißer debattiert. Die Große Koalition möchte unter anderem die Pflegeausbildung reformieren (kostenfreie Ausbildung flächendeckend) und zusätzliche Fachkräfte gewinnen. Den Kernpunkt einer Pflegereform macht allerdings die bereits seit Längerem geforderte Neubewertung der Pflegebedürftigkeit aus. Der Expertenbeirat Pflege empfiehlt hierzu eigens ein neues Begutachtungsverfahren zur Bestimmung des Pflegebedarfs vor.

Probleme für Unternehmen: Die Branche ist unattraktiv

Geht es um den Fachkräftemangel, sind es vor allem die fehlenden Auszubildenden, mit denen die Pflegeberufe zu kämpfen haben. Die Branche ist für viele jüngere Leute unattraktiv. In Deutschland Altenpfleger zu sein, bedeutet für sie hohe körperliche und seelische Belastung bei vergleichsweise geringer Bezahlung. Deshalb gehen viele ausgebildete Kräfte in europäische Nachbarländer, wie Luxemburg oder die Schweiz, wo sie bei einer geringeren Arbeitsbelastung besser bezahlt werden. Ein weiteres Problem: Der Wechsel vieler Kräfte nach einigen Jahren in der Branche. Johanna Knüppel, Sprecherin des Bundesverbandes der Pflegeberufe, meint dazu: "Wir können nicht einmal den Bedarf an Nachrückern für altersbedingt ausscheidende Pflegefachpersonen decken". Sie sieht das Problem vor allem im fehlenden Verständnis nach nachhaltiger Arbeitnehmergesundheit. Der Beruf muss sowohl körperliche als auch seelische Ausgleichs- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten, damit "die Fachkräfte in ihrem Beruf und auch gesund bleiben".

Viele arbeiten noch immer ohne Tarifbindung

Auch in diesem Jahr arbeiten knapp 60 Prozent der Altenpfleger bundesweit ohne Tarifbindung. In diesen Einrichtungen erreicht das Durschnittsmonatsgehalt nicht einmal den Bundesdurchschnitt, sondern liegt im Mittel 19 Prozent darunter. Ist es also nur eine logische Konsequenz unverhältnismäßiger Bezahlung, was den Nährboden des Pflegenotstands ausmacht?

Neue Lösungsansätze und Strategien sind gefragt

Mehrfach klang es bereits an, dass besonders die einzelnen Unternehmen gefragt sind, effektiv(er) um ihre Fachkräfte zu werben und diese langfristig zu halten. Der Pflegesektor muss attraktiver für die Arbeitnehmer werden. Das beginnt bereits bei der Werbung um neue Auszubildende und setzt sich fort im konkreten Mitarbeitermanagement. Verschiedene Anreizsysteme, die sich gleichermaßen auf materielle wie ideelle Aspekte beziehen sollten, sind gefordert. Höhere Gehälter, Sonderzahlungen, flexible Arbeitszeitmodelle, besondere Berücksichtigung bei Schwangerschaften oder regelmäßige Weiterbildungsmöglichkeiten sind nur einige der geforderten Punkte. Wenn es der Branche so gelingt, sich auch nachhaltig attraktiv zu präsentieren, ist ein erster Schritt zur Eindämmung des Fachkräftemangels getan - auch ohne das Warten auf politische Maßnahmen.

Quellen: rp-online.de; tagesschau.de