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Vergaberecht: Prüfpflicht bei zu billigen Angeboten

Timo Schutt | 06.10.2015
Das Vergaberecht ist eine komplizierte Materie, hierbei sollen alle potentiellen Anbieter bei Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand zum Zuge kommen können. Die Vergabekammer Südbayern hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wann die Vergabestelle billige Angebote genauer unter die Lupe nehmen muss. Hintergrund dafür ist u.a. § 16 Absatz 6 VOL/A:

“Erscheint ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangen die Auftraggeber vom Bieter Aufklärung. Auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, darf der Zuschlag nicht erteilt werden.”

Die Vergabekammer hat hierbei in Bezug auf andere Entscheidungen diese sog. Aufgreifschwelle auf 15-20 % festgelegt: Ist also das Angebot des billigsten Anbieters um 15-20% günstiger als das Angebot des zweitplatzierten Anbieters, muss die Vergabestelle genauer untersuchen, ob der billigere Preis angemessen ist. Dabei reicht es nicht aus, wenn der billigere Anbieter argumentiert, dass der Markt umkämpft sei: Eine Überprüfung der Auskömmlichkeit von besonders niedrigen Angebotspreisen hat der Öffentliche Auftraggeber grundsätzlich dann vorzunehmen, wenn die Gesamtpreise der konkurrierenden Angebote so weit auseinander liegen, dass der Eindruck entsteht, dass ein Angebotspreis unangemessen niedrig erscheint, so die Vergabekammer.

Anmerkung von Rechtsanwalt Thomas Waetke:
Ein Vergabeverfahren als solches hat seinen guten Grund: Nicht der Bieter mit den besten Kontakten in die Politik soll den Auftrag erhalten; allerdings stützt sich die Vergabestelle zu oft allein auf den billigsten Preis; das allein ist nicht zu beanstanden. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der billigste Anbieter ggf. nicht zugleich der beste ist; Wird aber ein Dienstleister gesucht, der für die Vergabestelle bspw. bei städtischen Veranstaltungen den Ordnungsdienst übernimmt, dann kann die Auswahl nur nach preislichen Gesichtspunkten ein Problem sein: Fallen nämlich qualitative Aspekte der Bieter unter den Tisch, fehlt es im Schadensfall zivilrechtlich an einer ordnungsgemäßen Auswahl (vgl. § 831 Absatz 1 Satz 2 BGB): Je nach Konstellation kann es sein, dass sich der Hauptverantwortliche aus seiner Haftung entziehen kann – aber eben nur, wenn er seine Mitarbeiter und Dienstleister, soweit diese Verrichtungsgehilfen sind, ordnungsgemäß ausgewählt hat (z.B. durch Abfrage von Referenzen, Qualitätsbescheinigungen, Vergewisserung über die Qualität der Leistungen usw.).

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)