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Over-Compliance und Übersicherung verhindern Akzeptanz

Timo Schutt | 27.10.2015
Nicht alles, was wünschenswert, machbar und sinnvoll ist, ist rechtlich auch erforderlich.

Das Risiko: Macht man etwas, was man rechtlich nicht machen muss, geht man ein zusätzliches Risiko ein. Im schlimmsten Fall ist dieses zusätzliche Risiko nicht vom bisherigen Versicherungsumfang erfasst und/oder wird vom Kunden nicht bezahlt.

Vorsicht Dienstleister!

Insbesondere beratende Dienstleister müssen aufpassen, dass sie ihrem Kunden nichts aufschwatzen, was der eigentlich gar nicht braucht: Ist eine Maßnahme nur wünschenswert oder sinnvoll, aber rechtlich nicht notwendig, dann kann der Berater durchaus diese Maßnahme vorschlagen – er muss dabei darüber aufklären, was die Folgen des zusätzlichen Tuns sein können.

Umgekehrt dürfen sinnvolle und wünschenswerte Maßnahmen nicht rechtswidrig sein. Berühmtes Beispiel aus dem Marketing: Derjenige, der Werbung machen will, darf nicht einfach irgendwo anrufen, um dort Werbung zu machen.

Zuviel ist zuviel

Im Bereich der Compliance, mit dem sich eine immer stärker werdende Wissenschaft beschäftigt, hat sich der Begriff der Over-Compliance etabliert:

Zuviel Compliance schadet der Akzeptanz, d.h. übertreibt man es mit Compliance, verliert das Thema Ansehen und Motivation bei den Beschäftigten.

Genauso ist das übrigens bei der Veranstaltungssicherheit: Hier und da werden Forderungen gestellt, wie man eine Veranstaltung „sicher“ machen könne/solle, ohne aber zunächst deren rechtlichen Grundlagen zu hinterfragen. Ich habe mich auf eventfaq schon wiederholt zur „Übersicherung“ von Veranstaltungen geäußert, das Phänomen ist vergleichbar mit der Over-Compliance: Übertreibt man es mit Sicherheitsanforderungen, verliert man die Akzeptanz beim Kunden und bei den Verantwortlichen.

Minimum darf man nicht, man muss

Umgekehrt bedeutet das aber nicht, dass ein nörgeliger Kunde nicht etwa auf Spur gebracht werden muss = ihm muss klargemacht werden, dass er zumindest die gesetzlichen und rechtlichen Anforderungen erfüllen muss: Recht ist kein „nice to have“, sondern ein oftmals unabdingbares „must have“.

Ob man als Veranstalter, Dienstleister oder Berater von gesetzlichen Anforderungen abweichen darf (also das gesetzliche Minimum nochmals unterschreiten darf) ist nicht von der Laune der Verantwortlichen abhängig, auch nicht von einer Risikoabwägung oder was auch immer – sondern einzig und alleine davon, ob die geplante Abweichung

1. rechtlich überhaupt vorgesehen und
2. im Einzelfall überhaupt erlaubt ist.

Die schönste Risikoabwägung ist wertlos, wenn man unerlaubt gesetzliche Anforderungen unterschreitet: Das Verhalten ist und bleibt rechtswidrig, im Übrigen handelt man dann sogar schon vorsätzlich (mit u.a. der Folge, dass der Versicherungsschutz entfällt).

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)