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Nachhaltige Wirtschaftssysteme vs. Natürliche Regulierung

Vorherrschendes Wirtschaftsdenken unserer Zeit steht für gnadenlosen Profit. Der Ausverkauf sozialer Werte nimmt zu. Ein Blick zurück nach vorne.
Marquardt+Compagnie | 06.08.2013
Die Macht des Kapitals hat einen bedenklichen Zustand erreicht. Es kommt einem so vor, als hechelten alle verblendet einem Schatz hinterher, von dem es nur eine verwitterte, unleserliche Karte gibt. Einem gefährlichen Mythos, der seinen Finder reich belohnt. Jeglicher Ballast von sozialen Werten und kaufmännischem Anstand wird abgestoßen. Stabilität und solide Existenzen werden zurückgelassen. Doch niemand kennt den Weg und die Gefahren. Die Getriebenen bemerken nicht, wie der böse Zauber bereits wirkt und der Wächter hinter ihnen her ist.

Schnell, schneller, orientierungslos! Vom Fortschritt zum Rückschritt.

Es gab mal eine Zeit, in der das undenkbar war. In der klar war, dass soziale Gerechtigkeit einen großen Mehrwert darstellt und man sich nicht auf Abenteuer verließ oder Mythen blind vertraute. Das Erreichte sollte bewahrt werden. Unleserliche Schatzkarten waren nicht interessant. Kapital war eher Mittel zum Zweck und kein alleiniges Ziel. Soziale Werte zählten ebenso viel. Ein sinniger Weg. Alle hatten etwas davon. Die einen mehr, die anderen weniger. Nun funktioniert unser System nicht ohne Kapital und die Anreize, die Kapital entwickelt. Das treibt unseren Fortschritt an. Das hat uns viele gute Errungenschaften der modernen Zivilisation gebracht. Dank ihnen stehen wir da, wo wir stehen.

Da, wo wir stehen? Moment, also sind diese Errungenschaften doch nicht so gut? Hat uns der Fortschritt auch den entfesselten Kapitalismus gebracht? Ja, hat er. Aber auch demokratische Grundrechte, moderne Bildung, Gesundheit, Energiesysteme und effiziente Infrastrukturen. Sie sind Grundpfeiler unserer wohlhabenden Gesellschaft. Eine gute Basis für den Weg. Brauchen wir nun überhaupt noch Fortschritt? Wären wir ohne ihn vielleicht schon weiter?

Holzhütte oder autarkes Loft. Wohin führt der Weg zurück?

Ich möchte nicht unbedingt in einer Holzhütte leben und mir meine Kleidung von Schafen vor der Tür stricken müssen. Aber ich wende mich gerne zurück. Zum Gedanken sozialer Marktwirtschaft. Und ich meine damit den Gedanken, nicht die neoliberale Ausartung. Ich meine den Versuch eines Verteilungsschlüssels für den Reichtum einer Nation. Die Idee eines Gleichgewichts zwischen der Macht von Eliten, ihrem Kapital und dem Wohlstand des einfachen Volks, sowie seinen Möglichkeiten zum Aufstieg. Diese gedankliche Prämisse ist, trotz ihrer Mängel, doch gleichwohl vielbedeutend. Sie birgt ein enormes Potential. Nämlich Bewusstsein darüber zu entwickeln, dass Eigentum verpflichtet und Stabilität einen großen Wert darstellt. Ganz wie Walter Eucken bereits feststellte: “Es gibt keinen Zielkonflikt zwischen Freiheit (also freier Marktwirtschaft) einerseits und sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit andererseits…”

Sozial, unsozial, asozial. Deutschland verändert sich.

In Deutschland wird oft von notorisch unzufriedenen, dauernd nörgelnden Bürgern gesprochen. Irgendwie hätten immer alle etwas zu beanstanden, obwohl es doch allen gut ginge. Ist das wirklich so? Wurde sich schon immer beschwert oder haben wir eigentlich ungewöhnlich friedliche Verhältnisse? Wer sich die Preissteigerungen und die Reallohnentwicklung der letzten 10-20 Jahre anschaut, sollte sich darüber wundern. Mich jedenfalls verwundert, wie ruhig es in Deutschland ist. Angesichts derart vieler Menschen, die in “prekären Beschäftigungsverhältnissen” arbeiten müssen, der vielen Aufstocker, die der Niedriglohnsektor mit sich bringt, aber auch den für eine Industrienation schlechten Bildungsnoten, Bildungschancen und verfehlter Familienpolitik, darf man sich fragen, warum sich eigentlich niemand so richtig beschwert. Sie und Er hätten allen Grund dazu. Die Eliten haben es in den letzten Jahrzehnten zunehmend versäumt den Gedanken der sozialen Marktwirtschaft und gerechter Verteilung von Reichtum weiter zu pflegen. Sie haben versäumt, unser aller Wohlstand nachhaltig abzusichern. Stattdessen wurde privatisiert und dereguliert. Hiermit nahm man dem Wächter des mythenumwobenen Schatzes nicht nur die Fesseln ab, man öffnete ihm freien Zugang in unsere Gesellschaft. Jetzt, Jahre später merkt man, es ist etwas schiefgelaufen. Er greift sich ein Unternehmen nach dem anderen. Dabei vernichtet er jeglichen Anstand, soziale Werte und plündert gewissenlos unsere Ressourcen. Die Gesellschaft merkte davon nichts. Bis das Internet kam und die Geschichte in jedes Haus trug.

Natürliche Regulierung als letzter Ausweg?

Dieses Medium ermöglicht Informationen für jedermann. Die verschiedenen Quellen lassen Konturen klarer erscheinen. Die Weltsicht wird ganzheitlich. Soweit, so schlecht. Wer sich die politisch gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen anschaut, hat wenig Grund zur Hoffnung. Alles, was schnellen Profit behindert, wird weiterhin über Bord geworfen. Kaufmännischer Anstand behindert nur die Profitmaximierung. Mächtige Lobbygruppen bestimmen den Kurs. Niemand weiß, wo es damit eigentlich hingeht…aber wo sind die Alternativen? Sollen wir als einziges Land anfangen, wieder zurückzurudern? Dem Wächter die Stirn bieten? Ihm wieder Fesseln anlegen? Vielleicht. Ein Heer von Spezialisten wurde damit betraut, entsprechende Lösungen zu entwickeln. Heraus kam “Basel III”. Die Allzweckwaffe gegen ausufernde Spekulationen und Zahlungsschwierigkeiten. Mit ihr gingen große Hoffnungen einher. Seit der Anwendung haben Banken ihre Eigenkapitalquote endlich wieder im Auge. Das ist gut. Weniger “faule Kredite” sind da ein erster Schritt. Wer sich als Mittelständler Geld besorgen muß erlebt nun, wie schwer man es ihm im Zuge von Basel III macht. Bonität schlecht oder Gründer? Kein Kredit. Risiko wird um jeden Preis vermieden. Nicht so bei spekulativen Geschäften. Diese verhelfen vielen Banken weiter zu schwindelerregenden Gewinnen. Und Verlusten. Wer sich für die eigentliche Definition der Aufgabe eines Kreditinstituts interessiert: “Das Bankensystem als die Gesamtheit aller Kreditinstitute eines Staates übernimmt in einer Volkswirtschaft die Versorgung der Marktteilnehmer mit allen geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen.” -> Kreditinstitut bei Wikipedia

Das Problem ist also weitaus größer, als viele offen zugeben möchten. Es ist tief verwurzelt und so umfassend, dass ebenso umfassende Veränderungen notwendig wären. Das weltweite Leben auf Kredit und damit einhergehende Verschwendung natürlicher Lebensgrundlagen sind die Einbahnstraße in ein dunkles Nichts. Wir stehen an einer Zeitenwende, der Paradigmenwechsel ist unausweichlich. Denn die Veränderung der natürlichen Regulierung zu überlassen wäre verantwortungslos. Das sollten wir uns und unseren Kindern nicht zumuten. Es muss nicht erst alles kaputtgehen, damit man es anders, besser wieder aufbaut. Wo ist da der Fortschritt?

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sind kein Trend, sie sind eine Notwendigkeit.

Was einige Unternehmen und Politiker, ja sogar Banken für sich als Trend entdecken, nennt sich Nachhaltigkeit. Alles wird auf einmal grün und nachhaltig. Grüne Unternehmenskultur mit eigenem Garten, grüne Ideen für grüne Köpfe, grünes Gedankengut für ungrüne Politiker und grünes Geld für Menschen mit Gewissen. Aber Nachhaltigkeit ist kein Trend, auf den man setzt, weil er en vogue ist. Nachhaltigkeit ist kein Produkt, das man wie Semmeln an Endkunden oder Einfluss an Politiker verkauft. Nachhaltigkeit ist unser aller Rettung. Je mehr Menschen das begreifen, je mehr Unternehmer das für sich als Existenzsicherung erkennen und je mehr Politiker auf dieser Basis wahrhaftige Entscheidungen fällen, desto weniger wird der Kapitalismus als brutaler Wächter unser System für sich vereinnahmen können. Er muß wieder bewusst kontrolliert werden. Und auf eine positive Art nebensächlich. Es gibt Hoffnung. Aber sie entfaltet nicht von alleine ihre schöpferische Kraft. Man braucht sie als Leitbild für eine bessere Zukunft.

Mein Beitrag dazu, ist dieser Beitrag.

O. Marquardt
Marquardt+Compagnie
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