print logo

CLV is King: 5 Maßnahmen zur Kundenbindung

Für die Automobilindustrie wird die Fokussierung auf den Customer Lifetime Value und der Shift vom Fahrzeugverkauf zum Service-Ökosystem unabdingbar.
Publicis Sapient | 28.03.2024
Customer Lifetime Value Maximierung als oberste Priorität © Publicis Sapient
 

Bei Prognosen zur Zukunft der Automobilindustrie dominieren meist Themen wie Elektrifizierung und autonomes Fahren die Diskussion. Dies sind zweifelsohne wichtige Trends, aber bei weitem nicht die einzigen Faktoren, die künftig erfolgsentscheidend sein werden. Statt auf den Wert ihrer Produkte sollten sich die OEMs auf den Wert ihrer Kunden konzentrieren, denn die Maximierung des Customer Lifetime Value (CLV) ist essenziell für den langfristigen Erfolg. Die Unternehmen müssen sich dringend die Frage stellen, welche Schlüsselfaktoren die Kundenbindung und Markentreue nachhaltig verbessern können. Und sie müssen eine klare Strategie entwickeln, wie sie diese angehen wollen. Um den Customer Lifetime Value zu maximieren, ist ein grundlegendes Umdenken erforderlich. Da der traditionelle Fokus auf die Einzeltransaktion nicht mehr so praktikabel ist wie in der Vergangenheit, sollte man sich auf den CLV und die Langfristigkeit konzentrieren.

Chancen der Vernetzung und Konnektivität im Fahrzeug

Der European Car Ownership Report von Publicis Sapient zeigt, dass 50 Prozent der Autobesitzer nie mit der Herstellermarke interagieren, außer beim Fahrzeugkauf. Von denjenigen, die mit ihrem OEM interagieren, tun dies nur 7 Prozent über eine offizielle Marken-App. Die restlichen 93 Prozent sind Kunden, um die sich die Hersteller über den Erstkauf hinaus scheinbar nicht bemühen. Jede Marke, die in der Lage ist, Interaktionstools wie Mobile Apps erfolgreich zu etablieren, hat die Chance, den Lifetime Value von derzeit inaktiven Kunden massiv zu steigern. Dies kann als Basis für eine umfassendere Strategie zur Steigerung des CLV dienen. Durch die Nutzung der Konnektivität von Apps und In-Car-Infotainmentsystemen lassen sich die Kundenerlebnisse im Fahrzeug verbessern und damit die Kundenzufriedenheit und Markentreue zu erhöhen. Für eine bessere Etablierung der Tools sollten sich OEMs jedoch zunächst der Frage widmen, welche Aspekte ihrer Anwendungen aktuell möglicherweise nicht effektiv sind oder warum nur wenige Kunden sie nutzen.

Häufige Gründe für die geringe Akzeptanz von Mobile Apps sind ein nicht optimiertes, nutzerunfreundliches Design oder fehlendes Marketing, das einen geringen Bekanntheitsgrad bedingt. Es kann aber auch sein, dass die App keinen wirklichen Nutzen bietet. Daher ist die Entwicklung einer Konnektivitäts-Strategie mehr als sinnvoll. Eine App, die echten Mehrwert bietet, wird ein größere Anzahl an Kunden anziehen und eröffnet den OEMs die Möglichkeit, mit den Nutzern dauerhaft in Interaktion zu treten und damit den Customer Lifetime Value zu verbessern. Nur wer ein tiefes Verständnis für die Kundenerwartungen und Wünsche entwickelt, wird deren Bindung nachhaltig steigern können. Funktionen wie Predictive Maintenance sind bei den meisten Zielgruppen beliebt: Publicis Sapient fand heraus, dass 34 Prozent der Autobesitzer die vorausschauende Wartung für den wertvollsten digitalen Service halten.

Unternehmen, die nach innovativen Ansätzen zur Kundenbindung suchen, sollten sich auf ein übergeordnetes Ziel zu konzentrieren, anstatt einzelne Funktionen zu forcieren. Ein Ziel könnte beispielsweise sein, mit Anwendungen den Zeitaufwand der Menschen zu optimieren. Das Entwicklerteam könnte sich also darauf fokussieren, die zeitaufwändige Wartung effizienter zu gestalten. Vor diesem Hintergrund könnte ein Fahrzeugsystem entwickelt werden, das automatisch Wartungen bei registrierten Händlern bucht und terminiert, oder Ersatzteile im Voraus bestellt, um Probleme in der Lieferkette zu vermeiden.

Hyperpersonalisierung durch KI und Big Data

Um ein besseren Fahrerlebnis bieten zu können, muss man den Kunden im Detail kennen. Moderne Fahrzeuge bieten eine Fülle von Analysemöglichkeiten, die dabei helfen können, das Fahr- und Nutzungsverhalten einer Person zu verstehen. Kennt man dieses persönliche Muster, lassen sich darauf basierend neue Services gestalten, die einen echten Mehrwert bieten.

Die Möglichkeit, ein mobiles Gerät mit dem Fahrzeug zu verbinden, hilft bei der Erstellung einzigartiger Fahrerprofile. Eine einfache Form der Personalisierung besteht darin, die Standortdaten des Mobiltelefons zu nutzen, um dem Fahrer beispielsweise Restaurants oder Geschäfte in der Nähe zu empfehlen. Je mehr spezifische Kundendaten gesammelt werden können, desto personalisierter und nützlicher können die Dienste sein. Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz ermöglichen eine Hyperpersonalisierung der Customer Experience. ChatGPT und andere Sprachmodelle können in diesem Zusammenhang sehr nützlich sein, z. B. bei der Entwicklung virtueller Fahrzeugassistenten.

Während die Vorteile der Personalisierung sowohl für Kunden als auch für Unternehmen beträchtlich sind, ist das Sammeln von Daten noch immer ein heikles Thema. Die Customer Data Survey von Publicis Sapient hat ergeben, dass 44 Prozent der Verbraucher nicht bereit sind, ihre Daten an Unternehmen weiterzugeben. Daher gilt es, Maßnahmen zu ergriffen, damit Kunden zum Teilen ihrer persönlichen Daten bereit sind. Die Studie von Publicis Sapient hat identifiziert, worauf es Kunden in diesem Kontext ankommt.

  • 51 Prozent der Befragten wünschen sich, dass Unternehmen transparent erklären, wie ihre Daten verwendet werden.
  • 53 Prozent wollen jederzeit die Möglichkeit haben, die Weitergabe ihrer Daten zu unterbinden.
  • 46 Prozent betonen, wie wichtig es ist, dass Unternehmen die Datenschutzgesetze und -vorschriften einhalten.

OEMs müssen diese Anforderungen berücksichtigen und klar kommunizieren, um den Kunden mögliche Ängste zu nehmen. Die zunehmende Konnektivität ermöglicht zwar bessere und individuellere Dienstleistungen, erhöht aber auch die Notwendigkeit, die gesammelten Daten zu schützen. Wenn die Kunden den Mehrwert erkennen, den sie durch die Weitergabe ihrer Daten erhalten, werden sie eher dazu bereit sein.

Cybersicherheit als Fundament der digitalen Transformation

Moderne Fahrzeuge sind zunehmend softwaregesteuert - von einfachen Anzeigen im Armaturenbrett bis hin zu hoch entwickelten autonomen Fahrsystemen. Digitale Werkzeuge führen zu einem Anstieg der Datenmenge im Fahrzeugsystem, was wiederum einen Bedarf an effektiverer Cybersicherheit nach sich zieht. Die Fortschritte in der Fahrzeugtechnologie setzen einen Teufelskreis in Gang: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Hersteller immer mehr digitale Werkzeuge in ihre Fahrzeuge integrieren. Damit gehen erhöhte Sicherheitsrisiken einher, etwa bei der Übertragung personenbezogener Daten. Auch wenn der Fokus eines Unternehmens nicht explizit auf Personalisierung oder verbesserter Konnektivität liegt, muss die Gewährleistung umfassender Datenschutzmaßnahmen Priorität haben. Datenschutz und Cybersicherheit können wesentlich dazu beitragen, das Vertrauen der Kunden in ein Unternehmen zu stärken und damit die Kundenbindung und den CLV zu verbessern.

Gesundheit und Wohlbefinden als Instrument zur Kundenbindung

Ein weiterer Ansatz zur Verbesserung des CLV ist die Konzentration auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Fahrzeugnutzer. Beide Themen gewinnen in vielen Branchen zunehmend an Bedeutung. Für die Automobilhersteller gibt es hier keine „Best Practice“. Hinsichtlich der Funktionalität im Fahrzeug handelt es sich um eine Nische, die noch relativ unerforscht ist. Genau hier liegt die Chance für OEMs, sich als Innovatoren zu positionieren und mit außergewöhnlichen Services beim Kunden zu punkten.

Wie bei anderen Strategien zur Optimierung des CLV gilt auch hier: Je mehr über den einzelnen Fahrer bekannt ist, desto mehr Mehrwert können neue Funktionen bieten. Im Falle von Gesundheits- und Wohlfühlfunktionen können detaillierte Nutzerdaten helfen, eine personalisierte Umgebung im Fahrzeug zu schaffen. Auf Basis der individuellen Präferenzen könnten beispielsweise die Umgebungsbeleuchtung angepasst, Technologien zur Lärmreduzierung eingesetzt oder andere auf das Wohlbefinden ausgerichtete Dienste im Fahrzeug etabliert werden. OEMs können auch Funktionen integrieren, die den Fahrer in Notsituationen erkennen, z. B. Herzschlagsensoren, die im Notfall den Rettungsdienst alarmieren und andere Fahrer warnen, um Verkehrsunfälle zu vermeiden.

Aufbruch in die Kreislaufwirtschaft

Um langfristige Kundenbeziehungen aufrechtzuerhalten und nachhaltige Werte zu schaffen, müssen die Hersteller die Nutzungsdauer der Fahrzeuge maximieren. Dies kann durch den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft erreicht werden. Die Kreislaufwirtschaft bezieht sich auf die gemeinsame Nutzung, das Leasing, die Wiederverwendung, die Reparatur, die Aufarbeitung und das Recycling vorhandener Materialien und Produkte (in diesem Fall Fahrzeuge) über einen möglichst langen Zeitraum. OEMs können ihr Angebot durch In-Car-Services und zusätzliche Dienstleistungen wie Abonnements diversifizieren. Damit sichern sie ihren Fokus auf den langfristigen Kundennutzen und fördern das Wachstum.

Ein potenzielles Abonnementmodell ist beispielsweise ein stadtweiter Mobilitätsdienst, der es Kunden ermöglicht, bestimmte Fahrzeuge nach Bedarf zu nutzen. Dieser Ansatz eignet sich besonders für Stadtzentren, in denen eine große Auswahl an Fahrzeugen und Abholstationen zur Verfügung steht. Abonnementdienste bieten zahlreiche Vorteile und entsprechen den heutigen Mobilitätsbedürfnissen. Die Kreislaufwirtschaft trägt dem Thema Nachhaltigkeit Rechnung, das für die Menschen immer wichtiger wird. Sie sind sich ihrer Umweltauswirkungen und ihres Ressourcenverbrauchs bewusster als je zuvor. Der Einstieg in die Kreislaufwirtschaft erfordert von den Herstellern die Zusammenarbeit mit anderen Branchen. Zur Förderung des kollaborativen Konsums, zur Ansprache umweltbewusster Kunden und zur Verbesserung des CLV gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie z.B. das Angebot von Fahrzeug-Recyclingprogrammen oder die Verwendung von wiederaufbereiteten Komponenten.

Umdenken für das KI-Zeitalter

Verbraucher sehen personalisierte Erlebnisse und digitale Services nicht mehr als „nice-to-have“, sondern als Notwendigkeit. Dieser Anspruch wirkt sich zunehmend auch auf die Automobilindustrie aus, denn die Neuwagenverkäufe stagnieren und die Kunden wünschen sich mehr digitalen Komfort und Flexibilität. Ein Umdenken der OEMs ist unabdingbar, um den Customer Lifetime Value zu maximieren. Wer Kundenbindung und Markentreue nachhaltig verbessern will, muss schnell Mehrwert schaffen - ohne Kompromisse beim Kundenversprechen. KI ist dafür ein mächtiges Werkzeug. Und datenbasierte Erkenntnisse sind der Schlüssel zum Erfolg.

Autoren:

  • Markus Zahn, Associate Managing Director, Management Consulting, beim Beratungshaus Publicis Sapient
  • Nelson Pereira, Group Vice President and Managing Partner, Publicis Sapient