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OLG Frankfurt: Internet-Datenerhebung von Minderjährigen wettbewerbswidrig

Ist die Online-Erhebung von personenbezogenen Daten Minderjähriger erlaubt? Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
Martin Bahr | 20.08.2005

Das OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 30.06.2005 - Az.: 6 U 168/04) hatte darüber zu entscheiden, ob personenbezogene Daten von Minderjährigen im Internet erhoben werden dürfen.

Die Beklagte, ein bekannter Autokonzern, bot Kindern im Alter zwischen 3 und 12 Jahren an, einem Online-Club beizutreten. Dafür mussten die Kinder mehrere Fragen beantworten (Name, Hobbies, Name der Eltern usw.), ohne Einwilligung oder Kenntnis der Eltern. Clubmitglieder erhielten u.a. Vergünstigungen in ausgewählten Freizeitparks und wurden zu Freizeitveranstaltungen wie beispielsweise Showprogrammen, Mini-Playback-Shows, Kinderpartys, Konzerten und Autogrammstunden eingeladen, die von der Beklagten organisiert oder mitorganisiert wurden.

Die Klägerin, die Verbraucherzentrale Bundesverband, sah darin eine Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit von Kinder und Jugendlichen und somit einen Verstoß gegen § 4 Nr.2 UWG.

Diese Ansicht haben die Frankfurter Richter bejaht:

"Die Erhebung von Daten bei Kindern ist nicht stets und ohne weiteres als unlauter anzusehen (...). Zu berücksichtigen ist aber, daß für Kinder und insbesondere für Kinder im Vorschul- und Grundschulalter die mit der Preisgabe persönlicher Daten verbundenen Nachteile und der Zusammenhang zwischen Datenerhebung und Werbestrategien kaum erkennbar sind (...)

Im vorliegenden Fall wendet sich die Beklagte an Kinder im Alter bis zu 12 Jahren und erfaßt damit gerade auch Kinder in einer Lebensphase, in der sie einerseits geschäftlich noch fast völlig unerfahren sind und andererseits schon ihre ersten eigenen Erkundungen im Internet unternehmen.

Dabei liegt es für die Beklagte nicht von vornherein nahe, im Zusammenhang mit ihren Werbebemühungen Kinder direkt anzusprechen, da das Produktangebot der Beklagten für Erwachsene bestimmt ist. Des weiteren sieht die Beklagte in ihrem Anmeldeformular keine Zustimmung der Eltern vor und stellt auch nicht auf andere Weise sicher, daß die Eltern bei der Entscheidung für den Clubbeitritt beteiligt werden.

Die Beklagte wirkt somit auf eine Clubmitgliedschaft hin, die ohne Einschaltung der Eltern zustande kommt, und die die Voraussetzungen für gezielte Einladungen zu Veranstaltungen schafft, die den Kindern attraktiv erscheinen mögen, die aber zugleich auf die Ermnöglichung einer weiblichen Beeinflussung ausgerichtet sind."

Auch wenn § 28 Abs.1 BDSG aufgrund der Clubmitgliedschaft die Erfassung von personenbezogenen Daten erlaube, lägen hier besondere Umstände vor:

"Die Einschätzung der Datenerhebung als unlauter (...) steht nicht in einem Wertungswiderspruch zu den Vorschriften des BDSG. Der Senat hält, abweichend von der Einschätzung des Landgerichts, die Erhebung der jetzt noch im Streit stehenden Daten nicht für zulässig gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BDSG. (...)

Nach § 28 Abs. 1 Nr.2 BDSG ist die Zulässigkeit der Datenerhebung von einer Interessenabwägung abhängig. Die Vorschrift kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, weil hier die Datenschutzinteressen des Minderjährigen, der eine letztlich zu Marketingzwecken dienende Vereinbarung ohne Mitwirkung seiner Eltern abgeschlossen hat, gegenüber den Interessen der Beklagten den Vorrang haben. (...)

Die in § 28 Abs. 1 BDSG getroffene Regelung findet ihre Rechtfertigung darin, daß der Betroffene eine autonome Entscheidung für einen Vertragsabschluß (oder die Begründung eines Vertrauensverhältnisses) getroffen hat, womit er zugleich auch sein informationelles Selbstbestimmungsrecht ausgeübt hat.

Ist der Betroffene beschränkt geschäftsfähig, ohne bereits über die in Belangen des Datenschutzes erforderliche Einsichtsfähigkeit zu verfügen, kann § 28 Abs. 1 BDSG jedenfalls dann keine uneingeschränkte Anwendung finden, wenn es zudem um eine Vereinbarung geht, mit der die datenerhebende Stelle (auch) Werbezwecke verfolgt (...)

In einem solchen Fall bedarf es vielmehr ebenfalls einer Interessenabwägung, die die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen und den Vertragszweck einbezieht. Diese Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall wiederum zu dem Ergebnis, daß die Datenschutzinteressen des Minderjährigen die Interessen der Beklagten überwiegen."
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