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David Crystal: Yahoo und Google machen keine Fortschritte beim semantischen Web

Experten widersprechen dem britischen Sprachwissenschaftler
Gunnar Sohn | 25.09.2007
Düsseldorf/Bonn - David Crystal, Sprachwissenschaftler und Herausgeber der „Cambridge Encyclopedia of the English Language“, hat ein System entwickelt, das den Inhalt einer Internetseite versteht und in Zusammenhängen einordnen kann. Im Interview mit der FAZ www.faz.net erläuterte er seine Zukunftspläne: „Im Jahr 2000 haben wir das Unternehmen Crystal Reference gegründet, und in den ersten fünf Jahren des neuen Jahrtausends haben wir die Klassifikation auf möglichst viele Anwendungsgebiete erweitert“. Anfang 2006 wurde sein Unternehmen dann von Ad Pepper www.adpepper.com übernommen. Man ließ keine Zweifel aufkommen, dass die Firmenstrategie sich auf die Online-Werbung konzentrieren solle. „Seitdem entwickeln wir das ganze Konzept in diese Richtung. Daraus entstand das Produkt iSense, das garantiert, dass die Werbung nur auf den gewünschten Plätzen erscheint und gefährliche oder sensible Inhalte wie Kriminalität, Erotik oder extremistische Inhalte gemieden werden“, so Crystal gegenüber der FAZ. Das deutsche Online-Werbeunternehmen Ad Pepper wird die Technik auf der Düsseldorfer Online-Messe OMD erstmals zeigen.

Crystal habe viel Zeit damit verbraucht, Google und Yahoo zu erklären, was man mit der Entwicklung wirklich machen könne: „Aber die hatten kein Interesse daran, weil sie schon zu viel Geld in ihre eigenen Systeme entwickelt hatten - obwohl sie wussten, dass sie nicht besonders gut funktionieren. Schauen Sie sich Youtube an. Dort gibt es Diskussionsforen, in denen die Menschen sehr genau sagen, für welche Themen sie sich interessieren. Daneben wird Werbung eingeblendet, meist von Google. Nur in einem von hundert Fällen passt die Werbung zu dem Thema, über das die Menschen hauptsächlich diskutieren“. Google habe inzwischen gemerkt, dass sie sich in Richtung der Semantik bewegen müssen. „Sie haben auch ein oder zwei Unternehmen übernommen, aber bisher habe ich bei Google keine Fortschritte in dieser Richtung feststellen können“, glaubt der Sprachexperte.

Es funktioniere nicht, weil Google vollkommen auf Algorithmen vertraut, die den Menschen völlig außen vor lassen, die essentiell für sein System sein. „Wir sind das einzige Unternehmen, das über diesen Datenbestand verfügt. Google hat sich nicht die Mühe gemacht, einen solchen Datenbestand aufzubauen, Yahoo übrigens auch nicht. Natürlich kann die semantische Suche dann nicht funktionieren. Google müsste nur unsere Daten nutzen, dann würden die Suchergebnisse sofort besser. Aber ich erwarte nicht, dass Google das einsieht“, so Crystal.


Nach Ansicht von Bernhard Steimel, Mitinitiator des Bonner Fachkongresses Voice Days www.voicedays.de, unterschätze Crystal die beiden Suchmaschinenanbieter. „Sein Konzept ist nur ein kleiner Mosaikstein für das Internet der Zukunft. Zur Schlüsseltechnologie für das semantische zähle ich Systeme, die auch Sprache erkennen und Texte in Sprache umsetzen. Denn wenn Texte in menschlicher Qualität ‚vorgelesen' werden sollen, muss die Maschine Verständnis der zu lesenden Texte und ihrer Struktur ebenso wie ihrer Bedeutung haben", so Steimel. Und hier müssten sich Google und Yahoo nicht verstecken, bemerkt William S. Meisel, Herausgeber der Speech Strategy News www.tmaa.com/sru/index.htm, in einem Beitrag für die Herbstausgabe des Wirtschaftsmagazins NeueNachricht www.neuenachricht.de.

Google biete in den USA schon einen kostenfreien experimentellen Sprachservice unter dem Namen „Google Voice Local Search“ an. Unter der Nummer 1-800-GOOG-411 könne man den Namen eines Unternehmens oder einer Unternehmensbranche in allen Teilen der USA anfragen. „Das erfolgt nach der Eingabeaufforderung. Man kann Stadt und Bundesstaat oder wahlweise die Postleitzahl in einem Satz nennen: Nachdem der Anrufer einen Eintrag gewählt hat, hat er in nächster Instanz die Möglichkeit, den Anruf direkt zu tätigen. Google erhebt für die Bereitstellung dieses Services weder eine Gebühr noch verknüpft es damit einen Werbeauftritt“, erklärt Meisel.

Das lokale Suchsystem sei vollständig automatisiert und basiert auf dem Spracherkennungssystem in Englisch. Es liefere die gleichen lokalen Geschäftsinformationen wie Google Maps. „Die Ergebnisse werden über das Text-to-Speech-System wiedergegeben und können zudem als SMS auf den Mobiltelefonen abgerufen werden. Weitere Eingabeoptionen sind: ‚Gehe zurück’ zur Korrektur/Neueingabe von Stadt und Bundesstaat oder Unternehmen und Branche; ‚mehr Ergebnisse’ im Anschluss an eine Branchensuche; ‚Textansage’ für die Ansage von Suchergebnissen beim Anruf vom Mobiltelefon; ‚nähere Details’ für weiterführende Informationen zum aktuellen Eintrag und ‚Neustart’ zur Rückkehr ins Hauptmenü.

In seiner programmatischen Rede bei der Speech TEK-Konferenz in New York untermauerte Mike Cohen, Manager der Speech Technology Group bei Google, das Interesse und das aktuelle Angebot seines Unternehmens für die automatische Spracherkennung. Google habe sich für die Sprachtechnologie entschieden, so Cohen in New York, weil Informationen weltweit organisiert werden müssen. Sie müssen leicht zugänglich und leicht recherchierbar sein. Ferner betonte er, dass eine große Anzahl von Informationen in der Welt gesprochene Informationen sind und daher zum Aufgabenprofil seines Unternehmens zählen. Hierzu gehören auch die Audio-Angebote, die sich immer stärker im Internet ausbreiten. Einen weiteren Schwerpunkt seiner Rede legte Cohen auf das Marktpotenzial der Dialogsysteme für mobile Endgeräte und hob besonders die experimentelle Business Directory 800-GOOG-411 hervor.

Ein Beispiel wäre das Ausfindigmachen eines Lebensmittelladens während der Autofahrt. „Um den Nutzwert des mobilen Endgerätes zu steigern und die wichtigsten Informationen schnell und einfach liefern zu können, ist es besonders wichtig, dass die Anwendung kontextuell, lokalisiert und personenbezogen ist“, kommentiert Meisel die Google-Planungen.

Dem automatischen Sprachsystem komme dabei die Aufgabe zu, Informationen auf einem kleinen mobilen Gerät zugänglicher zu machen und darüber hinaus eine freihändige und blickfreie Option zu liefern. „Die Nutzererfahrung zu vereinfachen, ist selbst im Web von Bedeutung und Google ist bekannt für das knappe Interface seiner Suchfunktionen. Bei mobilen Geräten ist das Streamlining von noch größerer Bedeutung, besonders dann, wenn die Interaktion komplett von einem Sprachsystem getragen wird, da die Sprachausgabe als Serie verläuft und langsamer als eine Textmitteilung ist“, so Meisel.

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Über Gunnar Sohn

Gunnar Sohn ist Freiberufler und u.a. Wirtschaftspublizist, Buchautor, Blogger, Medienberater, Moderator und Kolumnist.