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VOICE Days plus 2009: Kai Czeschlik über die Balance zwischen Mensch und Maschine

Kai Czeschlik, VP Customer Service, Telefonica O2 und Bernhard Steimel, Programm-Verantwortlicher des Kongresses der VOICE Days plus 2009
NürnbergMesse | 21.08.2009
Das Mobilfunkunternehmen O2 hat jüngst mit seiner Kampagne „Wir schicken den Roboter in den Ruhestand“ für Aufsehen gesorgt, weil es als serviceorientiertes Unternehmen wieder auf die persönliche Betreuung in der Telefonhotline setzt. Während des Strategietages des Fachkongresses der VOICE Days plus 2009, am 6. Oktober in Nürnberg, wird Kai Czeschlik, VP Customer Service, Telefonica O2, mit Vertretern der Deutschen Bank und Perry & Knorr diskutieren, welche Lösung die bessere ist: Sprachcomputer oder persönliche Betreuung durch einen Kundenberater. In einem exklusiven Interview sprach er im Vorfeld der Veranstaltung mit Bernhard Steimel, Programm-Verantwortlicher des Kongresses, über die Balance zwischen Mensch und Maschine und vieles mehr.

Bernhard Steimel: Warum spricht jeder in der Branche über Customer Experience und was ist die aktuelle Situation, was passiert gerade im Mobilfunk? Wie fühlt sich eigentlich der Kunde im Mobilfunk?

Kai Czeschlik: Ich als Kunde würde sagen, dass ich mich in den letzten zehn Jahren nicht ernst genommen gefühlt habe. Jeder Mobilfunkanbieter – egal ob die großen vier, oder die kleineren und die Billiganbieter, die nach wie vor aus dem Boden schießen – jeder sagt: Ich habe das beste Angebot. Und in dem Tarifdschungel findet sich niemand mehr zurecht.
Wenn man das Ansehen der Mobilfunkanbieter aus Kundensicht betrachtet, sind sie hinter Inkassounternehmen weit abgeschlagen, weil das Vertrauen beim Thema Mobilfunk fehlt.
Wir sind das Unternehmen, das das Leben seiner Kunden erleichtert und gewinnen so das Vertrauen, das bislang nie vorhanden war.
Tatsächlich geht es darum, das Vertrauen zurückzugewinnen und den Kunden glaubhaft zu vermitteln, dass sich gerade etwas verändert.
Es geht uns aber auch darum, das Leben des Kunden einfacher zu machen.

Was macht O2, um das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen, aufzubauen und das Leben ihrer Kunden einfacher zu machen?

Kai Czeschlik: Beispielsweise haben wir mit O2 o eine neue Lösung von Kunden für Kunden auf den Markt gebracht. Wir haben monatelang intensiv Kunden über deren ganzheitliche Erlebnisse mit O2 befragt; über alle Kontaktpunkte haben wir Zielerfahrungen unserer Kunden entwickelt.
Die Lösung war O2 o mit einer klaren Tarifstruktur. Diese haben wir von 32 auf 3 Tarife verschlankt. Kein Kunde versteht, dass er nur zu dieser oder jener Zeit in dieses oder jenes Netz telefonieren darf, oder dass er nur 100 SMS versenden kann und es danach richtig teuer wird. Wir wollten keine Sternchentexte in unseren Verträgen, sondern eine clevere und einfache Struktur. Mit O2 o ist uns dies als erstem Mobilfunkanbieter gelungen.
Ziel war es, dass der Kunde gar nicht an uns denkt und so ist auch unser Claim entstanden: „Damit Sie beim Telefonieren nicht an das Telefonieren denken“. Also, dass der Kunde nicht darüber nachdenken muss, ob er jetzt schon zehn Minuten telefoniert, ob es gerade der Tages- oder Nachttarif ist und ob er sich das Gespräch überhaupt leisten kann. Wir möchten dem Kunden Sicherheit geben.

Können Sie noch detaillierter den Ausgangspunkt dieser Überlegungen darlegen? Es handelt sich offensichtlich um mehr als nur eine Kampagne, das ist eine neue Denkweise. Was also war der Ausgangspunkt und welche Schritte haben zu der aktuellen Strategie geführt?

Kai Czeschlik: Der Ausgangspunkt ist relativ einfach beschrieben und führt auch zurück zu den Marktgegebenheiten, aus denen wir kommen. Der deutsche Mobilfunkmarkt ist aufgeteilt unter den vier großen Anbietern, unter denen O2 der kleinste ist, und ein Prozentsatz X ist aufgeteilt unter den Billiganbietern.
Wir sprechen also nicht mehr davon, einen Neukunden im Sinne des Mobilfunk-Business zu gewinnen. Den tatsächlichen Neukunden gibt es eigentlich gar nicht (…). Wir wissen, dass wir unsere Kunden nur von unseren Wettbewerbern gewinnen können, also gilt es alles zu tun, um für diese Kunden nachhaltig attraktiv zu sein.

[…]

Wie definieren Sie eigentlich Ihre eigene Rolle, manche Experten meinen, der Customer Service sei am Ende der Nahrungskette. Soll heißen, das Produkt wird entwickelt, vom Marketing in Umlauf gebracht und am Ende des Tages haben Sie die Arbeit damit. War das wirklich so, hat es sich verändert und wenn ja, was haben Sie getan, damit es sich verändert?

Kai Czeschlik: Bis vor zwei Jahren war es tatsächlich so. Customer Service stand am Ende der Nahrungskette und war nichts anderes, als Umsetzer und „Ausputzer“. Dabei meine ich das nicht despektierlich, wir hatten einfach die Rolle der Feuerwehr, die hinten ausgelöffelt hat, was vorne „eingebrockt“ wurde, und zwar egal in welchem Bereich, ob auf Produkt-, Tarif- oder Kommunikationsebene. Natürlich auch bei der Technik, als Beispiel die Netzwerktechnik.
Als ich vor zwei Jahren die Verantwortung in dem Bereich übernommen habe, war dies aber nicht die Rolle, wie ich mich und auch mein Team gesehen habe. Zielsetzung war uns weiter zu entwickeln, vom „Feuerwehrmann“ hin zum „Anwalt des Kunden“, der wir heute sind. Wir müssen zudem viel stärker auch Berater werden, der beispielsweise sagt, was in eine Produktentwicklung einfließen muss, der auf die Stringenz von Prozessen oder auf deren end-to-end Verantwortung schaut und bei allem was passiert, darauf achtet, wie sich der Kunde dabei fühlt.
Wir müssen unsere Erfahrung viel stärker bei der Produkt-, Tarif- und Kampagnenplanung einbringen. Für unser Unternehmen war das ein Kulturschock, weil es in der Vergangenheit anders getickt hat. Es hat aber gut funktioniert, da wir gemeinsam mit den Kollegen Lösungen geschaffen haben und sie gemerkt haben, dass die Qualität plötzlich besser wurde. Was wir betreiben ist, Kundenfeedback aktiv zur Verbesserung von Produkten, Systemen und Prozessen ins Unternehmen zu tragen. Final war es dann so, dass wir auf einmal gemeinsam mit der Telekom beim Thema Service immer auf den Plätzen 1 und 2 gerankt wurden. Unsere Prozesse aber waren teilweise noch intransparent und auch daran haben wir erfolgreich gearbeitet.

[…]

Zum Schluss nun die Frage nach der Balance zwischen Mensch und Maschine, frei nach Ihrem Motto: „Wir schicken den Roboter nicht in den Urlaub sondern in den Ruhestand“. Es stellt sich die Frage, ob O2 das tatsächlich tut und falls nein, ob dies dann nicht eine Mogelpackung war.

Kai Czeschlik: Technik zur Gesprächsunterstützung ist kein Teufelswerk, ganz im Gegenteil. Unterstützend sind diese Technologien extrem wertvoll und wir nutzen sie auch, etwa für intelligente Routingszenarien. Wir haben aber festgestellt, dass unsere Kunden den persönlichen Kontakt wollen. Auf dem Portal ist es beispielsweise so, dass es natürlich Kunden gibt, die darüber alles abwickeln, aber es gibt eben auch Kunden, die dieses Instrument ausschließlich zur Informationsbeschaffung nutzen und immer dann, wenn es um Abschlüsse oder ähnliches geht, möchten sie mit einem Menschen vis-a-vis oder zumindest am Telefon sprechen. Die Selfservices werden zwar vom Kunden angenommen, wir möchten es ihm jedoch nicht aufzwängen. Also haben wir gesagt: Wir schicken die Maschinen in den Ruhestand. Natürlich haben wir noch gewisse IVR-Features im Einsatz, die uns helfen, den Kunden zu erkennen und über Rufnummernübermittlung weiter zu routen. Wir nutzen also die Technik im Hintergrund, für unseren Kunden ist es aber nicht mehr nachvollziehbar.

Sie nutzen es also zur Vorqualifizierung.

Kai Czeschlik: Genau. Jedoch nicht zur kundenunterstützten, sondern zur automatischen Vorqualifizierung. Wir schicken den Kunden nicht mehr durch die IVR-Menüs, egal ob es Computerstimmen oder menschliche Stimmen sind, das spielt für uns keine Rolle. Wir wollen den direkten Kontakt zum Menschen, was von unseren Kunden auch gut angenommen wird. Trotzdem haben wir ein Selfservice- und ein IVR-Portal, dort können die Kunden ihre Änderungen vornehmen, wenn sie es möchten. Also wenn sie Affinität dazu mitbringen und es bewusst entscheiden. Wir möchten dem Kunden die Mündigkeit geben zu entscheiden: Mensch, oder nicht Mensch.

Ist das auch eine wirtschaftliche Entscheidung? Wenn ich als Kunde auf dem Serviceportal anrufe, ist das günstiger als ein Anruf bei der Hotline?

Kai Czeschlik: Nein.

Muss ich unterschiedliche Rufnummern anwählen?

Kai Czeschlik: Ja. Die 1414 ist die Selfservice-Rufnummer, auf der es keine Warteschleifen gibt und der Kunde jederzeit durchkommt. Auf dem Sprachportal macht der Kunde gewisse Dinge selbst. Im schlimmsten Fall muss man mit einer kurzen Wartezeit rechnen, wenn man mit einem Menschen sprechen möchte. Aber wie gesagt, wir möchten den Kunden entscheiden lassen.

Das sollten wir als Schlusswort stehen lassen. Danke für das Gespräch.

ACHTUNG!!! Das ausführliche Interview mit weiteren Informationen zu den Impulsgebern für die Kampagne, Kundenfeedback und was sich hinter einem „Customer-Experience-Trail“ verbirgt, finden Sie unter: www.voicedays.com/presse sowie im Anhang.

Weitere Infos zu den VOICE Days plus 2009 und den Kongressinhalten sowie ein Foto und die Kurzvita von Kai Czeschlik im Internet unter: www.voicedays.com

Die VOICE Days plus werden in diesem Jahr von folgenden Goldsponsoren unterstützt: Deutsche Telekom und CreaLog.