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BGH: Sperrpflicht von Webseiten möglich

Timo Schutt | 04.12.2015
Der Bundesgerichtshof hatte zwei Fälle zur Entscheidung auf dem Tisch, in denen es um hoch interessante Fragen ging:

1. Ist der Zugangs-Provider Störer hinsichtlich rechtswidriger Webseiten, die sein Kunde anschauen kann?

2. Wenn ja, kann der Zugangs-Provider verpflichtet werden den Zugang zu solchen Webseiten für seine Kunden zu sperren?

3. Wenn ja, unter welchen Umständen kann der Zugangs-Provider dazu verpflichtet
werden?

In einem der Verfahren klagte die GEMA gegen die Deutsche Telekom AG. Es ging um eine Webseite, die ausschließlich Links auf urheberrechtverletzende Dateien zum Download enthielt.

Die GEMA argumentierte, die Telekom hafte als Störer und müsse den Zugang zu der Webseite für seine Kunden sperren, da ohne die Zugangsvermittlung die Rechtsverletzungen nicht möglich wären.

Im Ergebnis hat der BGH zwar beide Klagen abgewiesen, aber er hat in den Entscheidungsgründen klargestellt, dass dies nur deshalb geschehen ist, weil die beiden Kläger jeweils zu wenig unternommen hatten, um zunächst den tatsächlichen Betreiber der Webseite ausfindig zu machen und in Anspruch zu nehmen. Grundsätzlich aber sei der Zugangsvermittler, also in dem einen Fall die Deutsche Telekom, aber als Störer anzugsehen und könnte daher auch grundsätzlich zur Sperrung solcher Seiten verpflichtet werden.

Die Störerhaftung eines solchen Unternehmens, das den Zugang zum Internet vermittelt, komme aber nur dann in Betracht, so die Karlsruher Richter, wenn der Inhaber verletzter Urheberrechte zunächst zumutbare Anstrengungen unternommen hat, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die die Rechtsverletzung selbst begangen haben (also etwa den oder die Betreiber der betreffenden Webseite) oder zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben (z.B. Host-Provider).

Erst wenn die Inanspruchnahme dieser Beteiligten scheitert oder insoweit keinerlei Erfolgsaussichten bestehen und damit andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde, ist die Inanspruchnahme des Zugangs-Providers als Störer zumutbar. Denn Betreiber und Host-Provider sind wesentlich näher an der Rechtsverletzung als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittelt. Bei der Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten hat der Rechtsinhaber in zumutbarem Umfang - etwa durch Beauftragung einer Detektei, eines Unternehmens, das Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführt, oder Einschaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden - Nachforschungen vorzunehmen.

(Bundesgerichtshof, Urteile vom 26.11.2015, I ZR 3/14 und I ZR 174/14)

Unsere Meinung

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Timo Schutt zu diesen Urteilen:

„Erstmals wurde damit – obwohl die Klagen auf die Sperrung der Seiten letztlich gescheitert sind – höchstrichterlich festgestellt, dass und unter welchen Umständen tatsächlich auch der reine Vermittler des Zugangs zum Internet für Inhalte des Internets als Störer haften kann.

Das bedeutet für alle die – wie auch immer – Dienstleistungen erbringen, die die Kenntnisnahme und Nutzung von Inhalten im Internet erst ermöglichen oder diese zumindest erleichtern am Ende des Tages selbst haften können. Das wiederum muss zu erhöhter Aufmerksamkeit bei der Kenntnisgabe solcher rechtswidriger Inhalte führen. Denn ab dem Zeitpunkt positiver Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten muss grundsätzlich gehandelt werden.

Hier kommt dann aber hinzu, dass der Provider noch vorab klären muss, was der Anspruchsteller bereits unternommen hat, um denjenigen, der an der Rechtsverletzung „näher dran“ ist ausfindig zu machen. Auch hier sitzt der Provider, wie der Störer so oft, zwischen zwei Stühlen. Sperrt er die Webseite nämlich zu Unrecht, kann der Betreiber derselben wiederum Ansprüche gegen den Provider haben.

Also alles in allem eine sehr undankbare Aufgabe für die Zugangs-Provider, der sie sich aber stellen und Infrastruktur und Personal auf solche Ansprüche einrichten müssen.“

Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht