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Corporate Purpose: Wirtschaft neu denken

Wirtschaft im Wandel: Best Practices, die zeigen, wie erfolgreich ein Corporate Purpose wirken kann und wie dieser den Unternehmenswert steigern kann.
Annette Bruce | 20.07.2020
Corporate Purpose: Wirtschaft neu denken © Pixabay / Arek Socha
 

Wirtschaft im Wandel

Unser Wertesystem ist im Wandel. Themen wie Nachhaltigkeit, Verantwortung und Fairness nehmen derzeit bei Kunden und Konsumenten rapide an Bedeutung zu. Die großen Probleme der Welt sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Spätestens seit unsere Jugend mit Fridays for Future mehr Verantwortung für ihre Zukunft von allen Akteuren fordert, kann sich kein Mensch und auch kein Unternehmen dem Thema verschließen. Umsatzrekorde, Marktanteilsgewinne und zufriedene Aktionäre allein sind keine ausreichenden Unternehmensziele mehr. Menschen gehen gesellschaftliche Probleme wieder lauter an, wie aktuell z. B. die Bewegung „Black Lives Matter“ eindrucksvoll zeigt.

 

Dieser Wandel kommt bei immer mehr Akteuren der Wirtschaft an oder wird von ihnen selbst getrieben. Gründer bringen mit neuen Geschäftsideen „Social“ und „Business“ in Einklang. Etablierte Unternehmen stoßen Transformationen und Weiterentwicklungen an. Sogar Finanzinvestoren kehren dem Mantra des Shareholder Value den Rücken und fordern von Unternehmen, Nutzen für all ihre Stakeholder zu schaffen.

Corporate Purpose ist kein Ablasshandel

Der Begriff bzw. das Konzept „Corporate Purpose“ bildet genau diese Entwicklungen ab und will sie für Unternehmen als Orientierungsinstrument nutzbar machen. Das genaue Verständnis des Begriffs wird allerdings unterschiedlich ausgelegt. Um den dargestellten Ansprüchen gerecht zu werden, lautet unsere Definition:

„Corporate Purpose ist der höhere Zweck eines Unternehmens, der über die alleinige Gewinnorientierung hinausgeht. Das Ziel ist dabei die Definition und Einlösung eines langfristig Mehrwert-schaffenden Versprechens, entweder im lokalen Umfeld des Unternehmens oder dem globalen Marktumfeld, das in direktem Zusammenhang mit der Wertschöpfung steht.“

Corporate Purpose ist somit eine Unternehmensphilosophie, ein Führungs- und Steuerungsinstrument für die gesamten Aktivitäten eines Unternehmens. Corporate Purpose ist der Nordstern, der dem Unternehmen seine Richtung gibt und entlang dessen alle Entscheidungen getroffen werden. In Summe ist ein Corporate Purpose die formulierte Übernahme von Verantwortung für wirtschaftliches Tun im Umfeld aller Stakeholder, Nutzer und auch Nicht-Nutzer der vom Unternehmen erbrachten Leistung.

Besonders entscheidend sind dabei zwei Aspekte. Zum einen die Nutzenstiftung für das Gemeinwohl, die die Profitziele des Unternehmens ergänzt. Zum anderen die Einbindung der gemeinwohl-orientierten Aktivitäten in die Wertschöpfungskette bzw. das Geschäftsmodell. Letzteres ist eine wichtige Unterscheidung zum Bereich CSR, der in der Regel abgekoppelt vom Wirtschaften eines Unternehmens ist. CSR-Engagements sind oft in Gefahr, wenn die Profitabilität sinkt und gespart werden muss, während ein Corporate Purpose gerade in Krisenzeiten dem Unternehmen Orientierung und Inspiration für das Krisenmanagement geben kann.

Wirtschaft neu denken

Als das Thema Corporate Purpose aufkam, haben viele Unternehmen sich ein wohlklingendes Purpose-Statement ausgedacht, um die Früchte des neuen Konzeptes zu ernten. Das mag marketingtechnisch in dem einen oder anderen Fall ganz gut funktionieren, aber mit einem echten Corporate Purpose hat das wenig zu tun.

Es gibt jedoch schon viele Fälle, die zeigen, wie erfolgreich ein Corporate Purpose im oben definierten Sinne wirken kann. Unternehmen können rund um ihren Purpose aufgebaut werden und sich erfolgreich am Markt etablieren. Bekannte Beispiele sind die Getränkemarke Lemonaid oder die Hygieneprodukte von Stop the water while using me – deren Gemeinwohlorientierung auch schon deutlich im Namen zu erkennen ist.

Doch nicht nur gezielte Neugründungen agieren erfolgreich Purpose-getrieben. Die Direktbank DKB ist bereits ein starker etablierter Player in ihrem Markt. Unter dem Motto „Geldverbesserer“ investieren sie das von ihren Kunden angelegte Geld gezielt für nachhaltige Zwecke und stärken so ihre Differenzierungskraft im Wettbewerb. Das Unternehmen orientiert sich dabei u.a. an den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Aus denen haben sie sich auf die Felder „Erneuerbare Energie“, „Gute Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum“ sowie „Innovation und Infrastruktur“ konzentriert. Nach eigenen Angaben ist die DKB z. B. der größte Finanzierer für erneuerbare Energien unter den deutschen Banken. Auf diese Weise hat das Unternehmen Aktivitäten zur Einlösung ihres Corporate Purpose direkt in das typische Geschäftsmodell und die Wertschöpfungskette einer Bank integriert.

Ein weiteres sehr erfolgreiches Beispiel ist das Unternehmen VAUDE. Der 1974 gegründete Anbieter von Outdoor-Mode und -Ausrüstung setzte sich im Jahr 2009 das Ziel, Europas nachhaltigster Outdoor-Ausrüster zu werden. Die mit großer Konsequenz eingeschlagene Transformation Richtung Nachhaltigkeit ist vollständig in die Wertschöpfungskette integriert. Kunden erkennen diese Leistung durch große Loyalität und Markentreue an, sodass sich das Unternehmen im hart umkämpften Outdoor-Markt gut behaupten kann.

Der Weg ist das Ziel

Das perfekte Unternehmen gibt es nicht und auch Unternehmen wie Lemonaid, Stop the water while using me, DKB oder VAUDE haben noch viele Dinge, die sie weiterentwickeln können und müssen. Bei Corporate Purpose geht vielmehr um ein neues Denkmodell und um die Weiterentwicklung des erfolgreichen Modells des Kapitalismus. Es braucht mutige Vor- und Neudenker, die aufzeigen, dass Wirtschaft mehr kann als nur sich selbst zu optimieren.

Doch auf die Mutigen wartet ein Erfolgsbeitrag, wie er derzeit aus wohl kaum einer anderen Veränderung heraus im Unternehmen realisierbar ist. Ganz abgesehen davon, dass es mit Sicherheit für jeden im Unternehmen befriedigender ist, einen Beitrag zur Lösung der Themen unserer Zeit zu liefern als allein den Aktienwert eines Unternehmens zu steigern.