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Kundenmanagement strategisch planen

Dieser Beitrag soll aufzeigen, welche Elemente eine Kundenmanagementstrategie umfasst und wie diese ausgestaltet werden können.
Nils Hafner | 12.07.2021
Abb. 1: CEX Trendradar: Unterscheidung der fünf Reifegrade und damit Phasen der Marktdurchsetzung dieses Trends [1] © Nils Hafner
 

Ohne Zweifel, das profitable Management von Kundenbeziehungen wird immer wichtiger für den Erfolg eines Unternehmens. Häufig ist es bei der Vielzahl gleicher Produkte und Dienstleistungen mit ähnlichem Nutzen für den Kunden der einzige Unterscheidungspunkt, um einerseits nachhaltig höhere Preise als der Wettbewerb durchsetzen zu können und andererseits auch im Marketing, Vertrieb und Service durch Lerneffekte Kostenvorteile zu realisieren. Das jedoch erfordert eine strategische Ausrichtung des Unternehmens.

Dabei stellt sich als erstes die Frage, was eine Kundenmanagementstrategie eigentlich sein soll. Hierbei geht es primär um den durchdachten und quantifizierten Link zwischen der Unternehmensstrategie und dem Kundenmanagement. Und damit sind wir auch schon bei der Antwort auf die Frage, warum die Kundenmanagementstrategie von Harald Henn und mir im CEX Trendradar 2020 [1] auf der Stufe „Vision“ mit einzelnen „Prototyp“-Ausprägungen  eingeordnet  wird:  Weil die Notwendigkeit für einen solchen Link noch von quasi keinem Unternehmen im deutschsprachigen Marktgebiet erkannt, geschweige denn sinnvoll umgesetzt wird.

Vielleicht wird das klarer, wenn wir uns mal mit der Aufgabe einer Kundenmanagementstrategie auseinandersetzen. Im Prinzip geht es darum, festzuhalten, dass, wenn wir teurer als die Konkurrenz sind und der Kunde diesen Preis aufgrund einer exzellenten Beziehung bezahlen soll (Abbildung 1):

  • Jeder im Unternehmen weiß, was genau der Kunde denn bei uns genau erleben soll, was genau diesen Preis (und noch viel mehr) rechtfertigt und was er bei der Konkurrenz nicht erleben kann,
  • und das dann auch erfolgreich umsetzen kann [2]

Es geht also um Menschen. Deswegen steht die Kategorie „People“ in unserem CEX Radar ganz links. Wir lesen ja von links nach rechts. Wissen und Können also. Sind seit Jahren zwei meiner Lieblingsthemen. Und die Strategie entwickelt den langfristigen Plan dazu. Ich vergleiche so einen Plan immer gern mit einem Navigationssystem. Es geht darum, den idealen Weg zu finden. Um das zu tun, benötigt man das Ziel, den Startpunkt und eine Kenntnis über die eigenen Ressourcen (Auto, Bahn, Fahrrad, zu Fuß). Das heißt, Bestandteile einer Kundenmanagementstrategie sind zum einen die Zielfestlegung, zum anderen eine Standortbestimmung. Nun ist das Thema Customer-Experience-Management deutlich mehrdimensionaler als die Wegbestimmung in einem Navigationssystem.

Und welches sind diese Dimensionen?

Meine Kolleginnen Moira Dorsey und Megan Burns haben vor einigen Jahren dazu sechs Kategorien vorgestellt, die seitdem von unzähligen Beratern kopiert werden [3]: Strategie, Customer Understanding, Design, Measurement, Governance sowie Culture. Da bei dieser Definition

„Strategie“ durch „Strategie“ erklärt wird, und das nur leidlich helle ist, verwenden wir bei unseren Forschungsprojekten in der Beratung und bei Diskussionen mit Vorständen und Geschäftsleitungen die folgenden Dimensionen, die zusätzlich um die Kategorie „Kundenwert“ ergänzt werden muss:

Vision und Leadership

Kernfragen sind in diesem Zusammenhang: Was sind wirklich differenzierende Erlebnisse und wie werden sie durch den Brand kommuniziert und eingehalten? Was ist die „CX-Geschichte“ des Unternehmens und kann diese jeder Vorstand und jeder Mitarbeiter erzählen? Welches Selbstverständnis haben die Mitarbeiter von sich und ihrer Mission im Kundenkontakt?

Die Vision von Ritz-Carlton lautet „We are Ladies and Gentlemen serving Ladies and Gentlemen” [4]. Und da ist ja nun alles drin. Vom Selbst- und Fremdbild (der Kunde ist nicht(!) König) über eine Erwartungshaltung an die Mitarbeiter, aber auch an das Verhalten der Kunden. So eine Vision kann man wunderbar mit Spielregeln der angestrebten Kundenbeziehung, aber auch mit ganz konkreten gestalteten Kundenerlebnissen ergänzen, bei denen sich die Kunden ganz bewusst als „Ladies und Gentlemen“ empfinden. Wenn das kein angenehmes Erlebnis ist. Ritz-Carlton hat

das in den sogenannten Gold-Standards [4], die noch auf den Walliser César Ritz zurückgehen, zusammengefasst.

Customer Understanding

Wie gut versteht das Unternehmen methodisch, was Kunden erleben, was das für sie bedeutet und welche Werte damit verbunden sind? In diesem Zusammenhang bietet sich mit der „Sequential Incident Laddering Technique“ [5] eine einfach anzuwendende Methode an, um sowohl die wahrgenommenen Erlebnisse als auch die mit ihnen verbundenen psychologischen und funktionalen Konsequenzen sowie tiefer liegende Werte der Kundschaft zu messen. So werden die Entscheidungsschritte des Kunden sequenziell erfragt und damit auch die Kundenerlebnisse an den einzelnen Touchpoints aufgenommen.

Damit erhält man die Customer Journey aus der Sicht des Kunden, andererseits erhebt man in Form des sogenannten „Ladderings“ die Art des Erlebnisses, die damit verbundenen Konsequenzen und die dahinter stehenden Werte des Kunden. So entsteht ein tiefes Verständnis der Kundenperspektive (Outside-in) in Form von Ist-Customer-Journeys und man kann die so erhobenen Werte auch für die Gestaltung der werberischen Kommunikation nutzen. Unternehmen vermeiden so den Fehler der Inside-out-Sicht und Gestaltung der Zukunft.

Customer Lifetime Value (CLV)

Prinzipiell setzt sich der „Wert“ eines Kunden für das Unternehmen aus den Umsätzen, Kosten und Potenzialschätzungen zusammen. Ob dies auf der Ebene des einzelnen Kunden oder des relevanten Betrachtungsobjekts (beispielsweise Familie oder im Business-to-Business-Geschäft der Firma) gemacht wird, spielt häufig jedoch eine entscheidende Rolle. Die konkrete Umsetzung bereitet oft Schwierigkeiten. Es existieren daher bislang nur wenige Erfolgsgeschichten, die einen deutlichen monetären Zuwachs durch Kundenwertmanagement für das Unternehmen aufzeigen.

Dies hängt vor allem mit der mangelnden Fähigkeit großer und mittlerer Unternehmen zusammen, durch exzellente Kundenerlebnisse systematisch Cross- und Up-Selling zu betreiben, also innerhalb der bestehenden Kundschaft Ergänzungsverkäufe abzuschließen oder höherwertige Lösungen zu verkaufen. Ursächlich dafür ist zumeist auf der einen Seite ein Mangel an relevanten Kundendaten, auf der anderen Seite besteht ein Defizit darin, aus den vorliegenden Informationen geeignete kundenorientierte Verhaltensweisen für den einzelnen Mitarbeiter oder die Marketing-Automation-Tools abzuleiten und umzusetzen.

Einen ersten Schritt zum Kundenwertmanagement stellt demnach die Analyse der bestehenden Kundendaten im Unternehmen dar. Entscheidendfürden Erfolgvon Cross-Selling-Anstrengungenistdabeidie Datenquantität (Welche Daten liegen vor?) und die Datenqualität (Wie vollständig, richtig und wie aktuell sind die vorliegenden Kundendaten?). Grundsätzlich gilt es aber nicht, jeden noch so detaillierten Aspekt des Kundenverhaltens zu erfassen und mehrfach zu überprüfen, sondern pragmatisch zu schauen, welche Daten vorhanden sind und welche Informationen daraus abgeleitet werden können.

Grundsätzlich sind solche Informationen von Bedeutung, die Antworten auf drei Fragen geben:

1. Welche Informationen sprechen dafür, dass Kunden das Potenzial für einen Mehrverkauf haben?

2. Welche Informationen geben Auskunft über die heutige Attraktivität eines Kunden für unser Unternehmen?

3. Welche Informationen könnten darauf hinweisen, dass ein Kunde unseres Unternehmens „absprunggefährdet“ ist?

Bringt man diese drei Arten von Informationen zusammen in ein Kundenportfolio, kann ein Unternehmen seine Ressourcen in Marketing, Vertrieb und Service quantitativ und qualitativ besser steuern. Das bedeutet, dass das Kundenmanagement in der mittleren Frist erfolgreicher, günstiger und relevanter für den Kunden wird.

Literatur

[1] Hafner, N., Henn, H.: „Der CEX Trendradar“ in CMM360/Contact Management Magazin, 1/2020.

[2] Hafner, N.: Customer Experience Management revisited. In: acquisa, 66(2), 52-64. 2018

[3] Dorsey, M., Burns, M.: Making a Case for Discipline(s). – destination CRM – 2012 – https://www.destinationcrm.com/Articles/ReadArticle.
aspx?ArticleID=82466&fb_comment_id=10150918666548072_25070593. – Zugriff 30.09.2020

[4] Webseite The Ritz-Carlton. Gold-Standard. https://www.ritzcarlton.com/ en/about/gold-standards – Zugriff 30.09.2020

[5] Jüttner, U., Windler, K., Schaffner, D., Hafner, N., Zimmermann, A.: Kundenerlebnismanagement: Praxisorientierte Handlungsanleitungen für Dienstleistungsunternehmen, Compendio Verlag, 2012.