print logo

Warum ist Marketing eigentlich so schlecht positioniert?

Marketing ist als Disziplin an Profillosigkeit nicht zu überbieten. Der Spruch mit Schusters Kindern wäre eine peinliche Ausrede. Woran liegt das?
Klaas Kramer | 21.10.2011
Sexy ist Marketing nur aus wenigen Perspektiven betrachtet: Für einen Unternehmer, der es als wirkungsvolles Instrument seines Erfolgs betrachtet und für interessierte Laien, die die Ergebnisse der Marketingkommunikation als Inspiration für Lebensqualität betrachten.

Marketing als Beruf hat sein Sexappeal längst verloren. Als Disziplin ist Marketing miserabel positioniert. Und als unternehmerische Funktion hat Marketing 2 Gesichter.

Die 2 Gesichter des Marketing

Die Praxis des Marketing sieht bei großen Unternehmen völlig anders aus als bei Kleinen und Einzelunternehmen. Die Marketingausbildung stellt für gewöhnlich auf die Praxis bei Großunternehmen ab. Marketinglehrbücher sind vor allem Nachschlagewerke für die Übersetzung dessen, was in der Marketingpraxis der Fall ist in die betriebsinterne BWL-Planungssprache. Konzernmitarbeiter verbringen viel Zeit damit, betriebsintern zu argumentieren. Mit den Checklisten und Formulierungsvorschlägen der BWL-Lehrbücher können sie ihre Argumente ausstaffieren. Für Kleinunternehmen gibt inzwischen zahlreiche größtenteils kostenlose E-Books, die verständliche Strickmuster für eine pragmatische Marketingkonzeption liefern. Doch die Fähigkeit, mehr richtige als falsche Marketingentscheidungen zu treffen, verlangt Geschäftssinn und kulturelles Fingerspitzengefühl. Kenntnisse über die Vor- und Nachteile von Normstrategien und Positionierungs-Checklisten in E-Books verweisen lediglich auf das „Was“. Doch wie überall im Leben kommt es vor allem auf das „Wie“ an.

Rolle der Marketingdienstleister

Die Zeiten, als ein Job im Marketing für hohes Ansehen und Einkommen stand, sind lange vorbei. Längst gibt es mehr Marketingberater als Firmen, die im Marketing beraten werden wollen. Längst gibt es mehr Agenturen als zahlungskräftige und zahlungsbereite Werbetreibende. Das hat nicht nur etwas mit einer Inflation von Marketingfachausbildungs und -studienplätze zu tun. Es ist auch das Ergebnis des technologischen Fortschritts und den damit verbundenen Veränderungen in den Medienverhältnissen. Noch vor weniger als 20 Jahren war es aus Sicht von werbewilligen Unternehmen ein Engpass, Medien mit deren Botschaften zu versehen. Dazu brauchte es Fachleute wie Grafiker und Media-Einbucher. Heute bekommt man das fast kostenlos auf Knopfdruck. Dienstleister, die sich dennoch dieser Aufgabe widmen, vegetieren auf Hungerlohnniveau. Der Engpass liegt weiterhin auf der Sichtbarkeit, hat sich aber von der materiellen (irgendwo draufgedruckt oder gesendet werden) zur immateriellen (freiwillige Aufmerksamkeit von Menschen) verschoben.

Positionierungsproblem

Für die einen ist Marketing banal, für die anderen spannend und für wieder andere sowieso immer da. Obwohl es die Kernkompetenz des Marketing sein sollte, klare unterscheidbare Positionierungen zu schaffen, ist es für sich selbst unklar und unprofiliert wie keine andere Disziplin der Betriebswirtschaftslehre.

In der Dienstleisterpraxis sieht es nicht besser aus: Jeder Marketingberater und jede Agentur verspricht dasselbe, allenfalls gibt es Branchenspezialisierungen. Der Anspruch, das Kundenproblem „Engpass profitabler Umsatz“ kanal- und disziplinflexibel zu lösen, führt zur Austauschbarkeit, die letztlich nur durch den Faktor „persönlicher Kontakt und menschliches Vertrauen“ kompensiert wird.