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Zulässigkeit von besonderen Werbeaktionen

Timo Schutt | 27.05.2014
55.000 Kinder aus Syrien werden in Deutschland aufgenommen, die Bundesregierung zahlt jeder Pflegefamilie 1.000 Euro im Monat. Mit dieser Schlagzeile, einer komplett gestalteten Webseite mit FAQ, dem Logo des Bundesfamilienministeriums, dem Bild der Bundesfamilienministerin samt Unterschrift meldeten sich viele Familien, und erklärten ihre Bereitschaft, Kinder aus dem Kriegsgebiet bei sich aufzunehmen. Dies alles war nur ein Fake! Wie schaut die rechtliche Situation dazu aus?

Es kam nun heraus: Hinter dieser Aktion steckt eine Künstlergruppe aus Berlin und nicht das Familienministerium. Diese Gruppe wollte mit der Aktion auf das Problem aufmerksam machen, und zugleich daran erinnern, dass auch Kinder aus Deutschland von solcherlei Aktionen profitiert haben: Im 2. Weltkrieg kamen viele Kinder, zumeist Kinder jüdischer Familien, bei britischen Gastfamilien unter, die sich verpflichtet hatten, die Kinder bis zum Ende der ersten Ausbildung bei sich aufzunehmen. Diese Aktion rettete damals sicherlich vielen Kindern das Leben.

In jedem Fall eine super Idee; Deutschland ist immerhin eines der reichsten Länder der Welt. Nach Bekanntwerden der Aktion als Fake haben sich immerhin noch weiter viele Familien gemeldet, die ihre Bereitschaft der Aufnahme trotzdem erklärt haben.

Wie ist aber eine solche Aktion rechtlich zu beurteilen?

Wie sehr darf man eine „Aktion“ als echt erscheinen lassen, um Aufmerksamkeit zu erlangen?

Hier muss man unterscheiden: Aktiv wurde hier eine Künstlergruppe, die in erster Linie keinen kommerziellen Zweck verfolgt. Einem Wirtschaftsbetrieb wäre solch eine Pseudo-Aktion, um (auch sich) aufmerksam zu machen, schon eher verboten: Maßnahmen, die letztlich nur dem besseren Absatz dienen sollen, können irreführend sein (§ 4 Nr. 3 UWG oder § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Dies sind Regelungen befinden sich im Wettbewerbsrecht wieder, das vornehmlich das Verhalten zwischen Unternehmern regeln soll.

Daneben kommen aber auch Aspekte des Persönlichkeitsrechts, Urheberrechts und sogar des Strafrechts zum Tragen. Es wurde das offizielle Logos eines Bundesministeriums genutzt, die Unterschrift einer Bundesministerin kopiert und so getan, als ob man das Bundesfamilienministerium sei.

Es kommen schließlich auch strafrechtliche Aspekte in Betracht, bspw. Urkundenfälschung, da eine Unterschrift einer fremden Person (Familienministerin) usw. eingesetzt wird, um Leser über die wahre Herkunft zu täuschen. Anders als bei der Parodie oder der Satire ist dort typischerweise erkennbar, dass jemand oder eine Einrichtung nachgeahmt werden soll; dies war bei dieser Kunstaktion aber nicht der Fall.

Natürlich mag man solcherlei Aktionen, die auf Probleme wie in Syrien aufmerksam machen, grundsätzlich gutheißen. Nur: Wo zieht man nachher eine Grenze zwischen “gutheißen” und “missbilligen”? Wann hat es eine “Kunstaktion” verdient, keine Rechtsfolgen auszulösen? Wenn jemand mit einer ähnlichen Situation auf eine missliche Lage eines örtlichen Kindergartens aufmerksam macht – würde man ihn dann eher straf- und zivilrechtlich verfolgen, weil das zugrundelegende Problem nicht so groß ist…?

Künstlern und anderen Aktivisten, die auf Probleme aufmerksam machen wollen, sei daher zur Vorsicht geraten, wenn sie den typischen Standard der Parodie/Satire/Kunst verlassen. “Kunst” allein rechtfertigt trotz verfassungsrechtlicher Kunstfreiheit nicht jede Kunstaktion.

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)