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5 Leitplanken zur erfolgreichen Experience Brand

Wer keine Erlebnisse bietet, verliert seine Kunden – die Frage, wie Marken erlebt werden, ist heute entscheidender als die, wie sie gesehen werden.
Tobias Clairmont | 07.10.2019
Wer keine Erlebnisse bietet, verliert seine Kunden © Pixabay / geralt
 

Ein Fachartikel von Tobias Clairmont und Matthias Hoffmann Dass das bisherige Verständnis von Markenloyalität und Kundenbindung überholt ist und nicht mehr funktioniert, ist keine Neuigkeit mehr. Jüngst hat die Studie "Meaningful Brands" von Havas wieder einmal gezeigt, dass 74% der Marken nicht vermisst würden, wenn sie verschwinden. Kunden lassen sich einfach nicht mehr "binden", Loyalität ist ein volatiler Zustand. Die Menschen agieren aufgeklärt und flexibel und entscheiden immer wieder neu, welcher Marke sie ihr Vertrauen schenken oder entziehen. Ein Schlüssel bildet dabei die Frage, wie eine Marke tagtäglich erlebt wird. Eine Studie der Goldsmiths University im Auftrag von Adobe zeigte, dass 61% der Konsumenten das individuelle Erlebnis zum wichtigsten Faktor ihrer Markentreue erklären, ebenso sagen 50%, dass sie die Marke sofort wechseln würden, wenn eine andere ihnen ein besseres Erlebnis bietet. Warum aber tun so viele Marken zwar viel für ihr Image und ihre Fassade, aber so wenig dafür, dies im direkten Kontakt mit den Kunden auch spüren zu lassen? Damit wir uns nicht falsch verstehen: Image ist wichtig. In einer Welt in der das Urvertrauen in Marken verloren gegangen ist, umso mehr. Marken müssen eine klare Haltung einnehmen, ihr "Why" transportieren und sich klar und im wörtlichen Sinne positionieren. Aber klassische Markenwerbung kann immer nur ein Auftakt sein, eine Initialzündung. Sie gibt ein Versprechen ab, das in der Folge über konkrete Erlebnisse bewiesen und eingelöst werden muss. Marken müssen sich die Frage stellen, wie sich die Beziehung zu ihnen nachhaltig für die Kunden anfühlen soll. Und welche Erlebnisse sie bieten können, um dies geschehen zu lassen. Und genau das ist bei vielen Marken ein äußerst vernachlässigter Bereich. Meist reduziert sich das Erlebnis auf die Produktnutzung selbst, vielleicht noch den in Anspruch genommenen Service. Eine fehlerfreie Produkt- und Service-Experience allein wird aber selten Begeisterung auslösen und zu Loyalität führen. Im Gegenteil: sie wird erwartet und führt eher zu Enttäuschung und Kundenverlust, wenn diese Erwartungshaltung nicht erfüllt wird. Brand Experience muss also mehr leisten. Sie muss immer wieder überraschen und Erwartungen übertreffen, wo man nicht damit gerechnet hätte. So kann an allen Touchpoints ein positives und starkes Markenerlebnis entstehen. Umso erstaunlicher, dass Brand Experience noch viel zu selten als integrierte, kanalübergreifende Marketing-Disziplin verstanden wird. Nehmen wir ein Bild, das Jeff Bezos geprägt hat und stellen wir uns vor, Kunden seien nichts anderes als Gäste auf einer Party. Und das Ziel der Marke - aka des Gastgebers - ist es, dass sie möglichst lange bleiben, sich amüsieren, gerne wiederkommen und vielleicht sogar anderen von der Party zu erzählen. Dann reicht es eben nicht aus, sich als Gastgeber gut zu stylen und die schärfsten Dance- Moves zu zeigen. Denn es geht ja nicht primär um den Gastgeber, es geht um die Gäste! Es muss darum gehen, immer wieder zu überraschen, zu faszinieren, zu begeistern. Die Beziehung zu einer Marke immer aufs neue zu einem spannenden Erlebnis zu machen. Interessante Gespräche zu führen. Die Menschen zum Teil der Party zu machen. Warum verhalten sich also so viele Marken wie selbstverliebte, arrogante Schnösel? Warum erzählen sie nur von sich selbst? Warum hören sie so wenig zu, wie es ihren Kunden gerade geht? Es gibt zu viele Marken - und auch Werber, die immer noch denken, die Menschen interessierten sich für ihre Marke genauso wie sie selbst. Aber wenn die Marke denkt "Wir sind eine Lovebrand.", denkt der Kunde "Dann zeige mir dass du mich liebst.". Wenn die Marke denkt "Wir schaffen Awareness!" denkt der Kunde "Du nervst!". Wenn die Marke denkt "Wir haben ein Top Angebot!", denkt der Kunde "Vielleicht bekomme ich es woanders doch noch günstiger." Wer will sich denn schon den Monolog einer Marke anhören? Genau das tun aber viele Marken: monologisieren. Möglichst laut, im Kampf um die Aufmerksamkeit. Und zwar auch in Bereichen wie Dialog-, Handels- und Digitalmarketing, wo ihnen ganz andere Möglichkeiten zur Individualisierung und Interaktion zu Verfügung stünden! Wir sollten uns zurückbesinnen, was der eigentliche Zweck der Werbung ist: das "umwerben" der Kunden. Das Gefühl zu erzeugen, wahrgenommen, gewertschätzt und gehört zu werden. Die Menschen zum Lachen, zum Nicken, zum Nachdenken, zum Applaudieren oder zum Jubeln zu bringen, Gespräche zu führen und gut zu unterhalten. Die Beziehung zur Marke nicht langweilig werden zu lassen. Deshalb hier 5 Leitplanken auf dem Weg zur erfolgreichen Experience Brand: #1: Definiere Dein Beziehungsprofil.
Wie auch in einer Beziehung zwischen Menschen sollte der Beziehung zu einer Marke ein klares Rollen- und Werteverständnis zugrunde liegen. Wollen wir der vertrauensvolle Partner sein? Der Ermöglicher? Der Spaßmacher? Der Sinnstifter? Dieses Beziehungsprofil ist die wichtigste Grundlage für Experience- und Servicedesign, Content- und Dialogstrategie und die Tonalität in der Kundenbeziehung. #2: Erkenne und übertriff Erwartungen.
Die Erwartung an eine Marke ist immer so hoch wie das beste bisherige Erlebnis. Deswegen wird es eine Marke mit einem hohen Qualitäts- und Serviceanspruch immer schwerer haben zu überraschen, als der Discounter. Erlebnisse entstehen aber aus der Gleichung "Realität minus Erwartungshaltung". Bleibe ich darunter, führt das zwangsläufig zur Enttäuschung. Ein Verständnis für die Kundenerwartungen ist deshalb die Basis für ein erfolgreiches Experience Design.
Auf dieser Basis können starke Erlebnisse entwickelt werden - an Orten und Momenten und Situationen, in denen der Kunde nicht damit rechnet. #3: Erreiche die Menschen wo sie sind.
Wenn Erlebnisse begeistern, Erwartungen übertreffen und nicht nerven sollen, müssen sie die Menschen in ihrer Realität und ihrer Lebenswelt abholen. Und die funktioniert nunmal nicht mehr nach linearen Strukturen und Funnels. Es geht darum medienübergreifende Erlebnisräume und Ökosysteme zu schaffen, die die Menschen zum Teil des Erlebnisses machen. Dort Lösungen anbieten, wo Probleme entstehen. Dort Geschichten erzählen, wo ich Zeit habe, sie zu hören. Dort unterhalten, wo mir langweilig ist. Dort informieren, wo ich ratlos bin. Dort Angebote machen, wo ich gerade einen Bedarf habe.
Eine genaue Analyse der relevanten Touchpoints und Kundensituationen ist also Voraussetzung für das Experience Design. Das Erkennen der richtigen Situationen der Kunden ist dabei häufig viel entscheidender für ein wirksames Kundenerlebnis als die Analyse ihrer Demografien oder Warenkörbe! #4: Kommuniziere persönlich statt nur personalisiert.
Ein Kundenerlebnis ist dann am wirksamsten, wenn es persönlich relevant ist.
Das bedeutet nicht zwangsläufig den Einsatz von Daten. Denn persönlich bedeutet mehr als nur "personalisiert". Es kann eine kleine Geste, eine persönliche Aufmerksamkeit sein, das Gefühl mitgestalten oder mitbestimmen zu können oder schlicht gehört zu werden, das zu einem persönlich bedeutsamen Kundenerlebnis mit hohem Erinnerungswert wird. Wenn dann darüber hinaus eine datenbasierte Individualisierung möglich ist, umso besser.
Hinzu kommt: persönliche Erlebnisse werden zu kollektiven. Je persönlicher ich mich angesprochen und abgeholt fühle, desto intensiver werde ich dieses Erlebnis auch über die sozialen Netzwerke mit anderen teilen. Dies können wir unterstützen indem wir "instagrammable Moments" schaffen. Erlebnisse mit Darstellungs- oder Erzählwert, die Möglichkeit, mich als Teil des Erlebnisses zu inszenieren. Plattformen, auf denen gemeinsame Erlebnisse möglich sind. Oder Rahmen für verbindende Erlebnisse und Gefühle. #5: Sei konsistent und authentisch.
 Begreife Brand Experience nicht als Spezialdisziplin. Experience ist die Beweisführung für das Markenimage. Digitale, phyische und persönliche Erlebnisse müssen ineinadergreifen und ein ganzheitliches Bild geben, das der Marke entspricht.
Und klar: irgendwo muss man anfangen ohne sich zu verzetteln - niemand wird an allen Touchpoints gleichzeitig ein perfektes Kundenerlebnis schaffen können. Wichtig ist aber, dass das einzelne Erlebnis innerhalb der Marke nicht wirkt wie ein Fremdkörper. Produkt-, Handels- und Service-Erlebnis, digitale UX, Kundendialog und Kampagnen mit Erlebnisfaktor müssen ein konsistentes, glaubwürdiges Bild der Marke vermitteln ... dann klappt's auch mit der Loyalität.