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Werbeagentur im digitalen Zeitalter neu denken

Es geht darum, echte Erfahrungen und Erlebnisse zu vermitteln: Customer Experiences statt Above the line-Kommunikation.
Christian Rätsch | 28.10.2019
Werbeagentur neu denken: Unser Auftrag im digitalen Zeitalter © Pixabay / Gerd Altmann
 

Es gilt, Produkte, Services und Inhalte für mögliche Käufer interessant zu machen. Eine Herausforderung, die Unternehmen häufig nicht allein bewältigen können. Auch wenn die klassische Kommunikation in TV, Print und Co. in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung unter Druck gerät, heißt das ja nicht, dass Werbung tot ist. Es hat sich nur ihre Darreichungsform verändert. Worüber sich zugegebenermaßen aber streiten lässt, ist die Bezeichnung „Werbung“ – schließlich leisten Werbeagenturen heute viel mehr, als Produkte nur kommunikativ „attraktiv zu machen“. Werbung wird zunehmend selber zum Service und aus sich heraus zum kommunikativen Mehrwert.

 

Die Kundenerfahrung steht im Vordergrund

Moderne Werbe- oder Kreativagenturen sind heute mehr gefordert denn je. Es geht nicht nur darum, schöne Motive zu gestalten, sondern echte Erfahrungen und Erlebnisse zu vermitteln: Customer Experiences statt Above the line-Kommunikation. Dabei stehen Nutzwerte sowie Serviceerlebnisse im Vordergrund – und manchmal sogar Produktinnovationen. 

 

Das stellt uns zum einen vor Herausforderungen, spielt uns zum anderen jedoch in die Karten. Schließlich gehört es zur Kernkompetenz einer Agentur, Menschen mit Ideen zu erreichen und zu faszinieren. Unsere große Stärke: Endkundenverständnis gepaart mit der Freude am Umgang mit menschlichen Beweggründen. Wer, wenn nicht unsere Zunft kann Menschen berühren, um sie zu bewegen.

 

Die digitale Transformation hat die Werbebranche längst erreicht

Aussagen, dass Werbekonzernen die Zeit davonläuft, da sie die Zeichen der Digitalisierung nicht ernst genug nehmen, halte ich für falsch. Zahlreiche Branchengrößen wie Bosch, Siemens, Sanofi oder T-Systems vertrauen auf Werbeagenturen, mit denen sie ihre eigene digitale Marketingtransformation vorantreiben. 

 

Entscheidend ist jedoch die Fähigkeit von Agenturen, mit den richtigen Marketingspezialisten entsprechend der Endkundenerwartung zusammenzuarbeiten. Im Zentrum steht immer die bezweckte Kundenerfahrung entlang der Customer Journey. Es werden sich daher die Agenturen durchsetzen, die in der Lage sind, Journeys zu messen, zu bespielen und situativ anzupassen. 

 

Wenn es gelingt, im richtigen Moment, die richtige Botschaft über den richtigen Kanal zu senden und die Wirkung ebenfalls zu messen, rückt die Markeninszenierung aus der „Trial and Error“ Falle heraus und wird zum nachweislich wertschöpfenden Instrument. Dazu braucht es vier Fähigkeiten: Datenmanagement als strategische Grundlage, ein Kundenbeziehungsmodel zur Steuerung der angestrebten Verhaltensweisen sowie Kreativität, um den Kundenkontaktpunkt wirkungsvoll zu inszenieren. Zuletzt bedarf es auch der exzellenten Realisierung und Auslieferung der Marketingmaßnahmen. „Produktion“ wird aus meiner Sicht noch viel zu stiefmütterlich gesehen. Der Glaube, die Produktion wird als Ende der Wertschöpfungskette schon eine gute Exekution der angestrebten Experience hinstellen, springt zu kurz. Der Anteil der Produktion am Erlebnis ist heute extrem hoch. Wir alle kennen den Frust von langsamen Webseiten oder wenig Mobil kompatiblen Services. In Zeiten von dynamischer, individueller und situationsbezogener Kreation muss das Augenmerk daher zunehmend auch auf die Umsetzung der Marketingmaßnahmen gelegt werden. 

 

Um dem hohen integrativen Anspruch an eine Agentur gerecht zu werden, hat man zum Beispiel in der Publicis Gruppe die Geschäftsgrundlage „Power of One“ geschaffen. Dataspezialisten sitzen mit Customer Journey Managern, Mediaspezialisten, Performance und Marketing-Automatisierungsexperten, Kreativen und Produktionsconsultants an einem Tisch. So werden Kompetenzen von Pixelpark, Publicis, MSL, Saatchi & Saatchi, MetaDesign und Prodigious gebündelt und zu maßgeschneiderten Kundenerfahrungen für die Auftraggeber orchestriert. 

 

Auch andere Agenturgruppen arbeiten nach ähnlichen interdisziplinären Prinzipien. Entscheidend ist, dass es ein integrierendes Verständnis und auch Modell zum Management der Customer Experience Journey gibt. Nur so kann eine „Werbeagentur“ ihren Beitrag zur Marketing Transformation leisten und Kommunikation aus der Willkürlichkeitsfalle herausholen.

 

Neuer Wirkungsradius, alter Auftrag

Werbeagenturen stecken in der Transformation hin zu Wertschöpfung durch bessere Nutzererfahrung. Werbung isoliert ist ein Auslaufmodell. Es gilt in Zukunft, die Customer Experience Journey ganzheitlich zu betrachten, zu steuern und zu bespielen. Daten sind die Grundlage, um Bauchgefühl durch Fakten zu ersetzen und sie ermöglichen, im richtigen Moment persönliche Markenmomente auszuspielen. Auch in Zeiten der Hochtechnologie spielt Kreativität eine zentrale Rolle. Denn es geht um außergewöhnlich gute Markenkontakte. Hier ist die ungesehene Inszenierung immer noch Garant für persönliche, magische Erlebnismomente.