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Medienkompetenz in Agenturen, Medien und im Marketing

„Alle wollen was von mir. Deshalb hab ich keine Zeit, meine Arbeit gut zu machen.”
Klaas Kramer | 11.07.2008
Wenn viel zu tun ist, können wir einfach nicht mehr jede E-Mail beantworten oder jemanden zurückrufen. Dafür bleibt keine Zeit. Schließlich verstehen wir es, wie Prioritäten zu setzen sind. Und transparent sind wir auch: so lernen Kunden, Projektpartner und Kollegen wie wichtig sie uns wirklich sind.
Seit Jahren erzählen uns Trainer und „Wie macht man’s richtig”-Checklisten, wie wir im Geschäftsleben richtig kommunizieren: Zuhören, Fragen stellen, am Telefon vollständig und freundlich mit Vor-, Zu-, Firmennamen und Tagesgruß melden, versprochene Rückrufe und Termine einhalten, auf E-Mails innerhalb zwölf Stunden mit Anrede, ganzen Sätzen und korrekter Orthographie antworten.
Tun Sie’s? Meine Erfahrung: die Minderheit tut es. Und gerade in der Kommunikationsbranche sitzt der blinde Fleck dort, wo es um die Folgen dieser transparenten Medien-Inkompetenz geht. Was ist von einer Agentur zu halten, die in ihrer Selbstdarstellung den vermeindlich lang erhofften Wechsel vom undifferenzierten Massenmarketing zum individualisierten Dialogmarketing propagiert, an E-Mail-Adressen mit „bewerbung@” Direct-Mails für Werbegeschenke sendet, keine Abmeldung aus dem Verteiler anbietet (rechtlich vorgeschrieben!) und auf den freundlichen Hinweis, im eigenen Interesse den Adresslieferant zu wechseln, keine Antwort findet?
Was ist von einem Medien-Projektmanager zu halten, der 100 ungelesene Mails im Posteingang von Tag zu Tag mitschleppt, dringende Anfragen nicht beantwortet, dafür aber Freitag um 21 Uhr unvorbereitet zurückruft, weil er meine „Nummer auf dem Display hatte und nicht wusste wer das ist”? Sollte ich so einem wirklich zutrauen, dass er Projekte managen kann und sich der Wirkungsweise von Medien bewusst ist?

Medienopfer und Medientäter

Mindestens zwei Telefone, mehrere E-Mail-Adressen, Profilpflege bei Xing – das macht schon Stress. Aber wer den nicht managen kann, hat den Beruf verfehlt.
Wissen doch alle, die bei den Medien, in Agenturen, Marketing oder PR arbeiten, dass Meinungen und Einstellungen nicht nur von der Face-to-Face-Kommunikation geprägt werden sondern auch durch die mediale.
Den Medien bedienen sie sich ja ausdrücklich. Auf der Existenz der Medien basiert die gesamte Branche.
Da gibt es einige, die offenbar nur in Quasi-Prüfungssituationen gut sind: Kennenlern-Treffen, Verhandlungen oder Pitches. Wenn es um die Einhaltung von Versprechungen geht, dann wartet man tagelang auf sofort versprochene Mails. Aktive Kontaktpflege wird beschränkt auf die Aussendung eines allgemeinen Newsletters, der die Botschaft übermittelt „Herzlichen Glückwunsch! Du bist einer von 100.000 Datensätzen”.

Kommunikations-Know-how anwenden

Wir möchten Botschaften verbreiten und verankern aber leisten unserem Unternehmen einen riesigen Bärendienst, wenn wir die Menschen denen wir die kalte Schulter zeigen nicht als Multiplikatoren begreifen.
Manche Unternehmen verstehen unter Kommunikation nur den verkaufsseitigen Lautsprecher. Für den Rückkanal schotten sich die Leistungsträger durch so genannte Servicerufnummern mit Warteschleife, Operator, mangelhaft ausgebildeten und noch schlechter bezahlten Call Center Agenten sowie info@-E-Mailadressen ab. Kleinere Unternehmen haben statt der Servicerufnummer die „Zentrale mit der Null am Ende”.
Das ist der Status Quo. „Wie macht man’s richtig”-Handbücher zu den Mindestanforderungen an eine Unternehmenskommunikation gibt es mehr als man lesen kann. Ich kann nur dazu raten, dass sich Medienprofis das was dort drin steht auch zu Herzen nehmen.
Professionell ist, wenn man das was man tut richtig tut und nicht wenn man ganz viel tun könnte, aber nicht dazu kommt, weil man es „nicht auf die Reihe kriegt”.

Rückfall in Privatverhalten

Manchmal erweckt es den Eindruck, einige Kollegen nehmen ihr privates Statusverhalten mit auf die Arbeit: „Aktiv sich um andere bemühen, hab ich doch nicht nötig. Bisher sind alle zu mir gekommen. Ich gebe, die anderen nehmen – wer was von mir will soll antanzen.”
Auch wenn es schwer fällt, aus seiner Haut zu steigen – wenigstens in einem solchen Beruf sollten Sie es tun. Sie alle haben massenweise normative Vorgaben aus Marketing- und PR-Büchern hundertmal gelesen, gehört, repetiert – aber viele halten sich selbst nicht einmal ansatzweise daran: das Verhalten auf den Kunden ausrichten, Dialoge führen anstatt in den Wald zu schreien und sich anschließend die Ohren zuzuhalten, mal in die „Zielgruppe” hineinversetzen und nicht so zu tun als „könne mir egal sein, was die oder der von mir denkt.”

Zu einem Teil ist es die Einstellung und persönliche Lebenserfahrung, die eine riesige Wahrnehmungslücke zwischen dem gewohnten eingefahrenen Privatverhalten und dem gelernten 1x1 der erfolgreichen Kommunikation entstehen lässt. Kommen dann noch moderne Medien dazu, an das sich die Jahrtausende alte intuitive Orientierung nicht in wenigen Jahren gewöhnen kann – wird es für viele noch schwieriger. Aber das ist eben der Unterschied zwischen Privatleben und Medienberuf.
Zum anderen Teil ist das Fehlverhalten schon bewusst, wird aber wegen der Ohnmacht dagegen toleriert. Überforderung führt wider besseren Wissen zum Rückfall in ältere Verhaltensmuster.

Aber es hilft nichts: Keinem Produkt und keinem Unternehmen werden wir als Kunde verzeihen und Leistungsmängel auf eigene Kosten akzeptieren.
Als Privatmensch kann ich humanistisch handeln und Mitmenschen ihre Schwächen im Sozialverhalten nachsehen. Als Kunde aber bin ich innerhalb der Wirtschaft.

Warum Unternehmen Kunden verlieren:
15 % Qualität – fanden einen besseren Anbieter
15 % Preis – fanden einen günstigeren Anbieter
20 % Zu wenig Aufmerksamkeit
49 % Mangelhafter/ unregelmäßiger Kontakt
= 69 % aufgrund schlechter Kundenkommunikation

Quelle: Forum Corporation Studie über verlorene kommerzielle Kunden bei 14 Herstellern und Dienstleistern
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Über Klaas Kramer

Vermittlung von Konzepten, Denk- und Handlungsmodellen für Bewusstwerdungsprozesse zur Vorbereitung auf künftige Herausforderungen im Marketing-Mana