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Frucht Müsli von Seitenbacher ist »Mogelpackung des Jahres 2020«

Der Hersteller hatte die Frühstücksflocken als vermeintlich neues Produkt mit geringerer Füllmenge eingeführt und der Handel den Preis gehoben.
Frucht Müsli von Seitenbacher ist »Mogelpackung des Jahres 2020« © Verbraucherzentrale Hamburg e. V.
 

Das »Frucht Müsli« von Seitenbacher ist zur »Mogelpackung des Jahres 2020« gewählt worden. Mehr als die Hälfte der insgesamt 21.409 abgegebenen Stimmen gingen an die Frühstückscerealien. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher hatten sich über die horrende Preiserhöhung für das Müsli geärgert, das letztes Jahr als vermeintlich neues Produkt im Regal stand.

Eindeutiges Votum für Frucht Müsli

Hersteller Seitenbacher hatte die Füllmenge der betroffenen Müsli-Packung von 1.000 auf 750 Gramm geschrumpft. Gleichzeitig stieg der Preis pro Tüte im Einzelhandel, sodass das Müsli um 75 Prozent teurer wurde. Bei Rewe beispielsweise kostete die kleinere 750-Gramm-Tüte mit »Frucht Müsli« im Sommer 4,99 Euro. Für das vorherige Produkt »Vollkorn-Früchte-Müsli« mit 1.000 Gramm verlangte der Händler nur 3,79 Euro. „Teuer, teuer, teuer!“ statt „Lecker, lecker, lecker!“ war anscheinend die neue Devise des Unternehmens.

Zutatenliste quasi identisch: Seitenbacher behauptete uns gegenüber, mit dem »Frucht Müsli« ein neues Produkt eingeführt zu haben. Doch die Zutatenliste war quasi identisch mit der des günstigeren Vorgängerprodukts »Vollkorn-Früchte-Müsli«. Die Zutaten Weizenvollkornflocken, Rosinen, Datteln, Bananenchips, Äpfel, Kokosöl, Rohrzucker, Sonnenblumenkerne sowie natürliches Aroma sind in beiden Varianten zu finden. Der Fruchtanteil liegt übereinstimmend bei 15 Prozent. Lediglich geringe Mengen an Honig stehen neu auf der Zutatenliste.

Abstimmungsergebnis im Überblick

Neben dem »Frucht Müsli« standen vier weitere Produkte als mögliche »Mogelpackung des Jahres 2020« zur Wahl. Zweitplatzierte hinter dem »Frucht Müsli« von Seitenbacher (11.659 Stimmen | 54,5 Prozent) sind »Milka Osterhase & Weihnachtsmann« von Mondelez (4.035 Stimmen | 18,8 Prozent), deren Preis um bis zu 36 Prozent stieg. Knapp dahinter auf Rang drei folgt die »Kinder Schokolade« von Ferrero (3.960 Stimmen | 18,5 Prozent). Das Katzenfutter »Whiskas Knuspertaschen« von Mars (925 Stimmen | 4,3 Prozent) und die  »Bifi Minisalami« von Jack Link’s (830 Stimmen | 3,9 Prozent) landen abgeschlagen auf Platz vier und fünf.

Seitenbacher geizt mit Informationen

Wir hatten Seitenbacher mehrfach um eine Stellungnahme zur versteckten Preiserhöhung gebeten. Im August 2020 erhielten wir ein Schreiben, doch das Unternehmen antwortete nur lapidar auf unsere konkreten Fragen.

„Das Frucht Müsli mit der Artikelnummer 42162 ist ein relativ neues Müsli, welches wir seit April im Sortiment haben. Seit wir dieses auf dem Markt haben, gab es hier keine Änderungen.“

Wir bekamen weder Informationen zum Vorgängerprodukt noch zur Füllmengenreduzierung – auch nicht, als wir im Januar 2021 noch einmal nachhakten. 

Gegenüber Journalisten zeigte sich die Firma auskunftsfreudiger und erklärte, dass das »Frucht Müsli« im April 2020 als neue Produktidee „viel auf dem Teller und weniger Kalorien durch großvolumige Spezialflocken aus regionalem Anbau“ auf den Markt gebracht worden war. Aha! Wegen der großvolumigen Flocken konnte Verbrauchern die Schrumpfung des Inhalts fast nicht auffallen, da sich die Befüllungshöhe in der Tüte kaum geändert hatte. Ein schöner Nebeneffekt... für Seitenbacher.

Das Produkt soll nach Auskunft des Unternehmens gegenüber Medienvertretern aufgrund unserer Veröffentlichungen mittlerweile nicht mehr hergestellt werden. In einigen Supermärkten ist es jedoch noch erhältlich.

Mehr Klarheit für Verbraucher schaffen

Die Politik muss Verbraucherinnen und Verbraucher endlich besser vor versteckten Preiserhöhungen schützen, finden wir. Sie können sich gegen die Weniger-drin-Preis-gleich-Masche nicht wehren, denn die Tricksereien sind beim normalen Einkauf kaum zu bemerken. Auch rechtlich ist den Mogelmaschen kaum beizukommen. 

Während die Hersteller die Füllmenge reduzieren, legen die Händler laut Kartellrecht die Preise fest. Eine Win-Win Situation, für die am Ende die Verbraucher die Zeche zahlen. Um so wichtiger wäre es, dass Politik endlich etwas unternimmt. Doch obwohl Bundesverbraucherschutzministerin Christine Lambrecht im letzten Jahr angekündigt hatte, bei versteckten Preiserhöhungen für mehr Klarheit zu sorgen, ist seither nichts passiert. Eine Transparenzplattform, bei der vorab Füllmengenreduzierungen von den Herstellern verpflichtend gemeldet werden müssten, könnte helfen, die sich stetig reduzierenden Füllmengen und die damit einhergehende Müllflut einzudämmen.