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Bauwirtschaft: Krisenbewältigung bremst Nachhaltigkeit

Management sieht Nachhaltigkeit als größte Herausforderung, ist aber mit Krisenbewältigung ausgelastet.
Horváth AG | 29.07.2022
Bauwirtschaft: Krisenbewältigung bremst Nachhaltigkeit © freepik / mindandi
 

Die nachhaltige Geschäftsausrichtung hat für die Bauwirtschaft die höchste strategische Priorität, wie eine aktuelle Branchenbefragung der Managementberatung Horváth zeigt. 68 Prozent halten ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept für sehr wichtig, weitere 32 Prozent für wichtig. Damit landet Sustainability bei Unternehmen aus Building & Construction mit Abstand auf dem ersten Platz der wichtigsten strategischen Themen. Branchenübergreifend landet das Thema erst an dritter Stelle. Doch die Bauunternehmen kommen in der Bearbeitung ihres Topthemas nicht voran, weil im Geschäftsalltag Probleme wie Preiserhöhungen oder Fachkräftemangel drängender zu lösen sind. Für das Gesamtjahr wird dennoch ein Umsatzwachstum von mehr als sechs Prozent erwartet, für 2023 jedoch nur noch vier Prozent.

"Auch wenn es einen Kraftakt bedeutet, sollten die Unternehmen strategisch wichtige Nachhaltigkeitsthemen wie den Bezug nachhaltiger Baustoffe oder die Kreislaufwirtschaft trotz akuter Baustellen jetzt angehen, sonst sucht sich der Wettbewerb die besten Partnerunternehmen und Fachkräfte in diesem strategischen Kernthema", sagt Ralf Rauter, Studienleiter und Partner bei Horváth.

Krisenfolgen trüben die Geschäftsaussichten ein

Vor allem die Folgen des Ukraine-Kriegs treiben die Preise von Baumaterialien. 61 Prozent der befragten Unternehmen geben einen sehr hohen Einfluss der gestiegenen Baupreise auf die Branche an. Weitere 22 Prozent einen hohen Einfluss. Es mangelt an vielen Materialien wie Stahl und Bitumen, größere Projekte wie Brücken und Autobahnen geraten ins Stocken. Die Nachfrage kann nicht befriedigt werden, neue Aufträge bleiben teils aus: Das statistische Bundesamt vermeldet einen Auftragsrückgang um real 16,4 Prozent im April 2022 - der größte Rückgang seit 2012. Für das Gesamtjahr prognostiziert die Branche nur noch ein mageres Umsatzplus von 6,8 Prozent im Vergleich zu 2021. Eine Entspannung der Lieferengpässe wird vorerst nicht erwartet, auch für 2023 wird nur eine vierprozentige Umsatzsteigerung erwartet. Damit liegt die Bauwirtschaft unter dem Branchendurchschnitt (2022: 8,1 %, 2023: 6,6 %).

Notwendige Transformationen drohen auszubleiben oder zu stocken

Gefragt nach den Themen, die das Management gerade mit Hochdruck bearbeitet, nennen die Befragten wenig überraschend an erster Stelle die Bewältigung der Preissteigerungen, gefolgt von der Rekrutierung dringend benötigter Fachkräfte sowie einer resilienten Aufstellung von Lieferketten. Strategien zum Bezug nachhaltiger Materialien landen erst an vierter Stelle. Nur 37 Prozent der Befragten räumen diesem Thema aktuell eine sehr hohe Relevanz ein. Ebenso wenige sagen dies in Bezug auf die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft (Cradle-to-Cradle) sowie die Optimierung der Energieeffizienz. Dabei haben einige Bauunternehmen gar keine so schlechte Ausgangsposition, da sie bereits vor der Krise einen guten Teil ihrer "Hausaufgaben" in Sachen nachhaltiger Aufstellung gemacht haben. So setzen bereits 34 Prozent Maßnahmen aus einem entwickelten Nachhaltigkeitszielbild um. Branchenübergreifend sind es nur 29 Prozent. Doch haben 44 Prozent der Unternehmen aus Building & Construction noch gar kein Zielbild definiert.

Neben Nachhaltigkeitsthemen gerät auch die Digitalisierung in den Schatten der drängenden aktuellen Herausforderungen. Die Bedeutung von Gebäudeautomation etwa sank im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozentpunkte. Building Information Modelling, der cloudbasierte ganzheitliche Prozess für ein Bauprojekt, schafft es in diesem Jahr nur auf den achten Rang der Faktoren mit dem größten Einfluss auf die Branche. Ein Verlust von fünf Prozentpunkten zum Vorjahr. Nur 16 Prozent halten dies noch für sehr wichtig. "Digitalisierung und Nachhaltigkeit treiben sich wechselseitig und sollten daher integriert bearbeitet werden", so Horváth-Experte Ralf Sauter.