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Erneut mehr Vorständinnen in großen Unternehmen, Dynamik lässt aber nach

DIW Managerinnen-Barometer: Mindestbeteiligung für Vorstände wirkt, Weg zur Geschlechterparität bleibt aber weit.
Gesetzliche Mindestbeteiligung für Vorstände wirkt - Dynamik lässt aber nach © Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW Berlin)
 

Der Frauenanteil in den Vorständen und Aufsichtsräten großer Unternehmen in Deutschland ist im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Die 200 umsatzstärksten Unternehmen (Top-200) des Landes hatten im Spätherbst 2022 ihre Vorstände im Durchschnitt zu rund 16 Prozent und ihre Aufsichtsräte zu rund 31 Prozent mit Frauen besetzt. Im Vergleich zum vorherigen Jahr war der Anstieg mit knapp einem beziehungsweise einem halben Prozentpunkt jedoch gering und in den Vorständen deutlich niedriger als ein Jahr zuvor. Das geht aus dem Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor, an dem auch Forscher*innen der Freien Universität Berlin beteiligt sind.

Nachdem die gesetzliche Mindestbeteiligung für Vorstände 2021 für ordentlich Schwung gesorgt hatte, haben viele Unternehmen in ihren Bemühungen offenbar wieder nachgelassen. Betrachtet man innerhalb der Top-200-Gruppe nur jene Unternehmen, die sich an die Mindestbeteiligung halten müssen, lag der Anteil der Vorständinnen mit gut 19 Prozent etwas höher. Die Vorgabe gilt für aktuell rund 60 Unternehmen, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind und einen mindestens vierköpfigen Vorstand haben. „Das gesetzliche Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände wirkt“, sagt Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin. „Doch auch mit der gesetzlichen Vorgabe ist es bis zur Geschlechterparität kein Sprint, sondern eher ein Dauerlauf.“

DAX-40 und Unternehmen mit Bundesbeteiligung stechen 2022 positiv heraus

Erneut wurden im DIW Managerinnen-Barometer die Frauenanteile in Vorständen und Aufsichtsräten von mehr als 500 Unternehmen erhoben – darunter die 200 umsatzstärksten Unternehmen, 160 in den DAX-Indizes notierte Unternehmen, 100 Banken, 60 Versicherungen und 69 Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist. Die Frauenanteile in den Spitzengremien liegen je nach Unternehmensgruppe auf unterschiedlichen Niveaus, das generelle Bild ist jedoch relativ vergleichbar: In Vorständen sind Frauen deutlich seltener vertreten als in Aufsichtsräten und die Anstiege waren in beiden Gremien im vergangenen Jahr eher mau. Mit größeren Steigerungen voran gingen jedoch die DAX-40-Unternehmen (erstmals mehr als 20 Prozent Frauen im Vorstand) und die Unternehmen mit Bundesbeteiligung (erstmals mehr als 30 Prozent Frauen im Vorstand). „Die DAX-Unternehmen stehen im Fokus der Öffentlichkeit und an die Bundesunternehmen werden generell höhere Erwartungen gestellt“, gibt Virginia Sondergeld aus der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin zu bedenken. „Aber das soll die positivere Entwicklung in diesen Gruppen nicht schmälern – es ist wichtig, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen.“

Unternehmen mit verschiedenen Geschwindigkeiten in ihren Gleichstellungsbemühungen

Die Politik hat in den vergangenen Jahren vor allem mit den beiden Führungspositionen-Gesetzen den Weg für mehr Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten bereitet. „Bis zur Geschlechterparität ist es aber noch immer weit“, sagt Wrohlich. „Nun sind die Unternehmen am Zug: Neben mehr Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten kommt es auch auf die passende Unternehmenskultur an, auf ein Klima, das Gleichstellung begünstigt und eine inklusive Arbeitskultur fördert.“

Wie eine weitere Analyse im Rahmen des diesjährigen Managerinnen-Barometers zeigt, kristallisieren sich mit Blick auf die Gleichstellungsbemühungen der Unternehmen zwei Geschwindigkeiten heraus. Anja Kirsch und Philipp Alexander Thompson von der Freien Universität Berlin haben gemeinsam mit den DIW-Kolleginnen über 500 Jahresabschlüsse der Unternehmen, die in den Jahren 2009 bis 2022 im DAX-30 beziehungsweise DAX-40 vertreten waren, untersucht. Demnach setzen die Unternehmen die gesetzlichen Berichtspflichten sehr unterschiedlich um. Zwar hat der Umfang der Angaben zu Frauen und Führungspositionen in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Letztlich lässt sich aber auf der einen Seite eine gleichstellungsorientierte Gruppe von Unternehmen identifizieren, die konkrete Maßnahmen für mehr Frauen in Führungspositionen in den gesetzlich vorgeschriebenen Berichten dokumentiert. Auf der anderen Seite gibt es eine complianceorientierte Gruppe, die in erster Linie daran interessiert scheint, die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.

Die gleichstellungsorientierte Gruppe verzeichnet einen deutlich höheren Frauenanteil im Aufsichtsrat und sowohl im Vorstand als auch im Aufsichtsrat eine größere Dynamik. „Die gesetzlichen Berichtspflichten haben die Transparenz nachweislich erhöht“, resümiert Kirsch. „Neben zahlenmäßigen Vorgaben tragen also auch die Vorgaben zur Berichterstattung dazu bei, die öffentliche Aufmerksamkeit zu erhöhen und so den Weg zur Geschlechterparität weiter zu ebnen.“