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Medientage München Eröffnung: Debatte über digitale Wert(e) und Wertschöpfung

München – Der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat sich zum Auftakt der MEDIENTAGE MÜNCHEN gegen die sogenannte Kulturflatrate und gegen staatliche Pressesubventionen, aber für ein Leistungsschutzrecht ausgesprochen. Im Rahmen einer werteorientierten Medienpolitik müsse der Gesetzgeber außerdem Verbraucher-, Jugend- und Datenschutzrecht an die digitale Medienwelt anpassen. Zur Debatte über das Projekt Google Street View sagte der bayerische Ministerpräsident, er habe „großes Verständnis für die Protestierenden und das Gefühl der Ohnmacht angesichts der Marktmacht der beteiligten Unternehmen“. Aufgabe der Politik sei es, im Sinne der Bürger „ein Gegengewicht zu diesen internationalen Großunternehmen“ zu schaffen, forderte Seehofer, der mit seiner Rede zum ersten Mal die MEDIENTAGE MÜNCHEN eröffnete. Auch Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring plädierte für eine Regulierung zugunsten einzelner Bürger und kleinerer Unternehmen. Aufgabe der Medienpolitik müsse es primär sein, Wettbewerb und Vielfalt zu sichern. Deshalb, so führte der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und Vorsitzende der Gesellschafterversammlung der Medientage München an, müsse vor allem ein chancengleicher Zugang zu Netzen und Plattformen gewährleistet werden.

Dr. Mathias Döpfner zeigte sich beim Mediengipfel in München in seiner Keynote davon überzeugt,
dass die Digitalisierung für die Medienbranche mehr Chancen als Risiken mit sich bringe. Der Vorstandsvorsitzende
der Axel Springer AG skizzierte das Bild einer „neuen Ära der Technologie, bei der wir erst am Anfang stehen“. Vor allem die neue Generation der Smartphones und Tablet-PCs ermögliche neue Geschäftsmodelle. Voraussetzung aber seien einfache Bedienbarkeit und optimierte Bezahlsysteme. Schließlich seien Smartphone-Nutzer das Bezahlen bereits gewohnt, so dass ein Abschied von der All-for-free-Philosophie des Internet möglich sei. Die neuen Touchscreen-Endgeräte, so lobte Döpfner, kämen traditionellen Lesegewohnheiten entgegen und ermöglichten einen bequemen „Lean-Back-Medienkonsum“. Voraussetzung für geschäftliche Erfolge mit digitalen Inhalten sei allerdings, dass die Branche zwei große Gefahren abwehre: die Gratis-
Mentalität von Online-Nutzern und die Konkurrenz der öffentlich-rechtlichen Programmanbieter. Deshalb müsse für die neuen digitalen Angebote – entweder von Nutzern oder im Rahmen eines Leistungsschutzes – ein Entgelt verlangt werden. Außerdem müssten auch ARD und ZDF dazu verpflichtet werden, ihre öffentlich-rechtlichen Mobile-Media-Applikationen künftig ausschließlich gegen eine zusätzliche Gebühr anbieten zu dürfen. Zusätzlich müsse die Politik verbieten, dass ARD und ZDF den privatwirtschaftlichen Wettbewerbern Werbeeinnahmen streitig machten.

Ministerpräsident Seehofer unterstützte Döpfners Forderung nach öffentlich-rechtlichen Programmen ohne Werbung, machte aber klar, dass ein entsprechender Vorschlag im Kreis der zuständigen Ministerpräsidenten derzeit nicht durchzusetzen sei. Wenn ab 2013 die Rundfunkgebühr durch einen neuen Rundfunkbeitrag pro Haushalt oder Betriebsstätte ersetzt sei, könne erneut um die
Werbefreiheit von ARD und ZDF gerungen werden. Zu diesem Zweck sei von den Ministerpräsidenten bereits eine Arbeitsgruppe gegründet worden. Noch aber dürfe die Umstellung der Gebührensystematik
nicht durch „zu viele Unwägbarkeiten belastet werden“.

Anlässlich von Protesten aus der Wirtschaft, das neue Beitragssystem belaste vor allem kleinere und mittlere Unternehmen zu stark, deutete Seehofer noch mögliche Korrekturen an. Die Annahme, dass die Abkehr von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr den öffentlich-rechtlichen Programmanbietern erhebliche Mehreinnahmen beschere, bezeichnete der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust in der anschließenden Mediengipfel-Diskussion als „sehr unwahrscheinlich“. Sollte es aber doch so kommen, ließen sich künftige Gebührenerhöhungen hinauszögern. In Bezug auf die umstrittenen Smartphone-Apps der Tagesschau sagte Boudgoust, es sei durchaus vorstellbar, dass die ARD für ähnliche Angebote künftig ein Entgelt verlange. ZDF-Intendant Prof. Markus Schächter reagierte auf Döpfners Kritik am öffentlich-rechtlichen Online-Engagement mit der Bemerkung,die Angebote von ARD und ZDF spielten im Internet eine deutlich geringere Rolle als angenommen.

Vor einer großen Herausforderung sieht sich die Branche, so wurde zum Auftakt der MEDIENTAGE MÜNCHEN deutlich, angesichts der zunehmenden Verschmelzung von TV und Internet: Beim sogenannten Hybrid-TV können Online-Inhalte und WWW-Videos direkt neben klassische Fernsehprogramme platziert werden. So ziele etwa das neue Angebot von Google TV auf die Fernsehwerbung, erklärte Andreas Bartl, der im Vorstand der ProSiebenSat.1 Media AG für die
deutschen Free-TV-Programme des Unternehmens zuständig ist. Dass die zunehmende Verbreitung
von Videos im Internet zur Gefahr für Free-TV-Anbieter werden könnte, machte auch die Anmerkung
von Anke Schäferkordt, Geschäftsführerin der Mediengruppe RTL Deutschland, deutlich.
Ihr Unternehmen biete via YouTube keine Inhalte an, um nicht die Markenhoheit über eigene Angebote
zu verlieren.

Zu den umstrittenen Themen des Mediengipfels zählte auch das vor allem von Verlagen geforderte
Leistungsschutzrecht. Der Burda-Vorstandsvorsitzende Dr. Paul-Bernhard Kallen zeigte ebenso wie Döpfner Unverständnis für die Haltung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), der ein entsprechendes System ablehnt. Kallen verwies darauf, der BDI kämpfe gegen Patentverletzungen in China, wolle aber zugleich zulassen, dass im Internet Dritte mit fremden Inhalten Geld verdienen könnten. Philipp Schindler, Managing Director Northern & Central Europe von Google, erwiderte, das deutsche Urheberrecht reiche völlig aus. Mit dem zurzeit diskutierten Modell für ein Leistungsschutzrecht würden zugleich Zitatrecht und Informationsfreiheit gefährdet. Dr. Herbert Kloiber, Geschäftsführender Gesellschafter der Tele München Gruppe, merkte zu der aktuellen Diskussion über das Leistungsschutzrecht an, die Verlage würden sich noch wundern, wie aufwendig und teuer ein System sei, um entsprechende Gebühreneinnahmen zu erzielen und gerecht zu verteilen.

Dass ökonomische Wertschöpfung und gesellschaftliche Werte in einem extremen Spannungsverhältnis stehen können, machte Gipfel-Moderator Helmut Markwort anhand von Beispielen aus Shows und Real-Life-Formaten von RTL deutlich. Was Markwort als „Proleten-TV“ bezeichnete und Boudgoust als „Sozialpornografie“ kritisierte, nannte RTL-Geschäftsführerin Schäferkordt „ein Stück Lebenswirklichkeit“. Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), argumentierte, quotenstarke Massenware trage dazu bei, Qualität zu finanzieren. Ministerpräsident Seehofer forderte in diesem Zusammenhang, Nachrichten und Informationen müssten auch bei Privatsendern Programmbestandteil bleiben. BLM-Präsident Ring verlieh bei dieser Qualitätsdebatte erneut seiner Forderung Nachdruck, für privatwirtschaftliche und öffentlichrechtliche Anbieter müssten identische Maßstäbe gelten, deren Einhaltung auch von einer zentralen Instanz überwacht werden müsse.

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Über Medientage München GmbH

Die Medientage München GmbH ist Veranstalter der MEDIENTAGE MÜNCHEN sowie weiterer hochkarätiger Fachveranstaltungen. www.medientage.de