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TOP 100 Medienunternehmen in England: Die Zukunft liegt außerhalb der Werbe-Etats

Diversifizieren oder Schrumpfen – das ist die zentrale Botschaft einer Analyse der 100 umsatzstärksten Medienkonzerne Großbritanniens. Wie im vergangenen Jahr hat die internationale Strategieberatung OC&C auf Basis der Ergebnisse den Media Top 100 Index erstellt. Das Ranking orientiert sich am Umsatz und zeigt eindrucksvoll die sinkende Bedeutung von Werbeeinnahmen für Medienhäuser. Klassische werbebasierte Geschäftsmodelle geraten zunehmend unter Druck. So rutschen beispielsweise Fernsehsender und Tageszeitungen in der britischen Top 100 Liste nach unten. Andere Branchen, wie Verlagshäuser mit akademischem Angebot oder Marktforscher schlagen sich in der Krise deutlich besser. Dabei haben die führenden Unternehmen eines gemeinsam: Sie diversifizieren ihr Umsatzportfolio, verringern die Abhängigkeit von Werbung und setzen vermehrt auf Leser und Konsumenten.





London/ Hamburg, 15. Dezember 2009. Die am Umsatz gemessen 100 größten Medienkonzerne Großbritanniens erreichten im vergangenen Jahr ein Umsatzwachstum von durchschnittlich 6,4% und konnten sich damit klar gegen den allgemeinen Trend der Wirtschaft behaupten. Zwischen den einzelnen Unternehmen existieren jedoch mit Blick auf die Entwicklung signifikante Unterschiede, die den Strukturwandel in der Branche deutlich unterstreichen. Die Top-Performer setzten mit innovativen Produkten und kreativen Preismodellen vermehrt auf Endkunden und Nutzer als Einnahmequelle. Damit reduzierten sie ihre Abhängigkeit vom Werbeumsatz, dessen ohnehin vorhandener struktureller Abwärtstrend von der Wirtschaftskrise noch zusätzlich verstärkt wird. Klassische werbefinanzierte Geschäftsmodelle verloren an Boden – nicht nur TV Sender rutschten in der Rangliste nach hinten, auch für etliche Zeitungsverlage haben sich die Vorzeichen weiter verschlechtert. Dies sind die wesentlichen Erkenntnisse einer Analyse des internationalen Beratungsunternehmens OC&C Strategy Consultants.



„Die fortschreitende Migration von Lesern und Nutzern zu Online-Angeboten und die daraus resultierende Umschichtung von Werbeetats werbungtreibender Unternehmen stellt viele Medien vor existenzielle Fragestellungen. Die Rezession hat die Talfahrt vieler von Werbung abhängiger Aktivitäten beschleunigt. Während klassische Werbung als Umsatztreiber an Gewicht verliert, wird die direkte Monetarisierung von Inhalten für Wachstum immer wichtiger“, so Michael Rzesnitzek, Medien-Partner bei OC&C Deutschland.



Die Bedeutung dieser Diversifizierung wird an der Betrachtung einzelner Segmente besonders deutlich. So zeigten sich beispielsweise Informationsdienste, Markforscher oder das Verlagswesen im akademisch/wissenschaftlichen Bereich in der Krise besonders robust. „Diesen Anbietern ist es nicht nur gelungen, durch innovative Paketpreise und zielgerichtete Produktangebote die Nutzerschaft auch online an sich zu binden sondern zusätzlich für Inhalte weiterhin hohe Preise zu erzielen“, so Michael Rzesnitzek. Aber auch Pay TV Anbieter, die einen relativ großen Anteil ihrer Umsätze aus den Beiträgen ihrer Nutzer generieren, stehen vergleichsweise gut da.



Anders erging es beispielsweise vielen britischen Zeitungen. Die traditionell stark vom Werbemarkt abhängigen Anbieter wurden doppelt getroffen. Zwar wurden dringend notwendige Anpassungen der Prozessabläufe an die veränderten Marktkonditionen, beispielsweise durch Personalabbau und Reduktion der Fixkosten, angestoßen. Die Maßnahmen konnten jedoch den Sinkflug der Gewinne nur teilweise kompensieren. Klassische Fernseh- und Radiosender haben ebenfalls mit strukturellen Widrigkeiten zu kämpfen.



Auch ein Blick auf die TOP 20 der von OC&C erarbeiteten Liste zeigt ähnliche Ergebnisse: „Neun der zehn größten Medienunternehmen erwirtschaften ihre Umsätze zu signifikanten Teilen aus Quellen ohne Werbebezug, unter anderen Abonnements“, bemerkt Andreas von Buchwaldt, ebenfalls Medien-Partner bei OC&C. Eine Ausnahme bildet Google UK auf dem 10. Rang der Liste: „Die Einnahmen des Internet-Giganten Google basieren zwar auf Werbung. Als Online-Anbieter profitiert er jedoch von der Migration der Werbeetats hin zu eher abverkaufsorientierteren, effizienteren Medien mit besseren Möglichkeiten eines Leistungsnachweises. Als mit Abstand führender Anbieter von Performance Werbung bzw. Suchmaschinenmarketing dominiert Google einen der wenigen Wachstumsbereiche der Branche“, so von Buchwaldt weiter. ITV hingegen, welches massiv vom traditionellen TV Werbemarkt abhängig ist, rutscht aus den TOP 10 und findet sich in diesem Jahr nur noch auf Platz 11. Eine Abschreibung von £ 2,309 Mrd. im Fernseh- und Rundfunkbereich belastet zudem das Ergebnis und zeigt eindrucksvoll die düsteren Zukunftserwartungen für den Umsatz mit TV-Werbung.





Die Top 20 britischen Medienunternehmen gemessen am Umsatz:



Rang 2009 / Name / Umsatz aktuell (£m) / Umsatz Wachstum (%) / Rang 08

1 / Thomson Reuters / 8.090 / 29,2% / n/a
2 / WPP / 7.477 / 20,9% / 1
3 / Reed Elsevier / 5.334 / 16,4% / 2
4 / British Sky Broadcasting / 4.987 / 5,1% / 4
5 / BBC / 4.906 / 4,6% / 3
6 / Pearson / 4.811 / 15,6% / 5
7 / Virgin Media / 4.016 / -1,4% / 6
8 / Daily Mail & General Trust / 2.312 / 3,4% /8
9 / Yell / 2.219 / 6,9% / 10
10 / Google UK / 2.099 / 20,0% / 118
11 / ITV / 2.029 / -2,5% / 9
12 / Newscorp / 1.697 / -1,4% / 12
13 / EMI / 1.458 / -19,4% / 11
14 / Independent News & Media / 1.438 / -11,8% / n/a
15 / Publicis / 1.354 / 1,7% / 13
16 / Aegis / 1.342 / 21,3% / 15
17 / Informa / 1.278 / 13,2% / 17
18 / Time Warner / 1.152 / 8,6% / 14
19 / Walt Disney International / 1.072 / 10,9% / 19
20 / Taylor Nelson Sofres / 1.070 / 6,5% / 18



Die strategischen Herausforderungen liegen auf der Hand. „Die Unternehmen müssen frühzeitig in den Kundenwert investieren, ihre Produkte und Geschäftsmodelle an die neuen Marktbedingungen anpassen und Nutzern und Werbungtreibenden neue, intelligente Preis-Modelle bieten“, fasst von Buchwaldt zusammen. „Traditionelle Medienkonzerne werden künftig weniger Geld durch Werbung verdienen. Im Laufe der kommenden fünf Jahre werden rund zwei Drittel der Umsätze direkt mit Endverbraucher- und Business-to-Business-Modellen generiert.“ Diversifizierung ist also das Gebot der Stunde. Das gilt auch für deutsche Medienunternehmen.