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EU-Datenschutz: Parlament schwächt Pressefreiheit

EU-Parlament streicht europarechtlich verbindlichen Schutz journalistischer Datenverarbeitung. Rückschritt für Presse- und Medienfreiheit in der EU.
Mit Kritik und Unverständnis haben BDZV und VDZ auf die heutige Entscheidung des EU-Parlaments reagiert, den Schutz der Presse- und Medienfreiheit im neuen europäischen Datenschutzrecht empfindlich zu beschneiden.

„Anstatt die redaktionelle Pressefreiheit im neuen EU-Datenschutzrecht gegen Kontrollbestrebungen der Mitgliedsstaaten zweifelsfrei zu schützen, bleibt das EU-Parlament beim Schutz der journalistischen Arbeit noch hinter dem Stand von 1995 zurück“, erklärten Sprecher von BDZV und VDZ heute in Berlin, „das ist ein umso größerer Skandal als das EU-Parlament ansonsten nie müde wird, auf Gefahren für die Pressefreiheit in Europa und der Welt hinzuweisen.“

Bei der Neuordnung des EU-Datenschutzrechtes geht es auch darum, den in der EU-Richtlinie seit 1995 garantierten Schutz der journalistisch-redaktionellen Tätigkeit von der Speicherung personenbezogener Daten im Redaktionsarchiv bis hin zur Verarbeitung solcher Daten durch die freie Veröffentlichung in Artikeln und Online-Archiven zu erhalten. Ansichten und Verhaltensweisen von Personen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind personenbezogene Daten, die mit der Speicherung im Redaktionsarchiv oder der Veröffentlichung in Artikeln im datenschutzrechtlichen Sinne verarbeitet werden. Wenn diese journalistische Datenverarbeitung nicht mehr zweifelsfrei vom Datenschutzrecht ausgenommen wird, droht die Kontrolle der Redaktionen, ihrer Archive und ihrer Veröffentlichungen durch Datenschutzbehörden nach Vorgaben, die mit Presse- und Meinungsfreiheit unvereinbar sind.

Dennoch hat das EU-Parlament heute den ausdrücklichen und verpflichtenden Schutz der Verarbeitung personenbezogener Daten „zu journalistischen Zwecken“ durch eine unbestimmte Ermächtigung an die Mitgliedsstaaten ersetzt, den Schutz von Privatsphäre und Meinungsfreiheit miteinander in Einklang zu bringen. Damit setzen sich die Parlamentarier über Voten des Rechts- und Industrieausschusses hinweg, die den Schutz journalistischer Datenverarbeitung stärken wollten. Und auch gegenüber dem Kommissionsvorschlag von Vizepräsidentin Reding bleibt das EU-Parlament zurück.

Als irreführend und unzutreffend weisen die Verlegerverbände Äußerungen des Berichterstatters zum EU-Datenschutz, Jan-Philipp Albrecht (Grüne), zurück, der in der gestrigen Aussprache im EU-Parlament erklärte, Befürchtungen von Verlegern und Journalisten seien unberechtigt, weil sich für sie gegenüber dem geltenden Recht nichts ändere.

Denn nach der Streichung des expliziten Schutzes jeder Datenverarbeitung „zu journalistischen Zwecken“ ist nicht einmal mehr zweifelsfrei, ob Datensammlungen wie das Redaktionsarchiv von der Datenschutzkontrolle auszunehmen sind.

Sodann werden nach der verabschiedeten Fassung des einschlägigen Art. 80 die geltenden Schutzbestimmungen in allen Mitgliedsstaaten gegenstandslos und müssen durch neue Gesetze in jedem Land ersetzt werden. Damit hängt der Erhalt der aktuellen redaktionellen Freiheit nach Inkrafttreten des neuen EU-Datenschutzrechts davon ab, dass die Mitgliedsstaaten bereit und in der Lage sind, Gesetze zu einem klaren Schutz der journalistischen Datenverarbeitung zu verabschieden. Angesichts vielfach vorhandener politischer Wünsche, Redaktionen intensiver zu kontrollieren, drohen damit für die Presse- und Medienfreiheit gefährliche Diskussionen – nicht nur in Ungarn.

Es stellt sich schließlich die Frage, wieso die Mitgliedsstaaten ohne weiteres einen klaren und zweifelsfreien Schutz der Journalisten schaffen sollten, wenn sich nicht einmal das EU-Parlament trotz entsprechender Vorschläge aus Rechts- und Industrieausschuss dazu in der Lage sah?

Der Rechts- und der Industrieausschuss hatten einen unmittelbar und umfassend geltenden Schutz der journalistischen Datenverarbeitung vorgeschlagen, mit dem das EU-Parlament ein immer wichtiger werdendes Element der journalistischen Presse- und Medienfreiheit europaweit hätte festschreiben können. Es ist zu hoffen, dass dieses Versäumnis in den zu erwartenden Verhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Ministerrat und EU-Kommission über die Endfassung der EU-Datenschutznovelle korrigiert werden kann.

Deutsche und europäische Verleger- und Journalistenverbände setzen sich gemeinsam für einen umfassenden und unmittelbaren Schutz der Presse- und Medienfreiheit im künftigen EU-Datenschutzrecht ein. Sie richten eine Petition an alle drei beteiligten EU-Organe, Kommission, Parlament und Ministerrat: https://www.change.org/petitions/art80.

Die EU-Datenschutzverordnung berührt neben der redaktionellen Pressefreiheit auch wirtschaftliche Bedingungen freier gedruckter und klassischer Presse wie die Leserwerbung und digitale Geschäftsmodelle (www.vdz.de/medienpolitik-singlenews/news/eu-parlament-setzt-pressefreiheit-aufs-spiel-1/).