print logo

platform X – Wie sich die mittelständische VNR Gruppe mithilfe der Cloud digitalisiert

Cloudbasierte Datenplattform „platform X“ von VNR verzahnt Marketing und Fulfillment.
Venera D'Elia | 09.11.2022
Mit der umfassenden digitalen Transformation, der platform X-Strategie und ihrer Cloud-Migration schafft die VNR Gruppe Zukunftsfähigkeit, so konsequent wie kaum ein anderer mittelständischer Verlag in Deutschland. © VNR Gruppe

Bei der VNR Gruppe, einem der größeren deutschen Fachverlage, ist die digitale Transformation weit mehr als ein Lippenbekenntnis – sie ist der Kern der Unternehmensstrategie. Ein wichtiges Element dieser Digitalisierung ist der konsequente Weg in die AWS Cloud (Amazon Web Services), für den sich das Verlagshaus Unterstützung beim Partner Arvato Systems geholt hat. 

Die VNR Gruppe 
Als Norman Rentrop die „VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG“ 1975 gründete, erschien das erste Produkt unter dem Titel „Die Geschäftsidee“. Heute ist das mittelständische Verlagshaus mit Hauptsitz im Bonner Stadtbezirk Bad Godesberg der achtgrößte deutsche Fachverlag. Die VNR Gruppe, die mit ihren 470 Mitarbeitern in sieben Ländern auf der ganzen Welt aktiv ist, erzielt Jahresumsätze von 130 Millionen Euro. Seit jeher war es das Ziel des Familienunternehmens, Menschen beruflich und privat stetig erfolgreicher zu machen. Dazu macht die VNR Gruppe Expertenwissen und Fachinformationen für unterschiedlichste Zielgruppen verfügbar und nutzbar. Die Produkte, von Print bis Webinar, werden um Services wie Workflow-Lösungen, E-Learning, Sprechstunden und viele weitere ergänzt. Unter dem Dach der VNR Gruppe gibt es heute sieben Fachverlage und die platform X (www.pl-x.de), eine datengetriebene Marketing- und Fulfillment-Plattform für digitale Produkte, auch jene von Drittanbietern. Nachdem die VNR Gruppe im Oktober 2021 das Berliner Unternehmen PressMatrix übernommen hat, wird dessen SaaS-Plattform für Digital Publishing künftig ebenfalls Bestandteil von platform X sein. 

Die digitale Transformation 
Seit 2017 wird das Familienunternehmen in zweiter Generation durch Richard Rentrop geführt. Anfang 2018 kam Michael Schrader als COO dazu. Mit der neuen Führungsspitze begann die massive digitale Transformation des Unternehmens, die das Geschäftsmodell über die platform X Vision erweitert. Es wurden ein umfassender Change-Prozess in Gang gesetzt und die Neuausrichtung der IT. Die IT ist dabei eine zentrale Säule, entsprechend wurde das IT-Team massiv ausgebaut. Waren früher in der IT der VNR Gruppe 20 Mitarbeiter tätig, sind es heute mehr als 50 – und das Verlagshaus sucht weitere Spezialisten. Seit 2018 sind inzwischen mehr als ein Dutzend neuer digitaler Produkte entstanden, von prokita-portal.de über teachtoprotect.de bis zu vetox.de. Dahinter steht die digitale platform X Lösung für Marketing, Kundenservice & Fulfillment sowie Aboverwaltung. Die platform X nutzen heute auch schon vermehrt andere Verlage und andere Content Creator, die sich auf ihr Kerngeschäft fokussieren wollen.

Kein gewöhnlicher Verlag
Schon bei seiner Gründung vor mehr als 40 Jahren war der VNR Verlag anders aufgestellt als die meisten anderen Fachverlage. „Bei uns sind es von Anfang an externe Redakteure gewesen, die den Content erstellen“, erklärt COO Michael Schrader. „Die VNR Gruppe hatte nie eine typische Verlagsstruktur. Bei uns finden Sie keinen Druckereibetrieb und keine Druckstraßen. In einem gewissen Sinn erleichtert uns das natürlich die Ablösung vom alten Printgeschäft und den Wandel hin zu digitalen Produkten und Distributionswegen.“ Zum Selbstverständnis der VNR Gruppe gehört es nach wie vor, Produkte von unabhängigen, meinungsstarken Redakteuren zu verlegen und durch Nutzwertjournalismus von Praktikern für Anwender zu überzeugen. Dabei gibt die Verlagsgruppe keine zentrale Meinung vor, sondern stellt eine Art Bühne zur Verfügung, auf der die Redakteure verlässliche und geprüfte Informationen verbreiten.

Der Weg in die Cloud
Für Schrader war es klar: Um die Digitalisierungsstrategie umsetzen und die vielfältigen Projekte rund um platform X skalieren zu können, musste die VNR Gruppe ihre IT technisch und strategisch neu ausrichten – auf die Cloud. Eine Reihe von Systemen, die die VNR Gruppe entwickelt hatte, etwa in Bereichen wie Marketing und Fulfillment, liefen schon mehrere Jahre on premises oder auch gehosted. Jetzt galt es, sie in die Cloud zu bringen. Christopher Pansch, als Head of Software Solutions verantwortlich für die Softwareentwicklung, DevOps und die Cloud-Umgebung, erinnert sich an den Auswahlprozess: „Zuletzt waren Amazon Web Services, Google und Microsoft Azure bei uns im Rennen. Wir haben uns dann für einen Deep Dive zu AWS entschieden, mit sechs Proof-of-Concept-Projekten.“ 

Cloud-Spezialisten als Partner
An dieser Stelle kam Arvato Systems ins Spiel, genauer gesagt die „AWS Business Group“ des IT-Dienstleisters. Arvato Systems mit Hauptsitz in Gütersloh gehört zum Dienstleistungsunternehmen Arvato und ist Teil des Bertelsmann-Konzerns. „Arvato Systems ist für uns ein hochqualifizierter Ansprechpartner in allen Fragen rund um AWS“, erklärt Christopher Pansch. Für den IT-Dienstleister sprachen sein ausgewiesenes fachliches Know-how, seine Mittelstandsorientierung und sein Status als Partner im AWS Partnernetzwerk APN. „Arvato Systems ist für uns auch ein wertvoller Mittler gegenüber AWS“, so Pansch. „Aber für Arvato Systems spricht ebenso, dass sie selbst eine Partnerkultur leben und sich ihren Kunden gegenüber nicht bloß als Dienstleister verstehen. Sie haben ein extrem breites Themenspektrum und eine sehr agile Arbeitsweise. Die AWS Business Group von Arvato Systems ist für uns schon fast so etwas wie der verlängerte Arm unserer IT. Entsprechend viel unserer Kommunikation findet darum einfach über Instant Messaging statt, spontan und kurzfristig.“

Eigenes Cloud-Know-how
Dennoch war es der VNR Gruppe sehr wichtig, im Zuge der Cloud-Migration auch eigenes Know-how zu erlangen und auszuweiten. Dies geschieht zum einen durch einen strategischen Ausbau der IT-Abteilung – heute arbeiten dort mehr als 50 Spezialisten – und zum anderen durch ein konsequentes Schulungsprogramm. „Wenn man, wie wir, sein Geschäft digitalisieren will, reicht es eben nicht aus, bloß gute Absichten zu haben, man muss sie auch umsetzen können“, ist Pansch überzeugt. Von 2019 an gab es darum eine ganze Reihe von Schulungen durch AWS: etwa in Sachen Basiswissen, DevOps, Entwicklung und Sicherheit. Auch viele Workshops, die Arvato Systems mit der VNR Gruppe durchgeführt hat, trugen dazu bei, dass das IT-Team heute professionell mit der Cloud umgeht. „In den Aufbau von Fachwissen haben wir extrem investiert“, sagt Pansch. Auch die steigende Zahl an AWS-Zertifikaten belegt das wachsende Know-how: 2020 gab es fünf AWS-Zertifizierungen für Mitarbeiter im IT-Team, 2021 waren es schon mehr als 25.

Cluster-Technologie für skalierbares Webhosting
„Dennoch gab und gibt es Aufgaben, die so komplex sind, dass es uns schlicht lähmen würde, wollten wir sie selbst erledigen“, erklärt Pansch. „Das gilt zum Beispiel für das Kubernetes Cluster, das die Basis für unser skalierbares Webhosting ist. Dieses Cluster hat Arvato Systems komplett gebaut, und sie betreiben es auch für uns.“ Früher wurden die Digitalprodukte der VNR Gruppe durch WordPress-Multisites abgebildet, die auf herkömmlich gehosteten, physikalischen Root-Servern liefen. Heute ermöglicht es ein Kubernetes Cluster – unter Einsatz des Amazon Elastic Kubernetes Service –, alle WordPress-Instanzen zu konsolidieren. Durch Kubernetes gewinnen die Online-Services der VNR Gruppe eine viel höhere Ausfallsicherheit und Verfügbarkeit, weil der Betrieb an mehreren Standorten in Containern erfolgt, die nur die Dienste enthalten, die benötigt werden. In den Containern sind sowohl Word-Press-Plug-Ins als auch Themes integriert. CloudFront, das Amazon Content Delivery Network, übernimmt die Auslieferung, und eine Web Application Firewall sichert sie ab. Damit sind Datenhaltung und Auslieferung entkoppelt und skalieren völlig unabhängig voneinander. Nur bei Lastspitzen werden heute zusätzliche Container erzeugt. „So können wir zugleich die Pay-per-Use-Modelle in Sachen Servereinsatz optimal nutzen und Kosten reduzieren“, sagt Pansch.

Fulfillment-System für die USA
Auch in anderen Bereichen, etwa im Enterprise-Development, greift die VNR Gruppe auf das Fachwissen von Arvato Systems zurück. Deren Java-Entwickler tragen stark zur Umsetzung eines neuen Fulfillment-Systems für die USA bei, das als Bestandteil von platform X in einem zweiten Schritt auch für Europa genutzt werden soll. Der Dienstleister stellt Entwicklungsressourcen für dieses große Projekt bereit und berät und unterstützt bei der Umsetzung in der AWS-Cloudinfrastruktur. „Die Zusammenarbeit ist auch deswegen so gewinnbringend, weil Arvato Systems weiß, was mittelständische Unternehmen brauchen und wie man diese Ansprüche erfüllt“, so Pansch. Dabei ist es der konsequente Ansatz der VNR Gruppe, alles, was neu entwickelt und gebaut wird, auf der Plattform miteinander zu verzahnen. So greifen beispielsweise Self-Service, Nutzerverwaltung und die Marketingplattform mit dem Fulfillment-System ineinander. 

IT-Security und Machine Learning
Der Einsatz von Kubernetes-Clustern – ob in Sachen Webhosting oder Fulfillment-Strategie – führt auch zu einem Mehr an Sicherheit. „Gegenüber klassischem Webhosting bieten die Cluster eine viel kleinere Angriffsfläche“, sagt Pansch. „Davon profitieren wir im Hinblick auf unsere IT-Security.“ Eine weitere wichtige Säule für die digitale Gegenwart und Zukunft der VNR Gruppe ist die neue Datenplattform, mit der das DATA-Team, die Data Scientists des VNR Verlags, arbeiten. „Die Datenplattform ist für uns zum einen die Basis für Data-Driven-Marketing und zum anderen für die Erstellung von Prognosen“, so Pansch. Die VNR Gruppe hatte eine große Menge an Kundentransaktionsdaten in einer Oracle-Datenbank abgelegt. Hier hat Arvato Systems gemeinsam mit den Entwicklern und Data Engineers der VNR eine automatische Extract-Transform-Load-Pipeline (ETL) geschaffen, die Datenrohformate mithilfe von Transformationsvorlagen in mehreren Schritten in verschiedene Zielformate konvertiert. Die Ergebnisse werden dann für das Datawarehousing in Amazon Redshift und für Machine-Learning-Zwecke in DynamoDB, den NoSQL-Datenbankservice von Amazon, importiert. Amazon SageMaker wiederum, die cloudbasierte Machine-Learning-Plattform, erfüllt den Integrationsbedarf von Daten und Maschinen im Hinblick auf das Training und Hosting von Machine-Learning-Prozessen. Neuen Mitgliedern im DATA- beziehungsweise Machine-Learning-Team der VNR Gruppe vereinfacht SageMaker so den Einstieg.

Zukunftsfähigkeit
Die Strategie der konsequenten Digitalisierung ihres Geschäfts bestimmt das Handeln der VNR Gruppe. Damit verändert sie ihr Gesicht: vom klassischen Fachverlag hin zu einem Hightech-Unternehmen. Zu platform X, der größten Unit der Verlagsgruppe, gehören Marketing & Sales, IT & Data sowie Fulfillment & Kundenservice. Für den deutschen Mittelstand – und für mittelständische Verlage – ist eine digitale Transformation in dieser Konsequenz noch die Ausnahme. Aber wie COO Michael Schrader betont: „Nur der stringente Weg der Digitalisierung sichert unsere Zukunftsfähigkeit.“ Die VNR Gruppe hat auf diese Erkenntnis Taten folgen lassen.