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Zeig her deinen Schreibtisch

Bloß nicht alles Private verbieten
29.06.12 | Interessanter Artikel bei Karriere-Spiegel

Mal dezent, mal voller Plüschtiere - der Mensch richtet sich auch im Büro gern häuslich ein. Designstudenten haben weltweit 700 Arbeitsplätze fotografiert. Auffällig: Asiaten mögen's kitschig, Europäer eher karg. Und jedes Klischee über Frauen und Männer stimmt.

Seit einem Jahr sitzt Elena Rovati auf der anderen Seite, an ihrem eigenen Schreibtisch im Büro eines Telekommunikationsriesen in Berlin. Sie schaut auf die vielen Verpackungen, die sie gesammelt hat, auf das italienische Magazin, in dem sie zur Inspiration und gegen das Heimweh blättert, und die mitgebrachten Dosen mit Essen. Sie weiß dann: dieser Verpackungsfimmel - typisch Designerin. Diese Sammelei - typisch Frau. Und selbstgekochtes Essen von zu Hause mitbringen - typisch italienisch.

Sie weiß das so genau, weil sie monatelang die Schreibtische anderer analysiert hat. Rovati zog mit ihrer Kamera durch ein Dutzend italienische Callcenter, Banken, Verwaltungen und Designbüros, fotografierte Schreibtische aus allen möglichen Winkeln und stellte Fragen: Seit wann arbeiten Sie hier? Welches Ding auf Ihrem Tisch würden Sie am meisten vermissen, welches gar nicht? Dann zählte sie die Objekte auf jedem Schreibtisch mit einer Strichliste. "Man merkt, wenn jemand viele Jahre in einem Büro arbeitet", sagt Rovati. Die Menschen richten sich dann ein.

Als Studentin war die Italienerin Teil einer internationalen Studie: Rund hundert Designstudenten knipsten 686 Bürotische in Auckland, im indischen Pune, in Taipeh, Hongkong, Kairo, Mailand oder Köln. Ein Teil der 10.000 Fotos ist abgedruckt im Buch "My Desk is my Castle". Hinter dem Projekt stehen die Designtheoretiker Michael Erlhoff und Uta Brandes. Als Seminarthema an der Kölner International School of Design nahm die Idee ihren Anfang.

Bloß nicht alles Private verbieten

"Die Dinge auf Bürotischen dienen dazu, den eigenen Status zu demonstrieren und sein Territorium zu markieren", sagt Uta Brandes. Was nicht auf den Tisch passt oder nicht gesehen werden soll, landet in der Schublade darunter, "die ist wie das Schlafzimmer zu Hause", der privateste Ort im Büro. "In einigen Firmen, die wir für die Studie untersuchten, gab es auch strenge Regeln: nichts auf dem Tisch, nichts an der Wand. Die Atmosphäre war freudlos." Brandes ist überzeugt: "Alles zu verbieten, wirkt sich richtig schlecht auf die Effizienz aus."

Vier Branchen reizten die Forscher besonders:

Callcenter, weil da in der Regel keiner einen festen Arbeitsplatz hat

Banken - hier kommen Kunden vorbei und sitzen mit am Tisch

Verwaltungen, denn dort bleibt man in der Regel lange Zeit angestellt

und Designbüros, weil Gestalter sich wohl auch auf eine reflektiertere Weise mit Design umgeben werden

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