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Zum Verständnis von Social Media Nutzertypen

Märkte sind Gespräche. Nicht erst seit 1999.
Volker Schnaars | 13.07.2012
Die Autoren des Clue Train Manifest haben verständlich zu machen versucht, dass die Marketingarbeit heute darin besteht, bidirektionale Kommunikationsverbindungen zu Einzelpersonen aufzubauen und zu pflegen. Dieser Austausch sollte persönlich und den Tatsachen entsprechend geführt werden. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die nur mit der Unterstützung von technischen Hilfsmitteln wie zum Beispiel Eloqua oder hubspot sie bieten, geleistet werden kann. Jedem, der seine Erfahrungen mit Excel-only macht, wird das sehr schnell klar werden.

Unabhängig davon bleibt aber die Tatsache bestehen, dass die Herausforderung "bidirektionale Kommunikationsverbindungen zu Einzelpersonen aufzubauen und zu pflegen", voraussetzt, dass eine Vorstellung darüber existiert, wie diese Personen
"gestrickt sind", wie sie "ticken".

"Die Märkte bestehen aus Menschen, nicht aus demographischen Segmenten.", heißt es im Clue Train Manifest.

Marketingverantwortliche in Unternehmen müssen die Interessen und Motive ihrer Gesprächspartner (Kunden) kennen und verstehen. 2011 ist die Marketingwirklichkeit aber offenbar immer noch eine andere. IMB konstatiert in seiner weltweiten CMO Studie:

"Es fehlt die persönliche Note. Die meisten CMOs schenken Märkten mehr Aufmerksamkeit als einzelnen Kunden." (Quelle: IBM, Global Chief Marketing Officer Study 2011)

Die Zusammenhänge sind das Problem.

Als Ursache für das mangelnde Verständnis des individuellen Kundenverhaltens wird die
enorme Menge vorhandener Daten und die damit einhergehende Schwierigkeit, sie sinnvoll und
sachlich zutreffend in Beziehung zu setzen, genannt. Mehrheitlich glaubt man, dass Social
Media Kanäle geeignet sind, die Kundenloyalität zu steigern und Kunden zu Empfehlungen zu
motivieren.


Socialmedia soll Kundenloyalität fördern. Abb: IBM, Global Chief Marketing Officer Study
2011, Abb. 9

Unstrittig ist auch, dass sich eine netzwerkübergreifenden Messung und Bewertung von
Social Media Marketing Effizienz nicht mit der bloßen Addition von "Likes", "Retweets", "Video Forwards" etc. begnügen kann. Die Herausforderung besteht darin, herauszufinden, wie sich derartige Nutzer-Aktivitäten hinsichtlich ihrer Kaufverhaltens-Relevanz interpretieren lassen.

Der von IBM durchgeführten CMO-Studie zufolge sind die Unternehmen davon aber noch weit entfernt:

"Die vier größten Herausforderungen für CMOs sind die Datenexplosion, Social Media, die wachsende Zahl von Kommunikationskanälen und -geräten sowie Änderungen im Verhalten der Verbraucher."



Die Herausforderungen für CMO: Big Data Abb: IBM, Global Chief Marketing Officer Study
2011, Abb. 4


Social Media-Nutzermotive verstehen.


Einen Ansatz, Social Media Nutzerverhalten mit menschlichen Motiven in Verbindung zu bringen und Nutzertypen zu definieren, macht AIMIA, ein auf Loyality Management spezialisiertes US-Unternehmen.

In der Studie "Staring at the Sun: Identifying, Understanding and Influencing Social Media Users" beschreibt AIMIA sechs unterschiedlich Social Media Nutzertypen. Die Nutzertypen werden anhand ihrer Motivationslage und ihres Teilnahmegrads auf Social Mediaplattformen charakterisiert.*


Segmentation "Social Media Nutzer Typen" nach AIMIA


Charakterisierungen der AIMIA SM-Nutzertypen:

"No Shows": wenig in Sozialen Netzwerken involviert, wenn überhaupt; unregelmäßige Nutzung
von online commerce "Newcomers": passive Nutzer jeweils eines bestimmten Sozialen Netzwerks, hauptsächlich zu Bereicherung von persönlichen Beziehungen im täglichen (Offline-)Leben

"Onlookers": beobachten regelmäßig über Social Media Kanäle die
Aktivitäten anderer, teilen aber nahezu keinerlei persönliche Informationen

"Cliquers": aktive Nutzer von Sozialen Netzwerken; sind Beeinflusser innerhalb ihrer kleinen sozialen
Gruppe von Freunden und Familie

"Mix-n-Minglers": teilen Informationen und interagieren regelmäßig über Soziale Netzwerke mit diversen Gruppen und Verbindungen

"Sparks": sehr aktive und sehr engagierte Nutzer Soziale Netzwerke; agieren als enthusiastische online Befürworter und Empfehler ihrer Lieblingsmarken

Die von AIMIA entwickelte Nutzer Segmentierung bietet, finde ich, gute Ansätze zur funktionalen Gestaltung von Inhalten und Nutzer-Ansprachen.

Inhalte, die sich an Clickers, Mix-n-Minglers und Sparks richten, sollten demzufolge mit
Call-to-Action Elementen, Sharing-Funktionen und Kommentierungs-Aufforderungen versehen
werden und zu deren Nutzung auch ausdrücklich auffordern.

Inhalte für Newcomers und Onlookers sollten
Curation-Funktionen anbieten, vor allem Social Bookmarking aber auch Dienste wie Pinterst, Scoop, Spool und ähnliche. No Shows machen wahrscheinlich etwa 90% der Internet-Nutzer aus. Im Hinblick auf dieses große Potential ist es wichtig, generell gute und aktuelle Inhalte anzubieten, deren passive Rezeption in einem hinreichenden Umfang zugelassen ist,ohne dass dafür eine Social Media Identität oder Email-Adresse eingefordert wird. Die
Konkretisierung möglicher Inhalte lässt sich thematisch weiter ausgestalten, indem je nach
Unternehmen und Produkt oder Dienstleistung weitere Kriterien zur Nutzertypisierung herangezogen werden, um das Interessensspektrum einzugrenzen.

Kriterien können zum Beispiel solche sein, die sich bei der persona-Entwicklung bewährt haben:

Name, Alter und Ausbildung

Sozioökonomische Klassenzugehörigkeit und sozioökonomische Bedürfnisse

Lebens- und berufliche Ziele, Ängste, Hoffnungen, Einstellungen

Gründe für die Verwendung eines bestimmten Produktes

Anforderungen und Erwartungen an ein bestimmtes
Produkt

Intellektuelle und physische Fähigkeiten, die im Produktzusammenhang relevant sind

Persönliche Fehleinschätzungen des Produktes oder der Produktkategorie

LinkedIn für die Recherche authentischer Buyer Personas benutzen.

Ein ausführlich erläutertes praktisches "How to Use LinkedIn" zur Erarbeitung authentischer Buyer Personas hat Sean Royer kürzlich auf Socialmediatoday veröffentlicht.

Royer demonstriert hier sehr anschaulich, wie es möglich ist, mit Hilfe von Recherchen in den Sozialen Netzwerken eine konkrete und authentische Vorstellung von den Charakteristika und Interessen von Personengruppen zu entwickeln und basierend darauf entsprechend relevante Kommunikationsangebote zu erbarbeiten. Aber lesen Sie selbst und machen Sie sich
ans Werk. Je konkreter und authentischer Ihre Vorstellung von den Interessen Ihrer Nutzer
sind, desto größer ist Ihre Chance, ins Gespräch und zu neuen Kunden zu kommen.



Zur Person: Volker Schnaars ist Marketing- und Kommunikationsfachmann mit umfangreichen Kenntnissen aus Projekten in vielen Industriebereichen und Branchen.
Über 20 Jahre hatte er leitende Vertriebs- und Marketingpositionen in internationalen Werbeagenturen und Dienstleistungsunternehmen inne.
Aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen im B2C und B2B Bereich begann er 2005 sich auf kundenfokussiertes Marketing zu spezialisieren. Ein Beratungsschwerpunkt liegt heute beim Inbound Marketing. Weitere Informationen unter: kontextb2b.de

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Abschließend noch ein Dank an Melanie Riedel, die in ihrem mrconsulting-Blog auf die
Infografik " SOCIAL MEDIA PERSONAS – IDENTIFYING, UNDERSTANDING AND INFLUENCING SOCIAL
MEDIA USERS" hingewiesen hat, was mich ich auf die AIMIA Studie aufmerksam gemacht hat.
Die Charakterisierungen in der Grafik basieren auf US-Daten, die AIMIA im Rahmen der
"Staring at the Sun"-Studie Ende 2011 in den USA erhoben hat. Eine ausführliche
Erläuterung des Studiendesigns und der Kriterien für die Nutzermodellierung gibt AIMIA in
der Dokumentation: "Staring at the Sun: Identifying, Understanding and Influencing Social
Media Users". Die Dokumentation zur Studie kann hier heruntergeladen werden. Zur
Infografik geht es hier lang.