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Empfehlungsmarketing

Wie werben in einer Zeit von Marketing-Overkill und Glaubwürdigkeitskrise? – Mit einem Jahrtausende alten Instrument – der Empfehlung.
Harry Weiland | 30.09.2005
Was ist die billigste und effektivste Form der Werbung? Klar doch: Die gute alte Mundpropaganda, Mouth-To-Mouth, die klassische Empfehlung. Der Glaube, dass eine gute Erfahrung eines Menschen, dem man vertraut, replizierbar ist. Werbung zum Nulltarif, und glaubwürdig wie kaum etwas Zweites.
Geschätzt zwei Drittel aller Geschäfte entstehen, weil ein Mensch einen anderen um Rat bittet und ihm ein Lieferant, ein Dienstleister und ein Produkt empfohlen wird. Die Urform der Werbung ist das Rückgrat vieler Geschäfte und trotzdem hat sie es im Zeitalter der Massenkommunikation und der Globalisierung schwer. Persönliche Beziehungen alleine reichen nicht, um bekannt zu werden und Leistungsfähigkeit zu kommunizieren. Auf Mundpropaganda alleine kann sich niemand verlassen. Viral Marketing hin oder her – nur wenige Produkte und Dienstleistungen haben so viel innovative Strahlkraft, dass man sich alleine auf sie verlassen könnte.

Herdentrieb plus Ehrfurcht
Ergo nutzen Dienstleister ein Werkzeug, das die persönliche Empfehlung in das Zeitalter der Massenkommunikation hinüber retten soll: Die Referenz. Der bestehende Kunde dient dabei als Qualitäts-Beweis. Der werdende Kunde soll mit dem Verweis auf den bestehenden Kunden Vertrauen gewinnen. Die Referenz soll im Kopf des potentiellen Kunden eine Melange aus Herdentrieb, Nachahmerdrang und Ehrfurcht vor großen Namen produzieren und letztlich nur zu einer simplen Schlussfolgerung führen: Wenn die für jenes Unternehmen arbeiten, können die nicht schlecht sein. Dass das Prinzip der Orientierung an der Vergangenheit funktioniert, zeigt die Analyse von Gesprächen über Dienstleister. Wir charakterisieren im zweiten Satz ein Unternehmen mit seinen Kunden: „Die arbeiten für...“. Ist es ein bekannter Name, drehen sich beim Gegenüber die Mundwinkel ehrfurchtsvoll nach unten.

Viele Logo-Friedhöfe
Ohne Frage: Die Referenz ist wichtig wie nie zuvor. Sie bietet Halt, Orientierung und dient der Positionierung. Nur, was machen Werbeagenturen und PR-Dienstleister aus diesem Kapital? So gut wie nichts. Die Referenz ist in der Marketingbrache genauso unterentwickelt wie die Mechanismen der Eigenwerbung und der Neukunden-Akquise. Mag sein, dass jede Agentur auf ihrer Website ein paar Firmennamen nennt. Aber was sagt das? Die „Logo-Friedhöfe“ auf Homepages und in Selbstdarstellungsbroschüren sind wirkungslos, weil sie keine Inhalte vermitteln. Und geschummelt wird an dieser Stelle wie sonst nirgends: So arbeitet wohl jede dritte Agentur in Deutschland für Siemens, die Deutsche Telekom hat gar nicht so viel Projekte, wie sie theoretisch Dienstleister haben soll und ein Lufthansa-Kranich macht sich immer gut in der Kundenspalte - selbst wenn man nur an einem Pitch für eine Konzern-Tochter teilgenommen hat. Alles ist möglich, nichts ist nachprüfbar und niemand ficht das muntere Name-Dropping an. Die Folge: Referenz-Rubriken sind unglaubwürdig und unbedeutend. Das Instrument verkommt.

Wo bleibt die Information?
Das Informations-Vakuum in den Referenz-Spalten verwundert, denn gerade Marketing-Dienstleister haben viel über ihre Kundenprojekte zu erzählen. Hinter jedem Kundenname – sofern er denn berechtigt auf dem Schilde geführt wird - steht schließlich eine spannende Story mit einem Problem, einer Strategie, einer Lösung und einem Ergebnis. Echte, konkrete Informationen, die ein potentieller Kunde gierig aufsaugen würde, bekäme er sie zu Gesicht. Sie könnten ihm zeigen, wie der Dienstleister arbeitet, welche Methodik er anwendet und zu welchen Ergebnissen er gelangt ist. Mit Daten und Zahlen und – mit Lernkurven und Fehlentwicklungen. Das wäre spannende B2B Kommunikation – von Fachmann zu Fachmann. Die Fallstudie, (englisch Case Study), ist das ideale Format für die Verlängerung positiver Leistungen aus der Vergangenheit in die Gegenwart und – wenn es klappt – in die Zukunft.

Ist die Fallstudie auch gut gemacht, leistet sie Besonderes: Sie gibt die Kundensicht wieder. Die Fallstudie ist kein Prospekt, der zeigt, wie der Dienstleister sich sieht, sondern sie dokumentiert, wie ein Kunde seinen Dienstleister bewertet. Die Fallstudie spiegelt Außensicht, nicht Selbstbeschreibung. Sie transportiert Lob, kein Eigenlob. Sie ist die Verlängerung der Mund-zu-Mund-Propaganda in andere Medien.

Unbeliebter Blickin den Spiegel
Warum nur blicken Marketing-Dienstleister so ungern in den Spiegel? Der Einwand ist beliebt: Die Kunden wollen angeblich nicht gern über ihre Strategien sprechen. Einstige Schwächen wollen sie nicht dokumentiert wissen. Das ist eine Ausrede. Wenn sich etwa zum Guten ändert, war der vorherige Zustand zwangsläufig nicht zum Allerbesten bestellt. Und wenn die Ergebnisse aller Taten stimmen, dann überwiegt das positive Moment des Erfolges über die Tatsache, das es vorher Schwächen gab. Wenn eine Marke heute glänzt, dann ist es egal, wenn sie in der Vergangenheit dümpelte. Das sieht auch ein Kunde so. Und welcher Auftraggeber liest nicht gern, wie er mit Agenturhilfe ein Problem seines Unternehmens lösen konnte. Nicht zuletzt, kann sich der Kunde damit auch im eigenen Unternehmen profilieren. Wo Erfolg existiert, kann man von ihm erzählen - egal welcher Zustand zuvor galt.

Mehr Inhalte
Die Folgerung ist simpel: Es müssen mehr Inhalte her. Wer überzeugen will, muss statt Hochglanz und schönem Schein Informationen bemühen. Inhalte wecken Interesse, Inhalte vermitteln Botschaften, Inhalte sind ehrlich, sie sind glaubwürdigere Werbung.
Gerade in diesen Tagen ist das wichtig wie nie zuvor, denn Kunden verlangen von ihrem Dienstleister nüchterne Effizienz. Image war gestern, Inhalte sind alles. Gerade wenn es um Referenzen geht.
Harry Weiland