print logo

Gendergerechte Sprache im Marketing

Immer mehr Unternehmen entscheiden sich für eine gendergerechte Sprache. Doch ob das Sinn macht, hängt vor allem von der Zielgruppe ab.
Yannik Sulzbacher | 09.04.2021
Gendergerechte Sprache im Marketing © freepik / maxim999
 

Kaum ein Thema erhitzt so zuverlässig die Gemüter wie die Diskussion um gendergerechte Sprache. Während sich die einen über die angebliche Verunstaltung der Sprache durch Binnen-I und Gendersternchen beschweren, ist für andere der sensiblere Umgang mit Personenbezeichnungen ein wichtiger Schritt zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen. In den vergangenen Jahren hat das Thema einen immer größeren Stellenwert eingenommen, sodass sich mittlerweile immer mehr Unternehmen die Frage stellen müssen, ob das generische Maskulinum noch zeitgemäß ist.

Immer mehr Unternehmen gendern

Gendern ist längst kein Randphänomen mehr, das zeigt eine aktuelle Umfrage der FAZ in Zusammenarbeit mit der Hochschule Darmstadt. Demnach sprechen sich 16 der 30 Dax-Konzerne für eine gendersensible Sprache aus. Zehn dieser Unternehmen kommunizieren bereits genderneutral, sechs weitere planen die Umsetzung. Nur zwei der Konzerne haben sich nach interner Diskussion dagegen entschieden.

Anfang März erregte ein Leitfaden von Audi Aufmerksamkeit, in dem der Automobilhersteller unter dem Slogan „Vorsprung beginnt im Kopf“ ankündigte, von nun an zu gendern und die Belegschaft kurzerhand in „Audianer_innen“ umbenannte. Gefundenes Fressen für all jene, die sich auf Social Media gerne über Gender-Wahnsinn beschweren. Auch der Duden musste sich Kritik gefallen lassen, nachdem er Anfang des Jahres Personen- und Berufsbezeichnungen um die weibliche Form ergänzte.

Leidet die Lesbarkeit?

Häufig wird die schwierige Lesbarkeit als Argument gegen gendergerechte Sprache angeführt. Der Lesefluss werde gestört und die Sprachästhetik leide. Mehrere Studien zu dem Thema gehen diesen Vorwürfen empirisch auf den Grund. Eine Studie von Braun et al. zeigt, dass gendersensible Texte ähnlich verständlich sind wie Texte, die im generischen Maskulinum gehalten sind. Allerdings zeigen sich geschlechterspezifische Unterschiede. Während Männer die traditionelle Schreibweise bevorzugen, präferieren Frauen die genderneutrale Bezeichnung.

Dass die sprachliche Ästhetik unter der Einbeziehung geschlechtsneutraler Personenbezeichnungen leiden kann, lässt sich dagegen nicht leugnen. Und tatsächlich ist das Schreiben guter, gendersensibler Texte zunächst eine Herausforderung und mit vielen Lerneffekten verbunden. Damit ein Text nicht zu einem Sternchen- oder Doppelpunktmassaker ausartet, braucht es Alternativen. Am elegantesten ist sicherlich die Verwendung geschlechtsneutraler Begriffe. Beispielsweise kann das Wort Zuschauer mit Publikum ersetzt werden und aus den Mitarbeitern wird Mitarbeitende oder die Belegschaft. Bei Anreden dagegen kann man auf die Paarform zurückgreifen, also sowohl die weibliche als auch die männliche Form verwenden. Weitere hilfreiche Tipps findet man auf genderleicht oder geschicktgendern.

Die Zielgruppe entscheidet

Ob ein Unternehmen sich für einen gendersensiblen Umgang mit Sprache entscheiden sollte, hängt maßgeblich von der Zielgruppe ab, welche das Unternehmen ansprechen will. Eine repräsentative Umfrage von Monster zeigt, dass 14 Prozent der Befragten auf eine gendergerechte Ansprache bestehen, während sich ein Drittel strikt dagegen ausspricht. Mit 41 Prozent gab der Großteil der Befragten an, dass sie die Relevanz des Themas erkennen, es aber auf die richtige Umsetzung ankäme. Ob einem das Thema wichtig ist, hängt hauptsächlich von Geschlecht und Alter ab. Bei den 19-24-Jährigen sprechen sich 23 Prozent für gendergerechte Sprache aus, bei den 25-34-Jährigen sind es immer noch 19 Prozent. Erst ab 35 geht die Tendenz zum generischen Maskulinum. Wenig überraschend ist auch, dass Frauen das Thema wichtiger ist als Männern.

Mit dem Einsatz von gendergerechter Sprache können Unternehmen zeigen, dass ihnen Themen wie Diversity und Gleichberechtigung wichtig sind. Das ist besonders dann relevant, wenn die eigene Zielgruppe in ein jüngeres und urbanes Spektrum fällt. Wer dagegen Autozubehör vermarktet, kann auf den Einsatz gendergerechter Sprache getrost verzichten.

Die Krux mit der SEO

Die Rücksichtnahme bei Google auf gendergerechte Formulierungen ist nicht besonders hoch. Um das zu erkennen, reicht ein kurzer Blick auf die Suchergebnisse. Google liefert bei der maskulinen Form weit mehr Ergebnisse, als wenn das Suchwort genderneutral gestaltet ist. Denn wer nur kurz etwas in die Google-Suchleiste eingibt, macht sich kaum die Mühe, eine gendersensible Sprache zu nutzen – das hat Auswirkungen auf den Algorithmus. Es gibt allerdings trotzdem ein paar Alternativen zum generischen Maskulinum. So kann man beispielsweise auf neutrale Formulierungen zurückgreifen oder die Paarform verwenden. Interessant ist auch, dass eine Schreibweise mit Doppelpunkt sowohl die männliche als auch gegenderte Formulierung bei den Suchergebnissen miteinschließt. Das funktioniert allerdings nur, wenn die gegenderte Form auch die männliche Schreibweise beinhaltet. Trotzdem bleibt es dabei, dass eine an SEO-Kriterien optimierte Sprache und genderneutrale Formulierungen nur sehr schwer zusammen umzusetzen sind.

Sprache wandelt sich und momentan spricht viel dafür, dass die Zeit des generischen Maskulinums sein Ende findet. Dabei handelt es sich um einen Prozess, der viele Menschen vor die Aufgabe stellt, lebenslang eingeübte Sprachbräuche zu überdenken. Eine solche Entwicklung benötigt Zeit. Bei einer Entscheidung für den Einsatz gendergerechter Sprache ist Feingefühl notwendig, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, man erhebe sich über die eigene Kundschaft. Deshalb sollte der Einsatz gendersensibler Sprache keinesfalls dogmatisch geschehen, sondern bestenfalls als Angebot verstanden werden.