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Stadt und Kunst – endlich wieder hautnah

Innenstädte profitieren vom künstlerischen Engagement: Christo und Jeanne-Claude in Paris, Kunstherbst in München, Kunstshopping in Baden-Baden.
Gabriele Braun | 06.10.2021
Christo und Jeanne-Claude "L'Arc de Triomphe, Wrapped" © GB
 

Innenstädte sind Orte der Begegnung und ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, der durch die Corona-Pandemie sehr gelitten hat. Durch die Pandemieeindämmung war die Einkaufsfrequenz stark rückläufig. Wie können Innenstädte nun die Besucherfrequenz wieder ankurbeln und Kunden ein attraktives Einkaufserlebnis bieten? Eine Möglichkeit wäre, auf Kunst im innenstädtischen Bereich zu setzen und neue Tourismusattraktionen zu schaffen. So sind Ausstellungen und Festivals ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, um den Einzelhandel und das Gastgewerbe in Städten in Schwung zu bringen. Doch auch die Kulturszene ist unter Corona stark gebeutelt worden. Und nun endlich dürfen wir sie wieder hautnah erleben.

Documenta sorgt für Tourismusboom

Alle fünf Jahre findet die documenta in Kassel statt. Vom 10. Juni bis 17. September 2017 wurde an mehr als 30 verschiedenen Orten, öffentlichen Institutionen, Plätzen, Kinos und Universitätsstandorten mehr als 160 internationale Künstlerinnen und Künstler vorgestellt. Auch wenn das künstlerische Fazit durchwachsen ausfiel und die finanzielle Bilanz miserabel war, erwies sich die documenta im Bereich Tourismus als sehr erfolgreich: An 100 Veranstaltungstagen kamen nach Kassel 891.500 Besucher. Insgesamt wurden in den Kassler Beherbergungsbetrieben 248.500 Gäste gezählt. Die Anzahl der Übernachtungen lag bei 472.600. Wie das Hessische Statistische Landesamt mitteilte, waren dies 36,8 Prozent mehr Gäste und 47,9 Prozent mehr Übernachtungen als in den Sommermonaten 2016. Ein weiterer Effekt: Vom Markenimage profitiert auch die Stadt Kassel sowie das Land Hessen und somit auch Deutschland. Der Anteil internationaler Besucher ist weiter gestiegen. 95 Prozent der in einer Evaluation Befragten kommen nur wegen der documenta nach Kassel und tragen zur Profilierung von Stadt und Land bei. Die nächste Documenta wird wie geplant vom 18. Juni bis 25. September 2022 in Kassel stattfinden

Nationale sowie internationale Galerien auf der Art Karlsruhe

Fahren wir weiter in den Süden, erreichen wir Karlsruhe. Dort zog 2020 die Art Karlruhe 50.000 Kunstsammler und -interessierte in die Karlsruher Messehallen. An den vier Messetagen präsentierten 210 national und international renommierte Galerien aus 15 Ländern von der klassischen Moderne bis zur Gegenwartskunst. Der Bedeutungszuwachs der Messe zeigt sich insbesondere in der gestiegenen Teilnahme internationaler Galerien und den längeren Anreisewegen, vor allem der Erstbesucher. Viele Aussteller loben das gute Geschäft mit neuen Sammlern.

Doch das Geschäft spielt sich nicht nur in den Messehallen ab. Besucher und Aussteller benötigen Unterkünfte, Hotels, Gaststätten und vieles mehr. Auch Messebauer, Eventtechniker, Elektro-Installationsfirmen und Caterer sind gefragt. Aber natürlich auch Gastronomen, Hotels und der Einzelhandel. Kunstausstellungen können somit Motor für ein Anspringen der Wirtschaft sein.

Leider fiel die Messe 2021 Coronabedingt wegen fehlender Planungssicherheit aus. In diesen Tagen feiert die Messe Karlsruhe nun einen Re-Start des Messegeschäfts. So soll die Art vom 17. bis 20. Februar 2022 wieder stattfinden. Von einem Förderprogramm können Galerien profitieren.

Kunstliebhaber müssen aber nicht bis 2022 warten. Schon jetzt gibt es zahlreiche Projekte, die Menschen in Museen, Messehallen und Galerien locken.

Christo und Jeanne-Claude in Paris – ein Traum wird Wirklichkeit

Ein besonderes Erlebnis in diesen Tagen war der eingepackte Triumphbogen in Paris. Die Züge von Karlsruhe nach Paris waren am Wochenende ausgebucht. Zahlreiche Kunstliebhaber und Christo- und Jeanne-Claude-Fans fuhren nach Paris. Ein erster Blick auf den verpackten Triumphbogen gab es von der Place De la Concorde entlang der Av. des Champs-Élysées. Fantastisch und überwältigend, so etwas in der Corona-Pandemie zu erleben. Je näher, desto größer und gewaltiger wurde er. Mit dem Impfausweis ist es kein Problem, direkt zum verpackten Triumphbogen vorzudringen. 25.000 Quadratmeter wiederverwertbarer, blau-silberner Polypropylen-Gewebe und 7.000 Meter rotes Seil wurden verwendet. Das Projekt wurde vollständig von dem verstorbenen Künstlerpaar finanziert. Ein Gewimmel an Menschen, die fotografierten, den Stoff befühlten und das reflektierte Licht der Verpackung genossen. Ein kleines Wunder, im Jahr zwei der Pandemie.

Und direkt daneben, auf der Av. des Champs-Élysées, zahlreiche Touristen und Franzosen, die sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen wollten. Lange Schlangen vor den Geschäften, volle Restaurants und Cafés. Ein Anblick, den wir so schon lange nicht mehr gesehen haben. Es geht wieder aufwärts – endlich.

Open Art in München

Das Wochenende vom 24. bis 26. September 2021 bot ein volles Programm für Kunstliebhaber und Sammler in München auf der Open Art. 40 Galerien und 20 Institutionen haben sich zusammengeschlossen. Die Kunstorte sind verstreut: vom Zentrum aus in die verschiedenen Stadtviertel. Geführte Rundgänge geben einen Überblick. Für Anton Biebl, Kulturreferent der Landeshauptstadt München, ist eine Galerie „zugleich Ausstellungsort wie Verkaufsraum für Kunst. Und oft ist sie auch der erste Raum, in dem neue Werke und Projekte von Künstler*innen zu sehen sind“. Und auch das Ziel dieser Veranstaltung ist außergewöhnlich demütig. Für Andreas Binder, Markus Braun-Falco und Charlotte Smuda-Jescheck, Vorstand der Initiative Münchner Galerien, geht es 2021 „nicht wie früher um das erste gemeinsame Eröffnungswochenende, um den Auftakt in die Herbstsaison, um ein freundschaftliches Konkurrieren um das besten Programm, die interessanteste Ausstellung, den begehrtesten Künstler oder die meisten Besucher. 2021 geht es ausschließlich darum, dass wir alle WIEDER DÜRFEN – wir Galeristen dürfen wieder uneingeschränkt und für jeden zugängliche Ausstellungen machen, unsere Künstler*innen dürfen ihre Kunstwerke wieder öffentlich präsentieren und Sie – verehrtes Publikum – haben endlich wieder die Chance unmittelbar und direkt Kunst erleben zu dürfen.“

Kunstshopping in Baden-Baden

Nicht weit von Karlsruhe liegt die Kur- und Bäderstadt Baden-Baden. 2021 wurde die Stadt in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes mit aufgenommen. Die Stadt verwandelte sich zum sechsten Mal an einem Wochenende Anfang Oktober zu einer Kunstmeile.

Unter dem Motto „Contemporary Art Baden-Baden“ (CAB) haben Galerien geöffnet und zeigen Künstler und deren Werke aus ganz Deutschland. Auch der Einzelhandel darf am Sonntag seine Läden öffnen. Statt aktueller Herbstmode finden Passanten „lebendige“ Schaufenster, in denen Bühnenmalerinnen aktiv wurden. Die entstandenen Werke können nach dem Event ersteigert werden. Der Erlös kommt einem gemeinnützigen Zweck zugute. Auch die Museen sind in das Konzept mit eingebunden und können kostenfrei besucht werden. Doch nicht nur Erwachsene sind begeistert. Ein Clown fertigt Figuren und Tiere aus bunten Luftballons. Das Konzept kommt gut an: Die Menschen strömen in die Innenstadt, genießen das Einkaufen und die Kunst hautnah.

Fazit

Kunst am Point of Sale kann zur Belebung der Innenstädte beitragen. Und wenn James Bond 007 mit dem Kinohit „Keine Zeit zu sterben“ in diesem Jahr die Kinos retten kann, warum sollte dann nicht auch künstlerisches Engagement dazu beitragen, die Innenstädte zum Leben zu erwecken.