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Die Bedeutung des demografischen Wandels für das Internet –

Welche Rolle spielt Usability dabei für ältere Nutzer. Foren und Netzwerke entstehen, die gerade die Menschen ab 50 enorm frequentieren.
Kelly Kelch | 24.02.2011
Stellen wir uns doch einmal die Frage, was hat denn die Benutzung des Internets mit dem demografischen Wandel zu tun? Was hat sich in den letzten Jahren geändert, was so prägnant für die Zukunft wäre, dass man sich Gedanken über Benutzer oder Menüführung machen müsste?
Die Antwort ist der Zugewinn einer „neuen Usergruppe“ – die Generation Plus.
Warum lohnt es jedoch, sich diese Zielgruppe näher anzuschauen, sie gab es doch früher auch? Die Antwort ist für die meisten Untenehmen Musik in den Ohren: sie haben das finanzielle Potential und sind zudem die am stärksten wachsende Zielgruppe auf Jahrzehnte hinaus. Und das ist nicht nur eine regionale sondern auch eine globale Entwicklung. Und wenn man es richtig zu verstehen weiß, durch passende Produkte und Dienstleistungen die Generation Plus zu überzeugen, dann stehen den Unternehmen enorme Chancen zur Erschließung ihres Marktsegments offen - und hier liegt die Herausforderung.
Erfolg versprechend kann eine solche Strategie nur sein, wenn man sich mit dieser Zielgruppe genau auseinandersetzt. Natürlich ist dies kein Novum im Marketing, aber diese Generation hat sich geändert – wir reden hier nicht mehr von einer Nachkriegsgeneration, sondern von größtenteils aktiven, vitalen und selbstbewussten Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten – also entgegen der früheren Meinung haben sich diese Menschen zu einer heterogenen Zielgruppe entwickelt mit eigenen Werten, Wünschen und Bedürfnissen.
Nichts desto trotz gehen mit dem Älterwerden physische und psychische Änderungen einher, die selbst die Wissenschaft und Forschung bisher noch nicht verhindern konnten. Diese sollte man kennen, wenn man erfolgreich für diese Zielgruppe gestalten möchte.

Und das gilt eben auch für den Aufbau einer Internetseite, denn Usergruppen, die dieses Medium benutzen, sind nicht mehr nur unter 30 Jahren. Im Gegenteil, zum Beispiel die Altersgruppe zwischen 20 und 29 Jahren umfasst nur ein Volumen von 19,2%. Im Gegensatz stieg die Entwicklung des prozentualen Anteils der Altersgruppe zwischen 60 und 69 Jahren in den letzten 10 Jahren von 3 auf 64% mit weiter stark wachsender Tendenz. Jeder Dritte über 50 Jahren ist bereits im Internet. Das hat einfach auch damit zu tun, dass die nachfolgenden Generationen mit dem Internet aufgewachsen oder durch häufiges Benutzen die Berührungsängste nahezu abgeflacht sind.
Auch haben sich die Nutzermotive älterer Menschen geändert. Es dient eben nicht mehr nur als Informationsplattform, sondern auch für den regen Austausch mit anderen Menschen, das heißt, wer aus welchen Gründen auch immer, sein Heim nicht verlassen kann, ist trotzdem mit der „Außenwelt“ verbunden. Sei es zum Einkaufen oder zum Austausch von verschiedensten Themen. Inzwischen ist der Austausch so rege geworden (57% der ab 50Jährigen), dass sie sich den Inhalt der Websiten teilweise selbst gestalten, indem sie ihre Reise - oder Erfahrungsberichte einstellen, die wiederum kommentiert werden. So entstehen Foren und Netzwerke, die gerade die Menschen ab 50 enorm frequentieren. Eine neue Kommunikationsplattform wurde damit geschaffen, auch für Menschen mit Handicap. Selbst das Onlineshopping stellt für die nach Sicherheit strebende Zielgruppe keine Barriere mehr dar. Besonders profitieren von diesem Trend Onlineshopping-Märkte wie Reisebüros, Drogeriemärkte, Textilbranchen, Musik, Produkte für die Freizeitgestaltung und Bücher, die ein Marktvolumen dieser Zielgruppe von insgesamt 67% beanspruchen. Alleinleben muss also nicht Einsamkeit bedeuten.

Warum werden jedoch einige dieser Seiten von der Generation Plus stärker frequentiert als andere Seiten? Das Geheimnis liegt in der Usability. Auch dieser Begriff hat sich schon längst als wesentliches Element für die Gestaltung von Internetseiten etabliert und bedeutet nichts anderes als eine für den Nutzer abgestimmte Gebrauchstauglichkeit von Produkten. Dabei schließt die Usability alle Eigenschaften eines Produktes ein, die seine Nützlichkeit für den Gebrauch durch den Menschen ausmachen, wie z.B. Zweckentsprechung, Ergonomie oder Handling (Using).
Aber so einfach ist es eben nicht. Das Einfachste ist immer das Komplizierteste. Hinter dem scheinbar so einfachen Bedienen von Produkten steht in der Regel eine komplexe Technologie.
Und noch viele Unternehmen stellen sich leider dieser Herausforderung nicht, obwohl offenkundig ist, dass sich nicht nur Ältere einfache Bedienungen bzw. Menüführungen wünschen, sondern auch Anwender jeden Alters.





Beweise liefern hier auch die verschiedensten Studien, die alle eindeutig belegen, dass Usability einen echten Mehrwert für die Internetseite und damit auch für das Unternehmen generiert. Bei einer Studie von User Interface Engineering wurde zum Beispiel herausgefunden, dass durch eine an Anwendererwartungen- und Bedürfnissen ausgerichtete Optimierung der website Umsatzzuwächse von über 200% erreicht wurden.

Am besten versinnbildlichen kann man sich den Begriff Usability im Internet mit folgender Situation:
Sie wollen sich in einem großen Warenhaus einen MP3-Player kaufen und haben gerade den Haupteingang betreten. Und gehen sie jetzt davon aus, sie betreten das Warenhaus zum ersten Mal. Wie gehen sie vor?
Wahrscheinlich suchen sie zunächst im Erdgeschoss nach Hinweisen auf HiFi- oder Elektrogeräte. Vielleicht aber auch nach der Computerabteilung. Sollten sie hier nichts finden, schauen sie sich wahrscheinlich die Informationsübersicht neben der Rolltreppe an und fahren in die entsprechende Abteilung. Sollten sie hier nicht fündig werden, kürzen sie die weitere Suche vermutlich ab und fragen einen umstehenden Verkäufer.
Im Internet gibt es leider keinen freundlichen Verkäufer – hier muss auf den ersten Blick klar sein, welche Informationen und Produkte dieses Unternehmen anbietet. Und hier setzt eine effektive Usability an – einfache, verständliche sprich nutzerfreundliche Bedienung ohne langes Suchen oder Navigieren. Und das hat nichts mit dem Alter zu tun.

Welche Kriterien den gewünschten Erfolg versprechen, kann man in 11 Prinzipien zusammenfassen.
Konsistenz und Standards
Die gleiche Bezeichnung, die gleiche Situation oder die gleiche Aktion sollte immer dasselbe bedeuten.
z.B. unterstrichene Links sind immer anzuklicken, Menüoptionen befinden sich immer in der gleichen Reihenfolge

Kontrolle und Freiheit
Anwender verwenden Funktionen aus Versehen und benötigen einen „Notausgang“, um auf einfache Art und Weise ungewollte Aktionen zu beenden. Der Nutzer sollte auf der Website das Gefühl haben, nichts falsch machen zu können, da er über alle Vorgänge die Kontrolle behält.
z.B. Bearbeitungsschritte lassen sich einfach per Klick rückgängig machen

Sichtbarkeit des Systemzustandes
Der Anwender sollte zu jeder Zeit durch angemessene Rückmeldungen wissen, wo er sich gerade befindet oder in welchem Zustand bestimmte Funktionen sind.
Beispielsweise sollte der Nutzer eine Rückmeldung bekommen, ob das Hineinlegen von Artikeln in den Warenkorb geklappt hat.

Übereinstimmung zwischen System und realer Welt
Auf websiten sollte eine Sprache verwendet werden, die dem Anwender vertraut ist. Nicht mit Fremdwörtern „brillieren“, sondern ein verständlicher Wortschatz wird gerade von Älteren geschätzt, aber auch Jüngere fühlen sich durch das Nichtverstehen vor den Kopf gestoßen.
z.B. Begriffe beim Onlineshopping wie Merkzettel, Wunschliste oder Warenkorb sind dem Nutzer vertraut

Fehlervermeidung
Fehler erkennen ist gut, Fehler vermeiden ist besser. Verhindert werden kann dies, indem ausreichend Informationen zur Verfügung gestellt werden.
z.B. Fehleingabe durch sachdienliche Hinweise vor der Eingabe vermeiden, dies kann beispielsweise durch eine Mindestlänge von Passwörtern passieren

Erkennen statt Erinnern
Objekte, Aktionen oder Optionen sollten klar visualisiert sein. Der Benutzer sollte sich von einem Dialog zu Nächsten nichts merken müssen.
Um wieder das Beispiel aus dem Onlineshopping aufzugreifen, sollte im Warenkorb nicht nur die Artikelbeschreibung oder die Bestellnummer angezeigt werden, sondern auch eine kleine Abbildung des Artikels. So sieht der Benutzer auf einen Blick, welche Artikel sich im Warenkorb befinden, ohne weitere Beschreibungen durchlesen zu müssen.

Flexibilität und Effizienz
Eine website sollte sowohl erfahrene als auch unerfahrene Anwender unterstützen und für beide Gruppen geeignete Bedienmöglichkeiten bieten. Für „Stammkunden“ wäre es beispielsweise vorteilhaft, wenn wiederkehrende Aktionen automatisierbar sind oder in einem persönlichen Profil gespeichert werden können. Für den eher vorsichtigen Anwender, wie es häufig ältere Menschen sind, besteht die Möglichkeit, auch ohne Kundenlogin auf die gewünschten websiten zu kommen.


Ästhetische und minimalistische Gestaltung – Look & Feel im Web
Produktbeschreibungen sollten nur Informationen enthalten, die für den Benutzer wirklich relevant sind. Oft sind detaillierte technische Daten weniger wichtig, als ein ansprechendes Bild. Genauso sollte die visuelle Gestaltung die Sichtbarkeit der Informationen unterstützen und nicht durch unnötige Module überladen werden.
z.B. flashende bzw. blinkende Eyecatcher sparsam verwenden, Eingabefelder kurz und verständlich bezeichnen, Kontraste zwischen Text und Hintergrund steigern Lesbarkeit, sparsame Hervorhebung von Texten, Option zur Veränderung der Schriftgrößen

Unterstützung bei Fehlererkennung, Diagnose und- Beseitigung
Wenn doch einmal Fehler passieren, sollten sie zumindest schnell zu beseitigen sein. Das Problem muss klar formuliert sein und mögliche Lösungen sollten aufgezeigt werden. (FAQ)
z.B. Rechtschreibfehler können durch einen intelligenten Mechanismus sofort ausgeglichen werden (ähnlich wie bei Google) oder bei Falscheingaben in ein Formular wird direkt das entsprechende Eingabefeld markiert und eine Hilfe zur richtigen Eingabe angezeigt

Hilfe und Dokumentation
Sollte die website nicht ohne Hilfe oder Dokumentation bedient werden können, sollte diese einfach zu finden sein sowie konkrete Lösungsschritte aufzeigen.
z.B. der Link zur Hilfe findet sich direkt an der Stelle, an denen der Benutzer wahrscheinlich Hilfe benötigen könnte. Er darf nicht versteckt irgendwo außerhalb des Sichtfeldes sein.

Wissen über den Anwender
Benutzerfreundlichkeit beinhaltet jedoch mehr als diese Usability-Kriterien aussagen. Darüber hinaus sollte die website den Benutzer optisch ansprechen, ihn positiv stimmen und ihn auf die Inhalte neugierig machen. Nicht zu letzt soll das Surfen ganz einfach Spaß machen. Deshalb empfiehlt es sich immer, die website vom „realen“ Anwender oder seiner anvisierten Zielgruppe testen zu lassen. Somit wird verhindert, dass die website am Nutzer vorbei entwickelt wird.

Wie man feststellen kann, sind dies Kriterien nicht nur speziell für ältere User, nein auch für all jene, die einen komplizierten Navigationsdschungel ablehnen. Sie werden zukünftig eine auf den Nutzer angepasste Usability-orientierte website präferieren. Eine wesentliche Erkenntnis ist jedoch, dass die physischen und psychischen Änderungen des Älterwerdens in eine Usability-unterstützte website integriert werden muss, aber gekoppelt mit einer ästhetischen Qualität, dass sie jeden Anwender anspricht –
das ist integrative Kommunikation mit Erfolgscharakter.


Autor: Kelly Kelch, GF ConceptCabinet