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Die geistigen Anteile an der Markenführung

Markenführung ist weniger eine Technik, vielmehr eine permanente geistige Schöpfung. Kontexte sind wichtiger als Medien.
Klaas Kramer | 17.12.2010
Markengeist und Markentechnik

„Marke“ kann zweiseitig betrachtet werden: materiell und immateriell. Die Technik steht für das Materielle, der Geist für das Immaterielle. Technik und geistige Schöpfung gehören untrennbar zusammen. Manch einem ist das vielleicht zu esoterisch. Dabei handelt es sich um eine rein analytische Unterscheidung. Unsere Körper treffen bei der unmittelbaren Erfahrung mit einer Marke auf deren Materialisierungen. Über unsere Sinnesorgane nehmen wir Reize auf, aus denen unser Gehirn Sinnzusammenhänge konstruiert. Das passiert ganz automatisch und in den meisten Fällen ohne bewusste Reflektion. Wir reagieren auf die Reize, indem wir agieren. Damit ist bereits ein geistiger Prozess beschrieben. Entscheidend ist, ob der Geist einer Marke auf „Frequenzen sendet“, für die wir Menschen unsere Antennen sensibilisiert haben.

Markentechniker weisen zu Recht darauf hin, dass der Geist einer Marke stark von der Materie abhängt, die sie technisch gestalten können: Produkthaptik, Form, Geschmack, Farbe, Oberflächentextur, Gewicht, Sound, Geruch oder Definition von Standards bei Dienstleistungsprozessen. Irreführend wäre jedoch der Glaube, der Geist einer Marke wäre einem Markenartikel inhärent. Gute Markentechniker übertragen vielmehr den Markengeist in körperlich erfahrbare Materie. Unsere Erfahrung mit diesen gestalteten Materialien kann dazu führen, dass wir Geschichten konstruieren, die wir anderen Menschen erzählen. Im Neumarketingdeutsch gesprochen, werden wir so zu Markenbotschaftern.

Ohne Kultur ist Technik nichts

Damit das mit hoher Wahrscheinlichkeit eintritt, setzt die Auswahl „der richtigen“ Formen, Farben, Sounds usw. kulturelle Kompetenz voraus, womit sich der Markentechniker unmittelbar mit der immateriellen Seite der Marke befasst. Das Materielle und das Geistige der Marke steht immer in Wechselwirkung und die Frage nach Ursache und Wirkung gleicht dem Henne-Ei-Problem. (Siehe Abbildung)

Strategisch geschulte Menschen tendieren dazu, das Immaterielle als die Ursache zu sehen, weil am Anfang jeder Marke eine Idee steht. Andere wenden ein, die Idee sei der Biomasse eines Gehirns entsprungen. Ob das Sein das Bewusstsein bestimmt oder umgekehrt, ist eine erkenntnistheoretisch unentscheidbare Frage. Starke Persönlichkeiten schaffen mit dem Bewusstsein Veränderungen im Sein. Schwache lassen sich durch das Sein ihr Bewusstsein beschränken. Mit Marken ist das genauso: Starke Marken erzeugen einen Positivkreislauf: In der Geberrolle üben sie Anziehungskraft auf Menschen aus und ziehen damit materielle Ressourcen (Geld) an. Die Anziehungskraft der Marke kann weiter erhöht werden, wenn dieses Geld richtig reinvestiert wird. Was richtig und was falsch ist, erweist sich indes erst im Nachhinein. Die Kompetenz der Markenführung besteht darin, Entscheidungen mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit zu treffen. Schwache Marken üben wenig Anziehungskraft aus und berauben sich gleichsam materiellen Spielraum, um einen überlegenen Nutzen überhaupt schaffen zu können. Es sind aber keinesfalls die finanziellen Mittel allein. Mit viel Mediawerbung sich um einen positiven Kontext für eine geschwächte Marke zu bemühen, ist nicht nur aussichtslos. Der Einsatz von Geld verstärkt sogar noch die negative Energie der Marke. Nur durch eine positive Vision und eine aufrichtige Haltung kann der Positivkreislauf wieder in Gang gesetzt werden.

Kontext vor Media

Zurzeit ist die Profession der Markenführung einer zu starken Fokussierung auf Medien verhaftet. Sie kann von einem Fokuswechsel auf Kontexte profitieren. Wer diesen Fokuswechsel vollzieht, wählt souverän zum gewünschten Markenkontext situativ passende Medien, anstatt auf Medien durch Geschichten einen Sinn kreieren zu wollen, der im ungünstigen Fall von einem übergeordneten Sinnkontext überlagert wird: BP war während des Ölskandals auf positive Berichterstattung in den Massenmedien fixiert. Da es im redaktionellen Teil nur so vor Anti-Stimmung wimmelte, wollte man durch Schaltung von Anzeigen gegenhalten. Schon der große Werber David Ogilvy (1911-1999) wusste: „Good advertising kills a bad product faster.“ Wozu es früher gute Werbung brauchte, das machen die Menschen via Social Media heute ganz von selbst. Stimmungsbilder – positive wie negative – sind sofort medial präsent und verstärken sich.

Es wird höchste Zeit, sich auf den Geist der Marke zu besinnen. Der Geist lässt sich aus den Sinnzusammenhängen der Marke verstehen. Manche nennen es den „Markenkern“, obwohl dieses Bild für viele irreführend ist, weil sie sich einen materiellen Kern vorzustellen versuchen. Finden Sie für sich selbst heraus, auf welchem Weg Sie zum Bewusstsein vom Geist Ihrer Marke kommen. Richtig ist allein, was Ihnen hilft, dieses Verständnis zu gewinnen.