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Kundenservice 2.0

Der Service verlagert sich zunehmend in Internet. Kunden stellen in diesem Zusammenhang neue Erwartungen an die Unternehmen und deren Leistungen
Dirk Zimmermann | 14.10.2010
Neues Internet

Das Internet ist interaktiv geworden. Die Rollen wechseln – aus Konsumenten werden an anderer Stelle Anbieter. Alle Akteure können das Web aktiv gestalten. Ein Beispiel dafür sind persönliche Profile oder der eigene Videofilm, der für Millionen von Usern abrufbar ist. Die Gestaltung des Internet durch die Nutzer wird ein zentrales Element der weiteren Internetentwicklung.

Das neue, schnelle Internet ermöglicht Social Web-Anwendungen. Wie nun setzen die Nutzer als „Web-Produzenten“ ihre neuen Freiheiten ein? Für sie hat es offensichtlich eine herausragende Bedeutung, Informationen mit anderen zu teilen. Entsprechend sind die von Nutzern erstellten Inhalte (User Generated Content) und Online-Communities von hoher Relevanz.

Zum einen sollen die Interaktionen zwischen Unternehmen und Konsumenten durch Social Web- Anwendungen in Zukunft wesentlich erleichtert werden. Zum anderen wird erwartet, daß zukünftig wirtschaftliche und soziale Veränderungen mehr und mehr von vernetzten Communities ausgehen werden. Weiterhin werden soziale Aktivitäten immer stärker ins Internet verlagert.

Durch das Social Web versprechen sich die Kunden eine verbesserte Interaktion mit den Unternehmen. Insbesondere die verbesserte Transparenz und die hohe Aktualität sind entscheidend. Von diesem Dialog können beide Seiten profitieren, denn er macht es beispielsweise Unternehmen leichter, im Dialog mit den Kunden die richtigen Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten.

Konsumenten versprechen sich vielfältige Vorteile durch das Social Web. Interessant ist in diesem Zusammenhang, welche Social Web- Anwendungen bei Konsumenten heute und in Zukunft hoch im Kurs stehen. Eindeutig vorn in der Gunst der Nutzer sind informationsgetriebene Angebote. Hier dominiert mit weitem Abstand die Kategorie der Online-Nachschlagewerke. Aber auch die Bewertungsportale weisen eine hohe Nutzungsintensität auf.

Insgesamt betrachtet kann festgestellt werden, daß alle Social Web- Anwendungen eine erhebliche Nutzungssteigerung erfahren. (vgl. WIRTZ, „Deutschland Online - Unser Leben im Netz, 2007)


Neue Kommunikation

Social Media wird zunehmend in der Kommunikation als strategischer Bestandteil, etwa als weiterer Kanal im Medienmix, als Treiber für den Wandel in der gesellschaftlichen Kommunikationskultur oder als bedeutend für einen Paradigmenwechsel in der Unternehmenskommunikation eingeordnet.

Über soziale Medien können Informationen schnell verbreitet werden – das sehen 82 Prozent der Teilnehmer als größte Chance an, gefolgt von der Verbesserung des Services und der Kundenbindung (46% aller Befragten).

Die am häufigsten genannten Risiken von Social Media lassen sich unter dem Stichwort „Kontrollverlust“ zusammenfassen. In erster Linie wurden schlecht steuerbarer Kommunikationsverlauf (66%) sowie die Notwendigkeit eines schnellen Reagierens (64%) genannt.

Jede zweite Organisation nutzt derzeit Social Media für Kommunikationsaufgaben. Knapp die Hälfte davon ist allerdings erst weniger als zwölf Monaten aktiv, weitere 41 Prozent seit über einem Jahr und nur 11 Prozent verfügen über mehr als drei Jahre Praxis.

Die am häufigsten eingesetzten Tools sind Videosharing, Microblogging und Blogs; bei den Communities liegen Facebook, Xing und eigene Social Networks im Intranet/Extranet vorne.

Über die besten Voraussetzungen für den Einsatz von Social Media verfügen börsennotierte Unternehmen (37%) und Non-Profit-Organisationen (46%): Sie beschäftigen sich überwiegend seit ein bis drei Jahren mit Facebook, Twitter & Co.

Mit zunehmender Erfahrung steigt vor allem die Professionalität hinsichtlich der Entwicklung von Social-Media-Strategien, der Evaluation von Social-Media-Aktivitäten sowie dem Aufbau von Social-Media-Infrastrukturen.

Die Liste der Unternehmensbereiche, die Social Media einsetzen, wird angeführt von der Kommunikationsabteilung (46%), gefolgt von Werbung/Marketing (37%), Vertrieb (12%) und Personalwesen (11%). (vgl. UNI LEIPZIG, Studie „Social Media in Unternehmen, 2010)


Neue Kunden

Heute informiert sich bereits die Mehrheit der Konsumenten im Social Web über Produkte und Services, bevor sie eine endgültige Kaufentscheidung treffen. Dabei fungiert diese Gruppe als Mittler und beeinflußt auch andere Kunden.

Insgesamt lassen sich sechs verschiedene Käufer-Typen ausmachen, die sich in Online-Portalen mit anderen austauschen und somit direkten Einfluß auf die Kaufentscheidungen ihrer Mitmenschen nehmen. Die Kundentypen sind im Einzelnen:

Die Kuppler: Sie sind Mittler zwischen verschiedenen Käufertypen. Sie bewegen sich in unterschiedlichen sozialen Gruppen und haben Spaß am Networking. Kuppler existieren in unterschiedlich starker Ausprägung: Die Einen bewegen sich in verschiedenen Kreisen, haben ein festes Netzwerk an Freunden und Familie, mit denen sie in engem Kontakt stehen. Die Anderen neigen eher zu losen Kontakten, kennen dafür aber um so mehr verschiedene Personen.

Der Verkäufer: Ihm geht es vor allem darum, seine Mitmenschen von eigenen Ideen und Vorlieben zu überzeugen. Er bewegt sich in einer Vielzahl unterschiedlicher Communites und kennt viele.

Der Suchende: Er ist auf den Rat Anderer angewiesen, um eigene Entscheidungen zu treffen. Er verläßt sich in erster Linie auf Experten und befolgt deren Rat bezüglich Marken und Preisen.

Der Experte: Er fungiert als „Broker“ von Informationen. Er ist in der Regel Experte bestimmter Fachgebiete und wird gerne von anderen um Rat gebeten. Im Unterschied zum Verkäufer geht es ihm aber nicht darum, seine Mitmenschen zu überzeugen.

Die Eigenständigen: Er verläßt sich nur ungern auf den Rat anderer. Satt dessen ist ihm wichtig, selbst zu recherchieren und sich auf Basis der gesammelten Informationen eine eigene Meinung zu bilden. Dieser Konsumententyp ist für Unternehmen schwer zu „erreichen“, da er sich nur schwer überzeugen läßt.

Die Anderen: Der letzte Konsumententyp kann nicht eindeutig klassifiziert werden, da er Merkmale verschiedener Typen in sich vereint. Je nach Kontext nimmt er verschiedene Rollen ein. (vgl. GARTNER, Studie „Kundentypen in sozialen Netzwerken, 2010)

Allerdings gibt es auch Konsumenten, die sich bisher noch nicht mit dem interaktiven Internet beschäftigt haben oder gar dessen Nutzung ablehnen. Wie sind diese "Social-Media-Verweigerer" in ihrer Bedeutung und Einfluß auf die Aktivitäten der Unternehmen einzuordnen?


Neuer Service

Immer mehr Unternehmen bieten Kundenservice via Social Media an. Besonders Twitter tritt hier in den Vordergrund. Die Entwicklungen der gesellschaftlichen Mediennutzung zeigt, daß die konsumentengenerierten Plattformen sich zu einem wichtigen Kanal für den Dialog zwischen Unternehmen und Kunden entwickeln.

So bieten Unternehmen wie die Deutsche Telekom, Opel oder Simyo ihren Kunden schon sehr erfolgreich eine direkte Hilfe via Microblogging an. Lassen diese Entwicklungen die klassischen Servicekanäle etwa unwichtiger werden?

Keinesfalls – sicherlich wird Social Media eine immer wichtigere Rolle auch in dieser Disziplin spielen, aber die klassischen Kommunikationskanäle werden immer noch ein wichtiges Medium im Bezug auf die Kundenbetreuung sein.

Twitter Service Initiativen von Comcast & Co muten wirklich paradiesisch an – 24/7 völlige Erreichbarkeit und dabei äußerst kompetentes Servicepersonal, fast wie in einem Service-Land.

Die Qualität des Online-Kundenservice hat oft nicht viel mit der Qualität der Offline- Betreuung dieser Unternehmen zu tun. Ein solcher Umstand hilft weder dem Kunden noch dem Unternehmen. Die Unternehmen mit einem solchen Ungleichgewicht werden sich trotz ihrer intensiven Social Media Aktivitäten schwer tun.

Social Media setzt neue Standards für den Kundenservice nachhaltig ein positives Brand Image bei den Usern aufzubauen. Denn sollte sich ein Social Media aktiver Kunde doch einmal in die Telefonserviceschleife einreihen müssen und dort Dinge erleben, die weit weg von seinen positiven Erfahrungen im Bereich des Social Media Kundenservice liegen, kann das unangenehme Folgen haben für das entsprechende Unternehmen auf den nutzergenerierten haben

Ergebnisse belegen, daß die Kombination aus einem mit dem Service unzufriedenen Kunden und Social Media sich negativ auf das Image einer Marke auswirken kann. Dabei ist es natürlich völlig unerheblich mit welchem Servicekanal er schlechte Erfahrung gemacht hat. (vgl. NEW COMMUNICATION RESEARCH, Studie „Exploring the Link between Customer Care and Brand Reputation in the Age of Social Media“, 2008)


Neue Erwartungen

Aufgrund der wachsenden Bedeutung von Social Media muß sich der Kundenservice verändern.

Die Kunden erwarten von Unternehmen, über mehr Kommunikationskanäle als bisher ansprechbar zu sein. Außerdem haben die Kunden weniger Geduld, was das Warten auf Antworten vom Kundenservice angeht.

Der Telefonkontakt verliert für die vom Internet geprägte Generation an Relevanz.
Durch den zunehmenden Austausch über Social-Media-Kanäle wie Twitter und
Facebook steigt dagegen die Erwartung der Kunden, rund um die Uhr beraten zu werden - und zwar auf allen Kanälen.

Durch diese Spreizung der Servicezeiten in Richtung einer 24/7-Beratung gerät das Thema Personaleinsatzplanung in den Fokus der Unternehmen und Verantwortlichen.

Vor diesem Hintergrund gewinnt das „Blended-Agent-Verfahren“ - ein Mitarbeiter bedient asynchrone Kanäle wie E-Mail und Fax, wie auch synchrone Kanäle wie Telefon und Chat - nicht nur zwecks Vermeidung von Leerlaufzeiten an Bedeutung. Es kommt auch darauf an, den Service über alle Kanäle zu sichern.

Das führt allerdings zu einer erhöhten Komplexität am Arbeitsplatz. Das Umstellen auf das Bedienen verschiedener Kundenkanäle stellt neue Anforderungen an die Abläufe und die eingesetzte Informationstechnologie.

Um schneller zwischen E-Mail, Fax, Brief und SMS sowie Live-Chat und Telefon zu wechseln, brauchen Mitarbeiter eine Oberfläche, über die sie (vgl. NOVOMIND, Studie „Social Media im Service, 2010)


Neue Lösungen

Der „Soziale Kunde“ erwartet von Unternehmen an erster Stelle, daß sie ihm ein außergewöhnliches Kundenerlebnis bieten.

Dabei haben alle Kunden eines gemeinsam: Sie alle haben bestimmte Bedürfnisse, Wünsche und Emotionen. Gelingt es einem Unternehmen, diese anzusprechen, und zwar konsequent, immer wieder und auf authentische Art und Weise, so steigert dies das Vertrauen des Kunden; der Kunde erlangt einen gesteigerten Wert für das Unternehmen, er wird öfter bei diesem kaufen.

Aufgrund des stetig wachsenden Informationsüberflusses, der von privaten Nutzern wie auch Unternehmen geschaffen wird, verläßt sich der vernetzte Kunde zunehmend auf seine sozialen Netzwerke, um relevante Informationen herauszufiltern. Das Geschäft über Social Media gründet daher hauptsächlich auf Vertrauen, Offenheit und Relevanz.

Um beim vernetzten Kunden Pluspunkte zu sammeln, müssen Unternehmen ihre Kultur ändern. Das einseitige Aussenden von Werbebotschaften im Stil einer Fernseh- oder Radiowerbung reicht nicht mehr aus. Statt dessen sollten Unternehmen mehr den Status eines vertrauenswürdigen Freundes anstreben, der gerne mit seinen Kunden zusammenarbeitet, viele nützliche Informationen parat hat und gewillt ist, Zeit in den Aufbau und die Pflege einer guten Beziehung zu investieren.

Der beste Weg, um eine solche Beziehung zum Kunden aufzubauen, ist, ihn an der Entwicklung und Verbesserung von Produkten bzw. Dienstleistungen aktiv teilhaben zu lassen und so als festen Fürsprecher der eigenen Marke zu gewinnen sowie ihn immer zu unterstützen, wenn er Hilfe benötigt.

Einen einheitlichen Ansatz mit Fokus auf dem vernetzten Kunden konsequent zu verfolgen, mag auf den ersten Blick wie eine Herkulesaufgabe anmuten. Es ist jedoch eine Aufgabe, die auf jeden Fall erfolgreich zu bewältigen ist: mit guter Führungsarbeit, mit einer Strategie, die klar definierte Prozesse, Leitlinien und Richtlinien beinhaltet, mit der richtigen Personalauswahl und Personalentwicklung sowie durch den Einsatz entsprechender Technologien, die das gesamte Unternehmen umspannen.

Und vergessen Sie dabei niemals den wichtigsten Grundsatz: An oberster Stellt stehen immer Kultur und Menschen, dann folgen Richtlinien, Leitlinien und Prozesse und an dritter Stelle die Technologie möglich zu machen. (vgl. ATTENSITY – „Der vernetzte Kunde“, 2010)


TIP: Nehmen Sie teil an der aktuellen Umfrage „Service im Social Web“ und erhalten Sie die Ergebnisse anschließend kostenlos. Teilnahme unter www.DieServiceForscher.de
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Über Dirk Zimmermann

Dirk Zimmermann interessiert besonders die Förderung des Wissens und die Stärkung der Kompetenzen für eine erfolgreiche Serviceentwicklung.