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Lean Consumption – Kundenbedürfnisse verstehen und in Unternehmensprozesse umsetzen

Lean Consumption – Kundenbedürfnisse ver-
stehen und in Unternehmensprozesse umsetzen
PIDAS | 08.12.2005
NILS HAFNER, nils.hafner@zhwin.ch
Dr. Nils Hafner ist Programm Direktor des Executive Master Programms Customer Relationship Management an der Zürcher Hochschule Winterthur und Partner der customer world ag.


Jeder Kunde kann heute fantastische Produkte und Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Nahezu alle Optionen des Konsums sind gegeben. In der Regel funktionieren Produkte und Dienstleistungen gut. Warum ist Kundenbindung aber nach wie vor ein so grosses Management-Thema? Warum muss man sich eigentlich damit beschäftigen, dem Wechsel von Kunden zu Mitbewerbern vorzubeugen oder «verlorene» Kunden zurückzugewinnen?
Eine der Hauptursachen dafür liegt im fehlenden Verständnis von Unternehmen für den Konsumprozess des Kunden, haben die anglo-amerikanischen Forscher James P. Womack und Daniel T. Jones festgestellt (Womack, Jones 2005). Unternehmen orientieren sich in der Bereitstellung und Vermarktung ihrer Leistungen zu wenig an den Erwartungen und Wünschen ihrer Kunden. Konsumprozesse sind frustrierend, weil der Kunde das von ihm gewünschte Produkt nicht findet, weil er das Unternehmen nicht oder nur unzureichend im Servicefall erreicht, oder weil er ganze Teile der Leistung selbst übernehmen muss, beispielsweise das Eingeben 25-stelliger Referenznummern im e-Banking oder die Einrichtung eines Computers. Um diese Probleme zu lösen, empfehlen die Forscher den Unternehmen, sich bei der Gestaltung von Marketing, Vertrieb und Service an den Grundsätzen des effizienten Prinzips «Lean Production» zu orientieren.

Regel 1: Lösen Sie Kundenprobleme vollständig
Regel 2: Verschwenden Sie nicht die Zeit des Kunden
Regel 3: Berücksichtigen Sie, was der Kunde will
Regel 4: Berücksichtigen Sie, wo der Kunde das Produkt kaufen will
Regel 5: Berücksichtigen Sie, wann der Kunde das Produkt kaufen will
Regel 6: Integrieren Sie Lösungen kontinuierlich in den Gesamtprozess, um den Zeitaufwand und die Mühen des Kunden zu minimieren.


Kernpunkte der Kundenbeziehung
Beim Gestalten eines Kundenbeziehungsmanagements stehen insgesamt sechs einfach zu formulierende Regeln im Zentrum: Im Zentrum der Überlegungen zu einer Lean Consumption stehen also vertiefte Kenntnisse über den Kunden sowie verbesserte, durchgehende Kundenprozesse. Dabei geht es in erster Linie darum, Kundenprobleme so effizient wie möglich zu lösen. Einige Unternehmen wie beispielsweise Fujitsu oder Nike haben das Lean Consumption Konzept schon umgesetzt. Auch in der Schweiz bestehen Ansätze, beispielsweise im Contact Center der Thurgauer Kantonalbank. Doch wie können Unternehmen überhaupt die dringendsten Probleme ihrer Kunden identifizieren und adäquate Lösungsvorschläge erarbeiten?


Vom Datensammeln bis zum Anpassen von Produkten und Dienstleistungen: Kundenkontaktprozesse als geschlossener Kreislauf.

Erfolgsgeheimnis Kundenperspektive
Unternehmen sind darauf angewiesen, systematisch die Kundenperspektive einzunehmen. Dabei ist es zunächst wichtig, über den Kundenservice, institutionalisierte Feedbackmöglichkeiten (beispielsweise ein funktionierendes Beschwerdemanagement) und umsetzungsorientierte Marktforschung mit dem Kunden ins Gespräch zu kommen. Auf die Veränderung des Blickwinkels folgt eine zweite Frage: Welche Kundenprobleme können und wollen wir als Unternehmen lösen? Angesprochen sind dabei vor allem die Analyse- und Planungsfähigkeiten des Unternehmens. Diese Fähigkeiten umfassen eine detaillierte Analyse der aus Kundenperspektive erhobenen und in der Beziehung beobachteten Informationen, deren Verdichtung und Auswertung. Die entsprechenden Analyseinformationen sollen den Mitarbeitern des Unternehmens eine konzentrierte Kenntnis über Kundenbedürfnisse, Kundenverhalten und Kundenwert vermitteln (vgl. auch Stadelmann, Wolter 2003). Im Anschluss daran müssen aus der Analyse der Unternehmensfähigkeiten Planungsinformationen zur Steuerung der Kundeninteraktion abgeleitet werden. Grundsätzlich ist hier die Frage zu beantworten, welchem Kunden welches Produkt über welchen Kanal zu welchem Zeitpunkt angeboten werden soll. Zur Beantwortung dieser Fragen können konkrete Massnahmen bis hin zur Ebene der einzelnen Interaktion in Marketing, Vertrieb oder Service definiert werden.

Mitarbeiterzufriedenheit als versteckter Faktor
In diesem Zusammenhang ist drittens festzustellen, dass die Beziehung zum Kunden durch die Mitarbeiter eines Unternehmens geprägt werden. Dies belegen Studien in diversen Branchen (vgl. z.B. Catellani, Hafner, Kaeslin 2004). Daher ist es nicht ausreichend, dass der Mitarbeiter um Kundenbedürfnisse und den Kundenwert für das Unternehmen weiss, sondern dass er auch willens und in der Lage ist, dieses Wissen in konkretes kundenorientiertes Handeln umzusetzen. Es ist auch in diesem Tätigkeitsfeld notwendig, die spezifischen Kompetenzen im Kundenkontakt oder in der Führung von Mitarbeitern, die im Kundenkontakt stehen, zu definieren und fehlende Fähigkeiten durch entsprechende Mitarbeiterentwicklung oder Neueinstellungen zu ergänzen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Messung und Steue-rung der Mitarbeiterzufriedenheit und -loyalität.Nur zufriedene Mitarbeiter können Kunden so bedienen, dass Kundenzufriedenheit entsteht und sich zu Loyalität entwickeln kann (vgl. Heskett, Sasser, Schlesinger 1999). Jedoch ist zur Umsetzung der Mitarbeiterkompetenzen oft ein professionelles Change Management erforderlich (Hafner 2003). Mitarbeiter sind es in der Regel nicht gewohnt, aus der Kundenperspektive zu denken und die Zeit des Kunden als Kostenfaktor in ihre Überlegungen einzubeziehen.

Der entscheidende Zeitaspekt
Die Gestaltung der Unternehmensprozesse
im Kundenkontakt sind dabei ein wichtiges Werkzeug, um den Mitarbeiter angemessen unterstützen zu können. Durchgehende Prozesse und entsprechende Eskalationsautomatismen sind die Voraussetzungen, um den eminent wichtigen Zeitaspekt im Kundenmanagement handhaben zu können. In diesem Zusammenhang können auch Tätigkeiten im Kundenkontakt standardisiert und vereinfacht werden, um dem Kunden einen zeitlichen Vorteil zu liefern. Das bedeutet, dass sämtliche Kundenkontaktprozesse einem geschlossenen Kreislauf («Closed Loop» Prinzip) folgen. Ein solcher ist in der Abbildung auf Seite1 zu sehen. Wichtig ist dabei, dass der vierte Schritt «Lernen» immer wieder als Ausgangspunkt für die Verbesserung der eigenen Leistung anzusehen ist. Insofern wird auch die Forderung der Lean Consumption nach einer Integration von Lösungen in die Standardprozesse des Unternehmens erfüllt.



Die Anforderungen an die IT
Die Entwicklung der beschriebenen Kompetenzen macht die Rolle der Informations-technologie deutlich. Die Technologie stellt die Infrastruktur dar und ist dementsprechend«Ermöglicher» eines professio-nellen und langfristig angelegten Kundenbeziehungsmanagements und damit effizienter Konsumprozesse beim Kunden. Aufgabe der IT ist, sowohl die richtigen Informationen zur richtigen Zeit dem richtigen Mitarbeiter zu liefern, als auch die Unterstützung der definierten Prozesse optimal zu gewährleisten. Optimal heisst in diesem Zusammenhang «anforderungsgerecht». Der Aufbau einer angemessenen IT-Infrastruktur ergibt sich jedoch erst aus der Entwicklung der «übrigen» Kompetenzen im Laufe des Lernprozesses eines Unternehmens im Bereich CRM.

Die Entwicklung aller vorgestellten Kompetenzen erfordert einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). Dieser kann nur in einem iterativen Vorgehen auf Basis von Lerneffekten realisiert werden. Zwar ist ein langfristiger Zielzustand in der Entwicklung des Unternehmens notwendig, doch werden die einzelnen Teilschritte auf dem Weg zu diesem Zielzustand auf der Basis eines CRM-Controllings identifiziert und ausgelöst. Dabei werden auf Basis der Analyse- und Planungsdaten periodisch Teilziele für Marketing, Vertrieb und Service aufgestellt, und der Zielerreichungsgrad wird anhand festgelegter Kriterien systematisch gemessen. Die Ergebnisse dieses Messprozesses müssen aufbereitet werden und dienen zur Entwicklung des Kundenbeziehungsmanagements, als Frühwarnsystem zur Gegensteuerung bei Abweichungen von den Zielen und als Gradmesser für die realistische Einschätzung der Möglichkeiten, übergeordnete Unternehmensziele wie beispielsweise Umsatz- oder Ertragsziele zu erreichen.

Eine zentrale Herausforderung
Ein Unternehmen sollte die beschriebenen sechs grundlegenden Fähigkeiten (siehe Seite 1) entwickeln, um ein langfristig profitables Kundenbeziehungsmanagement zu etablieren. Sie sind die Grundlage, um die RICHTIGEN Kunden RICHTIG zu behandeln, oder anders gesagt: Kundenfindung, Kundenbindung und Kundenrückgewinnung mit System zu betreiben und Marketing, Vertrieb und Service im Hinblick auf Kundenbedürfnisse und auf den Wert für das Unternehmen zu gestalten. Dieser Zusammenhang ist in der obenstehenden Darstellung festgehalten. Die Gestaltung eines derartigen komplexen Systems stellt eine der zentralen Herausforderungen im heutigen modernen Management dar, da sie den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens entscheidend beeinflussen kann.
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