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Sind Reiseweltmeister auch Benimm-Weltmeister?

Betrachtungen zur Hauptsaison von Simone Leipersberger, Redaktionsleiterin von knigge.de, dem Internetportal für Umgangsformen und Lifestyle.
Simone Leipersberger | 15.06.2007

Sind Reiseweltmeister auch Benimm-Weltmeister?

Im vergangenen Jahr wurden wir nicht nur Fußballweltmeister der „Herzen“ sondern auch wieder Meister im Reisen. Denn 2006 gaben wir Deutsche weltweit das meiste Geld für unseren Urlaub aus. Insgesamt rund 56 Milliarden Euro, so der Welttourismusverband UNWTO.

Osterferien, Pfingsten, Sommer und Herbst zählen zu den Reisehochzeiten. Diese verbringen wir dann statistisch gesehen gerne in Ländern wie: Österreich, Italien und Spanien. Doch nicht selten treibt uns unser Reisefieber auch bis in die exotischsten Winkel dieser Erde.
Da Reisen bekanntlich bildet, könnte man doch auf den Gedanken kommen, dass der deutsche Tourist darin nun auch meisterlich–gebildet sei.
Mit den Sitten und Gebräuchen seines Gastlandes vertraut, gebärdet er sich kultiviert und anständig. Zumindest aber beherrscht er die Grundregeln des Benimms, die trotz aller regionalen Feinheiten doch recht universell sind. Doch weit gefehlt, von Meisterschaft keine Spur!
Da werden Kirchen halbnackt besucht, Restaurants zur Gesangsbühne umfunktioniert und Sonnenliegen okkupiert.


Buffet-Freuden

Gleich morgens im Hotel fallen einem –peinlich berührt- diese Exemplare aus dem „anderen Tourismus-Orbit“ ins Auge.
Im Jogginganzug, bevorzugt Modell Ballonseide, Sportdress oder gar kombiniert mit Hausschuhen geht`s zum Frühstück, um phonstark das Buffet zu stürmen.
Zur ersten Stärkung wird schon mal ein kleiner Happen stehend gegessen. Brötchen werden inspiziert - bei Nichtgefallen landen sie einfach wieder im Korb. Gern angelt man sich auch aus zweiter Reihe den Lachs auf das eigene Tellerchen, und klar, warum sollte auch der Nachwuchs auf`s Fangenspielen zwischen den Frühstückstischen verzichten?
Denken die eigentlich, dass sie sich das ganze Hotel gekauft haben? Spätestens jetzt frage ich mich als Gast, was hier alles bei der Erziehung und Sozialisierung dieser Urlauber falsch gelaufen sein muss – und werde vor Scham über meine rüpelnden Landsleute wütend.


Kleines Hotelzimmer 1x1

Auch als Zimmernachbar sind solche Reisenden nur schwer zu ertragen. Denn dass die oberste Hotelregel lautet: „Als Gast respektiere ich das Ruhebedürfnis anderer Gäste“, scheinen diese Urlauber nicht zu wissen. Warum also nicht eine Mitternachtsparty auf dem eigenen Balkon feiern? – schließlich hat man ja für den Urlaub bezahlt!
Doch fehlende Sachkenntnis gibt es offensichtlich auch noch auf anderen Gebieten: Die Hotelhandtücher sind nämlich nicht zum Abschminken oder Schuheputzen bereitgestellt worden. Seine Unterwäsche – ganz gleich ob sauber oder dreckig – lässt man nicht verteilt im Zimmer herumliegen. Und die Toilettenbürsten sind auch nicht nur für den Gebrauch durch das Reinigungspersonal bestimmt. Allen leidgeprüften Zimmermädchen gilt mein ganzes Mitgefühl.

Schwund im Hotel

Doch auch so mancher Hotelier musste sich schon umgucken – nämlich nach seinem verschwundenen Inventar!
Denn neben Handtüchern, Bademänteln, Föhn, Wäsche, Geschirr, Aschenbecher, der Bibel, oder kleineren Dekorationsgegenständen, verschwinden schon mal auch Bilder, gar Fernsehgeräte und ganze Möbel aus den Gästezimmern. Dass es sich hierbei nicht um „Diebstähle aus Versehen“ handelt, liegt wohl auf der Hand. Schließlich sind dies allesamt keine hoteltypischen Utensilien, wie Seifen, Shampoos oder Nagelfeilen, die man nach der Benutzung getrost mit nach Hause nehmen kann.
Sie glauben das nicht? Sprechen Sie einfach einmal bei Ihrem nächsten Aufenthalt den zuständigen Hotelmanager daraufhin an – Sie werden sich wundern, was der Ihnen zu berichten hat!

Abschließend kann man wohl feststellen: Reiseweltmeister sind nicht automatisch auch Benimm-Weltmeister, aber daran kann man ja arbeiten!
Und zugegebenermaßen – all dies sind keine deutschen Phänomene. Wer zum Beispiel einmal britische Touristen auf Mallorca erleben durfte, wird mir hier sicherlich zustimmen.
Dennoch: Gerade bei deutschen Urlaubern stößt mir solches Missverhalten, bekomme ich es mit, besonders bitter auf – das nennt man dann wohl kollektive Sippenhaft.

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